»Ich wei? nicht… er ist auf der Karte des Rumtreibers eingezeichnet, aber Fred und George glauben, hier sei noch keiner reingekommen… die Karte zeigte nicht, wo er endet, aber es sah so aus, als wurde er nach Hogsmeade fuhren…«
Tief gebuckt liefen sie, so schnell sie konnten; immer wieder erhaschten sie einen Blick auf Krummbeins Schwanz. Der Geheimgang schien nicht enden zu wollen; er kam Harry so lang vor wie der zum Honigtopf. Er dachte nur noch an Ron und stellte sich vor, was der Riesenhund mit ihm anstellen konnte… er rannte weiter, die Hande fast auf dem Boden, erschopft um Luft ringend…
Endlich begann der Tunnel anzusteigen; kurz darauf ging es in eine Biegung und Krummbein war verschwunden.
Doch jetzt konnte Harry einen schwachen Lichtfleck erkennen, der durch eine kleine Offnung fiel.
Die beiden hielten inne und rangen nach Atem, dann drangen sie weiter vor. Sie hoben ihre Zauberstabe, um zu sehen, was hinter der Offnung lag.
Es war ein Zimmer, wust und staubig. Die Tapeten schalten sich von den Wanden; – der ganze Fu?boden war mit Flecken bedeckt; alle Mobel waren kaputt, als ob sie jemand zertrummert hatte. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt.
Harry warf Hermine einen Blick zu. Sie schien verangstigt, nickte aber.
Harry zog sich nach oben aus dem Loch und schaute sich um. niemand war in diesem Raum, doch zur Rechten stand eine Tur offen, die in einen dusteren Flur fuhrte. Plotzlich packte Hermine Harrys Arm. Ihre aufgerissenen Augen wanderten uber die vernagelten Fenster.
»Harry«, flusterte sie,»ich glaub, wir sind in der Heulenden Hutte.«
Harry sah sich um. Sein Blick fiel auf einen Stuhl neben ihnen. Holzstucke waren rausgerissen worden; ein Stuhlbein war abgerissen.
»Das waren keine Gespenster«, sagte er langsam.
In diesem Augenblick knarrte es uber ihren Kopfen. Im oberen Stockwerk hatte sich etwas bewegt. Sie blickten zur Decke. Hermine hatte sich so fest an Harrys Arm geklammert, da? seine Finger taub wurden. Er hob die Augenbrauen und sah sie an; sie nickte ihm zu und lie? ihn los.
So leise sie konnten, schlichen sie hinaus in den Flur und die morsche Treppe hoch. Eine dicke Staubschicht lag uberall, nur auf den Stufen hatte etwas Schweres, das nach oben geschleift worden war, einen hellen, glanzenden Streifen hinterlassen.
Oben gelangten sie in einen dunklen Korridor.
»Nox«, flusterten sie wie aus einem Mund und die Lichter an den Spitzen ihrer Zauberstabe erloschen. Nur eine Tur stand offen. Als sie sich herantasteten, horten sie, wie sich etwas dahinter bewegte; ein leises Stohnen und dann ein tiefes, lautes Schnurren. Sie wechselten einen letzten Blick und ein letztes Kopfnicken.
Harry umklammerte den Zauberstab und hob ihn hoch, dann trat er die Tur auf.
Auf einem prachtigen Himmelbett mit verstaubten Vorhangen flazte sich Krummbein, der bei Harrys Anblick laut zu schnurren begann. Neben dem Bett auf dem Fu?boden lag Ron, die Hande um ein Bein geklammert, das in merkwurdigem Winkel abstand.
Harry und Hermine sturzten zu ihm hin.
»Ron – was ist los mit dir?«
»Wo ist der Hund?«
»Kein Hund«, stohnte Ron und bi? vor Schmerz die Zahne zusammen.»Harry, das ist eine Falle!«
»Was?«
»Er ist der Hund… er ist ein Animagus…«
Ron starrte uber Harrys Schulter. Harry wirbelte herum.
Der Mann im Schatten lie? die Tur ins Schlo? fallen.
Das schmutzige verfilzte Haar reichte ihm bis zu den Ellbogen. Wenn aus den tiefen, dunklen Hohlen in seinem Gesicht keine Augen geleuchtet hatten, hatte er auch eine Leiche sein konnen. Die wachserne Haut war so fest uber die Knochen gespannt, da? sein Kopf wie ein Totenschadel aussah. Ein Grinsen offenbarte die gelben Zahne. Es war Sirius Black.
»Expelliarmus!«, krachzte er und richtete Rons Zauberstab auf sie.
Harry und Hermine ri? es die Zauberstabe aus den Handen, sie wirbelten durch die Luft und Black fing sie auf, Dann kam er einen Schritt naher. Seine Augen waren unverwandt auf Harry gerichtet.
»Ich Wu?te, da? du kommen wurdest, um deinem Freund zu helfen«, sagte er heiser. Seine Stimme klang, als hatte er sie schon lange nicht mehr gebraucht.»Dein Vater hatte dasselbe fur mich getan. Mutig von dir, nicht erst einen Lehrer zu holen. Ich bin dir dankbar, es wird alles viel leichter machen…«
Die Bemerkung uber seinen Vater klang in Harrys Ohren nach, als ob Black ihn angeschrien hatte. Brennender Ha? loderte in seiner Brust hoch und lie? fur Angst keinen Platz. Zum ersten Mal in seinem Leben wollte er den Zauberstab nicht zuruckhaben, um sich zu verteidigen, sondern um anzugreifen… zu toten. Ohne zu wissen, was er tat, wollte er lossturzen, doch neben ihm gab es eine rasche Bewegung und zwei Paar Hande packten ihn und hielten ihn zuruck -»Nein Harry!«, flusterte Hermine, die Augen schreckensstarr; Ron jedoch sprach zu Black.
»Wenn Sie Harry toten wollen, dann mussen Sie uns auch toten!«, sagte er grimmig, doch die Anstrengung, aufrecht zu stehen, trieb ihm den letzten Rest Farbe aus dem Gesicht und er schwankte ein wenig.
In Blacks schattigen Augen flackerte etwas auf
»Leg dich hin«, sagte er leise zu Ron.»Dein Bein ist gebrochen.«
»Haben Sie mich gehort?«, sagte Ron schwach, doch er klammerte sich an Harry, um nicht zu fallen.»Sie mussen uns alle drei umbringen!«
»Es wird heute Nacht nur einen Mord geben«, sagte Black und sein Grinsen wurde breiter.
»Warum das denn?«. fauchte Harry und versuchte sich dem Griff von Ron und Hermine zu entwinden.»Das letzte
Mal hat's Sie doch auch nicht gekummert, oder? All diese Muggel abzuschlachten, um an Pettigrew zu kommen, hat Ihnen nichts ausgemacht… was ist los, haben sie Sie weich gekriegt in Askaban?«
»Harry!«, wimmerte Hermine.»Sei still!«
»Er hat meine Mum und meinen Dad umgebracht!«, brullte Harry. Mit einem heftigen Ruck befreite er sich von Hermine, und Ron sturzte sich Black entgegen.
Harry hatte alle Zauberei vergessen – er hatte vergessen, da? er klein und mager und dreizehn war, Black dagegen ein gro?er, ausgewachsener Mann. Harry wu?te nur, da? er Black Schmerz zufugen wollte, so viel wie moglich, und da? es ihm gleich war, wenn Black ihm ebenfalls wehtat.
Vielleicht war Black einen Augenblick zu verdutzt, weil Harry etwas so Dummes tat, jedenfalls hob er die Zauberstabe nicht rechtzeitig – Harry packte Blacks ausgezehrtes Handgelenk und schob die Zauberstabe von sich weg; mit der anderen Hand schlug er gegen Blacks Schlafe, da? ihm die Knochel schmerzten, und beide krachten gegen die Wand.
Hermine schrie auf, Ron brullte; aus den Zauberstaben in Blacks Hand schossen blendende Lichtblitze, und ein Funkenstrahl verfehlte Harrys Kopf um Haaresbreite; Harry spurte, wie Black den ausgemergelten Arm, den Harry umklammert hielt, verzweifelt losrei?en wollte, doch er umklammerte ihn noch fester und schlug mit der anderen Hand wie von Sinnen auf Black ein.
Doch Blacks freie Hand hatte den Weg zu Harrys Gurgel gefunden.
»Nein«, zischte er,»ich hab zu lange gewartet.«
Seine Hand zog sich zu, Harry wurgte, die Brille hing ihm schief auf der Nase.