»Lacherlich? Wir sind hergekommen und haben uns fur dich in Gefahr begeben, und du hast nicht einmal daran gedacht, uns, deine Familie, wissen zu lassen, da? du noch lebst!« tobte Garb und starrte seine Schwester zornig an.

Gelgeis schuttelte mit spottischem Lacheln den Kopf.

»Meine Familie kummerte sich nicht um mich, bis ich tot war, und dann auch nur, weil er« - damit wies sie auf ihren Vater - »sein Ritual vollziehen wollte.«

Aldhere erhob sich und nahm Gelgeis’ Hand. Seine Manner standen ebenfalls auf und scharten sich um ihn.

»Wie Gelgeis schon sagte, du bist eine kluge Frau, Fidelma. Ich bin mir immer noch nicht sicher, woher du das alles wei?t. Es kann doch nicht nur deswegen sein, weil Bertha und Gelgeis dieselbe Narbe hatten?«

Fidelma lachelte ihm zu. »Du hast einen Fehler gemacht. Du erwahntest, da? du von Mellas Tod wu?test. Du sagtest, Gelgeis hatte dir davon erzahlt. Aber die Nachricht von Mellas Tod kam erst, nachdem Gelgeis in Hob’s Mire versunken sein sollte. Entweder sprachst du mit den Toten, oder Gelgeis war noch am Leben. Wenn sie noch lebte und Lioba nicht Gelgeis war, dann war es leicht, nachdem Eadulf die Narbe erwahnt hatte, sich auszurechnen, wer sie sein mu?te.«

Aldhere sah sie einen Moment nachdenklich an, schlie?lich lachelte er dunn.

»Da weder Gelgeis noch ich an dem Blutvergie?en beteiligt waren, das hier stattgefunden hat, werden wir uns jetzt verabschieden.«

»Wo wollt ihr denn hin?« fragte Eadulf erstaunt. Er konnte nicht anders, er mochte den Geachteten.

Aldhere grinste. »Zuruck ins Moorland, heiliger ge-refa, wohin denn sonst? Dort werden wir bleiben, bis Konig Ealdwulf es sich anders uberlegt oder bis er uns braucht. Wenn die Heere Wulfheres von Mercia uber die Grenze marschieren, wird uns Konig Ealdwulf brauchen. Ich war Than von Bretta’s Ham, und ich werde es wieder sein. Richte ihm das von mir aus, Lord Sigeric.«

Sigeric wollte etwas sagen, zogerte und winkte ihm dann verabschiedend zu.

»Einen Moment, Gelgeis!« Fidelmas Stimme zwang sie zum Stehenbleiben, und die junge Frau drehte sich finster um. »Eine letzte Frage mochte ich dir noch stellen, bevor ihr geht. Als du neulich abend deine geisterhafte Erscheinung vor Cild in Hob’s Mire vorfuhrtest, woher wu?test du, da? Cild und einige der Bruder dort sein und dich sehen wurden?«

Gelgeis kicherte, diesmal wirklich belustigt.

»Sag mir nicht, da? die gro?e dalaigh nicht allwissend ist?« Sie lachelte spottisch. »Hei?t es nicht, da? ein gelehrter Mensch auch ein halbes Wort versteht?«

»Es hei?t aber auch, wer seine Unwissenheit eingesteht, der gewinnt an Weisheit.«

»Viele Ereignisse sind nicht geplant. Ich war auf dem Weg zur Abtei, um Cild wieder einmal zu erscheinen. Als ich das Moor durchquerte, bemerkte ich eine Gruppe von Reitern bei den Baumen. Ich nutzte die Gelegenheit, ohne zu wissen, da? Cild dabei war. Als ich sah, da? die Reiter zur Abtei zuruckkehrten und zwei Gestalten durch das Moor auf mich zu kamen, meinte ich, fur diesen Abend sei es genug der Erscheinungen. Deshalb ritt ich nach Hause.«

»Also war es ein reiner Zufall?«

»Unser Schicksal wird mehr vom Zufall bestimmt als von sorgfaltiger Planung.«

Fidelma verneigte sich vor der jungen Frau.

»Du bist weise geworden, Gelgeis. Mogest du Frieden und Zufriedenheit finden.«

Es herrschte Schweigen, wahrend Aldhere und Gelgeis mit Aldheres Mannern die Kapelle verlie?en. Gelgeis warf ihrem Vater und ihrem Bruder nicht einen Blick zu.

Als sie fort waren, wandte sich Eadulf leise an Fidelma .

»Ich kann immer noch nicht entscheiden, ob Gelgeis einen guten oder einen schlechten Charakter besitzt.«

Fidelma lachelte. »Wie du dich erinnern wirst, konnten das die anderen auch nicht. Manche in der Abtei fanden sie freundlich und liebenswert, wahrend andere sie nicht mochten. Tatsache ist, da? kein Mensch ganz gut oder ganz schlecht ist, sondern fur verschiedene Leuten beide Eigenschaften gleichzeitig aufweisen kann. Ich neige zu der Auffassung, da? ihre schlechten Eigenschaften durch die Umstande hervorgebracht wurden.«

Sie blickte hinuber zu Gelgeis’ Familie. Sie konnte sich eines gewissen Mitleids nicht erwehren, als sie sie dort bla? und zusammengesunken sitzen sah. Bruder Laisre tatschelte dem alten Fursten den Arm.

»Und nun, Gadra von Maigh Eo«, fragte Fidelma, »wirst du in Frieden abziehen und auf dieses troscud verzichten? Denk daran, da? ich dir diese Enthullung ersparen wollte. Nur dein blindes Bestehen ...« Sie hielt inne, zog eine Schulter hoch und lie? sie wieder sinken.

Es war Garb, der fur seinen Vater antwortete.

»Das troscud ist aufgegeben, Schwester. Wenn es keine Ursache gibt, kann es auch keine Wirkung geben. Wir kehren nach Maigh Eo zuruck.«

Sie verlie?en gerade die Kapelle, als Werferth, der Befehlshaber von Sigerics Leibwache, hereinkam und sich bei Sigeric meldete. »Ich bin den Spuren dieses Higbald aus Mercia und seiner Manner gefolgt, Lord Sigeric. Sie fuhren geradewegs in die Richtung auf Mercia. Sie sind auf der Flucht von hier.«

Sigeric seufzte resigniert.

»Anscheinend konnen wir nicht einmal Higbald fur seine Verbrechen bestrafen? Eins verstehe ich an dieser traurigen Geschichte immer noch nicht. Warum wollte Higbald euch beide in eine Falle locken? Cild hatte euch der Hexerei beschuldigt. Warum wollte er euch nicht einfach durch Cild mit einem Fehlurteil beseitigen lassen? Warum machte er sich all die Muhe?«

»Vergi? nicht, da? Higbald im Auftrage von Mercia hier war, um ein Hochstma? an Zwist und Gewalt zu erzeugen«, erklarte Eadulf. »Im nachhinein habe ich begriffen, da? damals, als ich Cild nachritt, um dabeizusein, wenn er Aldhere erreichte - an dem Vormittag, als Cild so tat, als wolle er seinen Bruder jagen -, da? ich selbst nur knapp dem Tod durch Higbalds Hand entging.«

Sigeric war verblufft, und selbst Fidelma horte interessiert zu.

»Erinnerst du dich, da? Garb uns erzahlte, wie Higbald mir aus der Abtei gefolgt sei?« fuhr Eadulf fort. »Hatten Garb und seine Manner Higbald nicht abgefangen, so glaube ich, hatte Higbald mich toten und die Tat auf Aldhere schieben wollen. Sein Hauptziel war es, Uneinigkeit, Verdacht und Zwietracht zu saen. Garb rettete mir wahrscheinlich das Leben. Aus demselben Grunde ersann er den komplizierten Plan, Fidelma und mich zur Flucht zu veranlassen. Hatte Cild Fidelma wegen Hexerei hinrichten lassen, ware das zwar eine irrsinnige Tat gewesen, aber man hatte behaupten konnen, sie sei nach dem Gesetz geschehen. Wurden wir aber au?erhalb der Abtei ermordet, dann gabe es diesen Vorwand nicht. Weiteres Mi?trauen und gro?ere Beunruhigung wurden daraus entstehen. Als was fur ein vollendeter Lugner hat sich Higbald herausgestellt!«

»Nun ja, vielleicht begegnet uns dieser Higbald noch einmal«, seufzte Sigeric. »Wenn Mercia uns wirklich angreift, werden hoffentlich unsere Schwertarme starker sein als ihre Intrigen.« Der Alte schaute sich in der Kapelle um. Von den Versammelten waren nur noch ein Dutzend Monche ubrig, mit Bruder Wil-librod an der Spitze. Er war bedruckt und hatte rote Augen, ein trauriger Anfuhrer. Der Oberhofmeister winkte ihn heran.

»Der Gestank des Bosen lastet noch auf dieser Abtei, Bruder Willibrod«, erklarte Sigeric. »Ich will hier niemandem eine Schuld zuweisen, aber ich werde hieruber dem Bischof Konig Ealdwulfs Bericht erstatten, der die Verantwortung fur diesen Ort ubernehmen mu?. Wotan sei Dank, da? ich kein Christ bin und euch keine Vorwurfe machen mu?. Warum erhielten Konig Eald-wulf oder sein Bischof keine Kunde vom Verhalten eures Abtes?«

Als Bruder Willibrod den Mund offnete, winkte Si-geric mit erhobener Hand ab.

»Nein, ich will nichts horen. Spar dir deine Ausreden fur den Bischof deines Glaubens. Ich werde lediglich berichten, was ich vorgefunden habe. Inzwischen bleibst du hier und ubernimmst die Leitung der Bruder, bis du von deinem Bischof horst. Es wird deine Aufgabe sein, die Abtei in Ordnung zu bringen.«

Er erhob sich und kam mit ausgestreckter Hand auf Fidelma zu.

»Ich habe viel gelernt in den letzten Stunden, Fidelma von Cashel. Ich entschuldige mich fur meine kulturelle Unwissenheit. Ich bedaure sie. Moge dein Gott mit dir sein auf allen deinen Reisen. Auch mit dir, Bruder Eadulf. Du hast eine Gefahrtin, deren Weisheit ihrer Schonheit gleichkommt.«

Der Alte gab Werferth ein Zeichen, ihn zu begleiten, wandte sich um und verlie? die Kapelle.

Willibrod begann, seinen Brudern Anweisungen zu geben, und wahrenddessen gingen Fidelma und Eadulf gemeinsam hinaus auf den Hof und traten in den fahlen Sonnenschein des winterlichen Spatnachmittags. In einer Stunde wurde es dunkel. Der Bauer Mul erwartete sie.

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