blitzenden Augen auf Neville.
Neville wich zuruck, den Zauberstab erhoben, und bewegte stumm den Mund. Snape griff in seinen Umhang und ging drohend auf ihn zu.
»R – r – riddikulus!«, quiekte Neville.
Es gab einen Knall, ahnlich dem Knall einer Peitsche. Snape stolperte; er trug jetzt ein langes, spitzenbesetztes Kleid, einen turmhohen Hut, auf dessen Spitze ein mottenzerfressener Geier sa?, und an seinem Handgelenk schlenkerte eine enorme rote Handtasche.
Drohnendes Gelachter brach aus; der Irrwicht erstarrte, heillos verwirrt, und Professor Lupin rief:
»Parvati! Du bist dran!«
Parvati trat mit entschlossener Miene nach vorne. Drohend wandte sich Snape ihr zu. Wieder knallte es und wo er gestanden hatte, erschien eine blutbefleckte, bandagierte Mumie; ihr augenloses Antlitz Parvati zugewandt, begann sie trage schlurfend auf das Madchen zuzugehen und hob die Arme.
»Riddikulus!«, schrie Parvati.
Am Fu? der Mumie loste sich eine Bandage; die Mumie verhedderte sich und fiel mit dem Gesicht auf den Boden; der Kopf rollte davon.
»Seamus!«, rief Professor Lupin.
Seamus scho? an Parvati vorbei.
Knall! Wo die Mumie gewesen war, stand eine Frau mit schwarzem Haar, das bis zum Boden reichte, und einem grunlichen, skelettartigen Gesicht – eine Todesfee. Sie machte den Mund weit auf und ein Klang wie nicht von dieser Welt erfullte den Raum, ein lang gezogener, wehklagender Schrei, der Harry die Haare zu Berge stehen lie?.
»Riddikulus!«, rief Seamus.
Die Todesfee machte ein rasselndes Gerausch und griff sich an die Kehle; sie hatte ihre Stimme verloren.
Knall! Die Todesfee verwandelte sich in eine Ratte, die im Kreis herumrasend ihrem eigenen Schwanz nachjagte und dann – knall! – zu einem blutigen Augapfel wurde.
»Er ist durcheinander!«, rief Lupin,»bald haben wir's geschafft! Dean!«
Dean trat rasch nach vorne.
Krach! Der Augapfel wurde zu einer abgeschnittenen Hand; wie ein Krake kroch sie uber den Boden.
»Riddikulus!«, rief Dean.
Es gab ein schnappendes Gerausch und die Hand war in einer Mausefalle gefangen.
»Glanzend! Ron, du bist dran!«
Ron sturzte nach vorne.
Knall!
Nicht wenige schrien. Eine riesige Spinne, zwei Meter hoch und haarig, krabbelte auf Ron zu und klickte bedrohlich mit ihren Greifzangen. Einen Moment lang hatte Harry den Eindruck, Ron sei erstarrt. Dann -
»Riddikulus!«, bellte Ron und die Beine der Spinne verschwanden; sie kullerte uber den Boden; Lavender Brownkreischte und lief aus dem Weg und die Spinne blieb vor Harrys Fu?en liegen. Schon hob er seinen Zauberstab, doch -
»Halt!«, rief Professor Lupin plotzlich und sprang vor.
Knall!
Die beinlose Spinne war verschwunden. Einen Moment schauten sich alle aufgeregt um, wo sie abgeblieben war. Dann sahen sie eine silbern glitzernde wei?e Kugel vor Lupin in der Luft hangen.»Riddikulus!«, sagte er fast lassig.
Knall!
Der Irrwicht landete als Kakerlak auf dem Boden.»Los jetzt, Neville, mach ihn alle!«, sagte Lupin. Knall! Snape war wieder da. Diesmal sturzte Neville mit entschlossener Miene auf ihn zu.
»Oh!«, rief er und fur den Bruchteil einer Sekunde sahen sie Snape noch einmal im Spitzenkleid, bis Neville ein lautes, prustendes»Ha!«ausstie? und der Irrwicht explodierte, in tausend kleine Rauchwolkchen auseinander stob und verschwand.
»Hervorragend!«, rief Professor Lupin, und die Klasse fing begeistert an zu klatschen.»Sehr schon, Neville. Ihr alle habt eure Sache sehr gut gemacht… la?t mich kurz uberlegen… funf Punkte fur Gryffindor bekommt jeder, der es mit dem Irrwicht aufgenommen hat – zehn fur Neville, weil er zweimal dran war… und jeweils funf fur Hermine und Harry.«
»Aber ich hab doch nichts gemacht«, sagte Harry.
»Du und Hermine habt meine Fragen zu Beginn des Unterrichts richtig beantwortet, Harry«, sagte Lupin gelassen.»Ihr wart alle sehr gut, es war eine hervorragende Stunde. Als Hausaufgabe lest bitte das Kapitel uber Irrwichte und schreibt mir eine Zusammenfassung… bis nachsten Montag. Das ist alles.«
Aufgeregt schnatternd verlie? die Klasse das Lehrerzimmer. Harry jedoch hatte ein ungutes Gefuhl. Professor Lupin hatte ihn entschlossen daran gehindert, es mit dem Irrwicht aufzunehmen. Warum? Weil er gesehen hatte, wie Harry im Zug ohnmachtig geworden war, und glaubte, er konne nicht viel verkraften? Hatte er befurchtet, Harry wurde wieder zusammenbrechen?
Doch von den andern schien keinem etwas aufgefallen zu sein.
»Habt ihr gesehen, wie ich es dieser Todesfee gezeigt hab?«, rief Seamus.
»Und die Hand!«, sagte Dean und fuchtelte mit seiner eigenen herum.
»Und Snape mit diesem Hut!«
»Und meine Mumie!«
»Ich frag mich, warum Professor Lupin Angst vor Kristallkugeln hat?«, sagte Lavender nachdenklich.
»Das war die beste Stunde in Verteidigung gegen die dunklen Kunste, die wir je hatten, oder?«, sagte Ron begeistert, wahrend sie zu ihrem Klassenzimmer gingen, um ihre Taschen zu holen.
»Er scheint ein sehr guter Lehrer zu sein«, sagte Hermine anerkennend.»Aber ich wunschte, ich ware auch mal drangekommen mit diesem Irrwicht.«
»Was ware er fur dich gewesen?«, sagte Ron glucksend.»Eine Hausaufgabe, fur die du nur neun von zehn moglichen Punkten bekommen hattest?«
Die Flucht der fetten Dame
Im Handumdrehen war Verteidigung gegen die dunklen Kunste das Lieblingsfach aller Schuler geworden. Nur Draco Malfoy und seine Clique von den Slytherins lie?en sich gehassig uber Professor Lupin aus.
»Schaut euch doch mal seine Umhange an«, sagte Malfoy unuberhorbar flusternd, wenn Professor Lupin vorbeiging.»Der zieht sich ja an wie unser alter Hauself.«
Doch niemand sonst kummerte es, da? Professor Lupin geflickte und ausgefranste Umhange trug. Die weiteren Unterrichtsstunden bei ihm waren nicht weniger spannend als die erste. Nach den Irrwichten lernten sie die Rotkappen kennen, fiese kleine koboldartige Kreaturen, die uberall dort herumlungerten, wo Blut vergossen worden war: Sie versteckten sich in den Kerkern von Schlossern und in den Sprenglochern verlassener Schlachtfelder und verprugelten alle, die sich dorthin verirrten. Nach den Rotkappen kamen die Kappas, grausige Wasserbewohner, die wie schuppige Affen aussahen und Hande mit Schwimmhauten hatten, die es nur danach juckte, diejenigen zu erwurgen, die in ihren Tumpeln umherwateten.