»Was? Das aus schwedischem Granit mit dem Doppelsockel und den Bronzeketten?«

»Das! Oder haben wir noch ein anderes?«

Heinrich genie?t deutlich seine blode Frage als einen Hohe-punkt sarkastischen Humors.

»Nein«, sage ich.»Wir haben kein anderes mehr. Das ist ja das Elend! Es war das letzte. Der Felsen von Gibraltar.«

»Wie hoch hast du verkauft?«fragt jetzt Georg Kroll.

Heinrich reckt sich.»Fur dreiviertel Millionen, ohne Inschrift, ohne Fracht und ohne Einfassung. Die kommen noch dazu.«

»Gro?er Gott!«sagen Georg und ich gleichzeitig.

Heinrich spendet uns einen Blick voll Arroganz; tote Schell-?sche haben manchmal so einen Ausdruck.»Es war ein schwerer Kampf«, erklart er und setzt aus irgendeinem Grunde seinen Hut wieder auf.

»Ich wollte, Sie hatten ihn verloren«, erwidere ich.

»Was?«

»Verloren! Den Kampf!«

»Was?«wiederholt Heinrich gereizt. Ich irritiere ihn leicht.

»Er wollte, du hattest nicht verkauft«, sagt Georg Kroll.

»Was? Was soll denn das nun wieder hei?en? Verdammt noch mal, man plagt sich von morgens bis abends und verkauft glanzend, und dann wird man als Lohn in dieser Bude mit Vorwurfen empfangen! Geht mal selber auf die Dorfer und versucht -«

»Heinrich«, unterbricht Georg ihn milde.»Wir wissen, da? du dich schindest. Aber wir leben heute in einer Zeit, wo Verkaufen arm macht. Wir haben seit Jahren eine In?ation. Seit dem Kriege, Heinrich. Dieses Jahr aber ist die In?ation in galoppierende Schwindsucht verfallen. Deshalb bedeuten Zahlen nichts mehr.«

Das wei? ich selbst. Ich bin kein Idiot.«

Niemand antwortet darauf etwas. Nur Idioten machen solche Feststellungen. Und denen zu widersprechen ist zwecklos. Ich wei? das von meinen Sonntagen in der Irrenanstalt. Heinrich zieht ein Notizbuch hervor.»Das Kreuzdenkmal hat uns im Einkauf funfzigtausend gekostet. Da sollte man meinen, da? dreiviertel Millionen ein ganz netter Pro?t waren.«

Er platschert wieder in Sarkasmus. Er glaubt, er musse ihn bei mir anwenden, weil ich einmal Schulmeister gewesen bin. Ich war das kurz nach dem Kriege, in einem verlassenen Heidedorf, fur neun Monate, bis ich ent?oh, die Wintereinsamkeit wie einen heulenden Hund auf den Fersen.

»Es ware ein noch gro?erer Pro?t, wenn Sie statt des herrlichen Kreuzdenkmals den verdammten Obelisken drau?en vor dem Fenster verkauft hatten«, sage ich.»Den hat Ihr verstorbener Herr Vater vor sechzig Jahren bei der Grundung des Geschaftes noch billiger eingekauft – fur so etwas wie funfzig Mark, der Uberlieferung zufolge.«

»Den Obelisken? Was hat der Obelisk mit diesem Geschaft zu tun? Der Obelisk ist unverkau?ich, das wei? jedes Kind.«

»Eben deshalb«, sage ich.»Um den ware es nicht schade gewesen. Um das Kreuz ist es schade. Das mussen wir fur teures Geld wiederkaufen.«

Heinrich Kroll schnauft kurz. Er hat Polypen in seiner dicken Nase und schwillt leicht an.»Wollen Sie mir vielleicht erzahlen, da? ein Kreuzdenkmal heute dreiviertel Millionen im Einkauf kostet?«

»Das werden wir bald erfahren«, sagt Georg Kroll.»Riesenfeld kommt morgen hier an. Wir mussen bei den Odenwalder Granitwerken neu bestellen; es ist nicht mehr viel auf Lager.«

»Wir haben noch den Obelisken«, erklare ich tuckisch.

»Warum verkaufen Sie den nicht selber?«schnappt Heinrich.»So, Riesenfeld kommt morgen; da werde ich hierbleiben und auch mal mit ihm reden! Dann werden wir sehen, was Preise sind!«

Georg und ich wechseln einen Blick. Wir wissen, da? wir Heinrich von Riesenfeld fernhalten werden, selbst wenn wir ihn besoffen machen oder ihm Rizinusol in seinen Sonntagsfruhschoppen mischen mussen. Der treue, altmodische Geschaftsmann wurde Riesenfeld zu Tode langweilen mit Kriegserinnerungen und Geschichten aus der guten alten Zeit, als eine Mark noch eine Mark und die Treue das Mark der Ehre war, wie unser geliebter Feldmarschall so treffend geau?ert hat. Heinrich halt gro?e Stukke auf solche Plattituden; Riesenfeld nicht. Riesenfeld halt Treue fur das, was man von anderen verlangt, wenn es nachteilig fur sie ist – und von sich selbst, wenn man Vorteile davon hat.

»Preise wechseln jeden Tag«, sagt Georg.»Da ist nichts zu besprechen.«

»So? Glaubst du vielleicht auch, da? ich zu billig verkauft habe?«

»Das kommt darauf an. Hast du Geld mitgebracht?«

Heinrich starrt Georg an.»Mitgebracht? Was ist denn das nun wieder? Wie kann ich Geld mitbringen, wenn wir noch nicht geliefert haben? Das ist doch unmoglich!«

»Das ist nicht unmoglich«, erwidere ich.»Es ist im Gegenteil heute recht gebrauchlich. Man nennt das Vorauszahlung.«

»Vorauszahlung!«Heinrichs dicker Zinken zuckt verachtlich.»Was verstehen Sie Schulmeister davon? Wie kann man in unserem Geschaft Vorauszahlungen verlangen? Von den trauernden Hinterbliebenen, wenn die Kranze auf dem Grab noch nicht verwelkt sind? Wollen Sie da Geld verlangen fur etwas, was noch nicht geliefert ist?«

»Naturlich! Wann sonst? Dann sind sie schwach und rucken es leichter heraus.«

»Dann sind sie schwach? Haben Sie eine Ahnung! Dann sind sie harter als Stahl! Nach all den Unkosten fur den Arzt, den Sarg, den Pastor, das Grab, die Blumen, den Totenschmaus – da kriegen Sie keine zehntausend Vorauszahlung, junger Mann! Die Leute mussen sich erst erholen! Und sie mussen das, was sie bestellen, erst auf dem Friedhof stehen sehen, ehe sie zahlen, und nicht nur auf dem Papier im Katalog, selbst wenn er von Ihnen gezeichnet ist, mit chinesischer Tusche und echtem Blattgold fur die Inschriften und ein paar trauernden Hinterbliebenen als Zugabe.«

Wieder eine der personlichen Entgleisungen Heinrichs! Ich beachte sie nicht. Es ist wahr, ich habe die Grabdenkmaler fur unsern Katalog nicht nur gezeichnet und auf dem Presto-Apparat vervielfaltigt, sondern sie auch, um die Wirkung zu erhohen, bemalt und mit Atmosphare versehen, mit Trauerweiden, Stiefmutterchenbeeten, Zypressen und Witwen in Trauerschleiern, die die Blumen begie?en. Die Konkurrenz starb fast vor Neid, als wir mit dieser Neuigkeit herauskamen; sie hatte weiter nichts als einfache Lagerphotographien, und auch Heinrich fand die Idee damals gro?artig, besonders die Anwendung des Blattgoldes. Um den Effekt vollig naturlich zu machen, hatte ich namlich die gezeichneten und gemalten Grabsteine mit Inschriften aus in Firnis aufgelostem Blattgold geschmuckt. Ich verlebte eine kostliche Zeit dabei; jeden Menschen, den ich nicht leiden konnte, lie? ich sterben und malte ihm seinen Grabstein – meinem Untero?zier aus der Rekrutenzeit, der heute noch frohlich lebt, zum Beispiel: Hier ruht nach langem, unendlich qualvollem Leiden, nachdem ihm alle seine Lieben in den Tod vorausgegangen sind, der Schutzmann Karl Flumer. Das war nicht ohne Berechtigung – der Mann hatte mich stark geschunden und mich im Felde zweimal auf Patrouillen geschickt, von denen ich nur durch Zufall lebendig zuruckgekommen war. Da konnte man ihm schon allerhand wunschen!

»Herr Kroll«, sage ich,»erlauben Sie, da? wir Ihnen noch einmal kurz die Zeit erklaren. Die Grundsatze, mit denen Sie aufgewachsen sind, sind edel, aber sie fuhren heute zum Bankrott. Geld verdienen kann jetzt jeder; es wertbestandig halten fast keiner. Das Wichtige ist nicht, zu verkaufen, sondern einzukaufen und so rasch wie moglich bezahlt zu werden. Wir leben im Zeitalter der Sachwerte. Geld ist eine Illusion; jeder wei? es, aber viele glauben es trotzdem noch nicht. Solange das so ist, geht die In?ation weiter, bis das absolute Nichts erreicht ist. Der Mensch lebt zu 75 Prozent von seiner Phantasie und nur zu 25 Prozent von Tatsachen – das ist seine Starke und seine Schwache, und deshalb ?ndet dieser Hexentanz der Zahlen immer noch Gewinner und Verlierer. Wir wissen, da? wir keine absoluten Gewinner sein konnen; wir mochten aber auch nicht ganz zu den Verlierern zahlen. Die dreiviertel Million, fur die Sie heute verkauft haben, ist, wenn sie erst in zwei Monaten bezahlt wird, nicht mehr wert als heute funfzigtausend Mark. Deshalb -«

Heinrich ist dunkelrot angeschwollen. Jetzt unterbricht er mich.»Ich bin kein Idiot«, erklart er zum zweiten Male.»Und Sie brauchen mir keine solchen albernen Vortrage zu halten. Ich wei? mehr vom praktischen Leben als Sie. Und ich will lieber in Ehren untergehen als zu fragwurdigen Schiebermethoden greifen, um zu existieren. Solange ich Verkaufsleiter der Firma bin, wird das Geschaft im alten, anstandigen Sinne weitergefuhrt, und damit basta! Ich wei?, was ich wei?, und damit ist es bis jetzt gegangen, und so wird es weitergehen! Ekelhaft, einem die Freude an einem gelungenen Geschaft so verderben zu wollen! Warum sind Sie nicht Arschpauker

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