Desmond war die Idealverkorperung einesBankmannes; hatte die Philadelphia Trust and FidelityBank im Fernsehen Werbung gemacht, so ware er der perfekte Sprecher gewesen. Er war immer konservativ gekleidet, hatte etwas von einer soliden, altmodischen Autoritat und wirkte absolut vertrauenswurdig.

«Nehmen Sie Platz, Tracy«, bat er. Er ruhmte sich, alle Angestelltenbeim Vornamen zu kennen.»Scheu?lich drau?en, nicht?«

«Ja.«

«Aber die Leute mussen nun mal zurBank. Tja. «Mehr unverbindliche Floskeln fielen ihm nicht ein. Erbeugte sich ein wenig vor.»Wie man hort, wollen Charles Stanhope und Sie heiraten.«

Tracy war verblufft.»Wir haben es noch nichtbekanntgegeben. Woher…«

Desmond lachelte.»Was die Stanhopes tun, macht immer von sich reden. Das freut mich sehr fur Sie. Ich darf doch davon ausgehen, da? Sie auch weiterhin fur uns arbeiten? Nach der Hochzeitsreise naturlich. Wir mochten Sie nicht verlieren, denn Sie sind eine von unseren wertvollsten

Mitarbeiterinnen.«

«Charles und ich haben schon daruber gesprochen, und wir fandenbeide, da? ich sicher glucklicherbin, wenn ich weiterarbeite.«

Desmond lachelte zufrieden. Stanhope & Sons gehorte zu den wichtigsten Investitionsgesellschaften der Finanzwelt, und wenn er das Geschaftskonto dieser Firma exklusiv fur sein Haus ergattern konnte, war das ein guter Fang. Er lehnte sich in seinem Sessel zuruck.»Wenn Sie von der Hochzeitsreise zuruckkommen, Tracy, wartet eineBeforderung auf Sie — inklusive Gehaltserhohung.«

«Oh, vielen Dank! Das ist ja wunderbar!«Tracy wu?te, da? sie es sich redlich verdient hatte. Aber sie war trotzdem aufgeregt und stolz. Sie konnte es kaum erwarten, Charles davon zuberichten. Tracy schien, als hatten sich die Gotter abgesprochen, alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um sie mit Gluck zu uberhaufen.

Charles' Eltern wohnten am Rittenhouse Square in einer imposanten alten Villa, die zu den Wahrzeichen der Stadt zahlte. Tracy war schon oft an ihr vorbeigekommen. Und jetzt, dachte sie, wird die Villa ein Teil meines Lebens sein.

Tracy war nervos. Die feuchte Luft hatte ihrer schonen Frisurbose zugesetzt, und sie hatte sich viermal umgezogen. Sollte sie sich einfach kleiden? Oder festlich? Siebesa? ein Yves?Saint?Laurent?Kleid, das sie sich muhsam zusammengespart hatte. Wenn ich das trage, werden sie mich fur uberspannt halten. Und wenn ich eines von meinenbilligen Fahnchen anziehe, werden sie glauben, ihr Sohn heiratet unter seinem Niveau. Ach, was soll's — das glauben sie sowieso, dachte Tracy. So entschied sie sich schlie?lich fur einen schlichten grauen Wollrock und eine wei?e Seidenbluse. Als einzigen Schmuck wahlte sie die dunne goldene Halskette, die sie von ihrer Mutter zu Weihnachten geschenktbekommen hatte.

EinButler in Livree offnete ihr die Tur.»Guten Abend, Mi? Whitney. «DerButler wei?, wie ich hei?e. Ist das ein gutes Zeichen oder ein schlechtes?» Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«DerButler fuhrte Tracy durch eine marmorne Eingangshalle, die ihr zweimal so gro? vorkam wie die ganzeBank. O Gott, dachte sie in plotzlicher Panik. Ichbin falsch angezogen! Ich hatte doch das Yves?Saint?Laurent?Kleid nehmen sollen. Als sie in dieBibliothek trat, spurte sie, wie sich eine Laufmasche an der Ferse ihrer Strumpfhose loste. Und dann stand sie Charles' Eltern gegenuber.

Charles Stanhope senior war funfundsechzig oder sechsundsechzig. Er sah streng aus. Und wie der Erfolgsmensch uberhaupt. Wenn man ihnbetrachtete, wu?te man, wie sein Sohn in drei?ig Jahren aussehen wurde. Er hattebraune Augen wie Charles, ein energisches Kinn und schuttere wei?e Haare. Tracy mochte ihn sofort. Das war der ideale Gro?vater fur ihr Kind.

Charles' Mutter wirktebeeindruckend. Sie war ziemlich klein und mollig, aber sie hatte etwas Konigliches an sich. Sie sieht solide und zuverlassig aus, dachte Tracy. Sicher eine wunderbare Gro?mutter!

Mrs. Stanhope streckte Tracy die Hand entgegen.»Wie nett von Ihnen, meine Liebe, da? Sie zu uns gekommen sind. Wir haben Charles gebeten, ein paar Minuten mit Ihnen alleine sprechen zu durfen. Sie haben doch nichts dagegen?«

«Naturlich hat sie nichts dagegen«, sagte Charles' Vater.»Nehmen Sie Platz… Tracy, ja?«

«Ja, Sir.«

Charles' Eltern setzten sich auf eine Couch ihr gegenuber. Warum habe ich das Gefuhl, ich mu?te gleich ein Verhor uber mich ergehen lassen? Tracy hatte die Stimme ihrer Mutter im Ohr: Gott ladt dir nie mehr auf, als du tragen kannst, Kind. Du mu?t es schrittweise angehen, eins nach dem andern.

Tracys erster Schritt war ein dunnes Lacheln, das ihr vollig

schief geriet, weil sie im selben Moment spurte, wie die Laufmasche in ihrer Strumpfhose zum Knie hinaufwanderte.

«Also!«Mr. Stanhopes Stimme klang jovial.»Sie und Charles wollen heiraten.«

Das Wort wollenbeunruhigte Tracy. Charles hatte seinen Eltern doch sicher gesagt, da? sie auf jeden Fall heiraten wurden.»Ja«, sagte Tracy.

Mrs. Stanhope rausperte sich.»Besonders lange kennen Sie und Charles sich eigentlich nicht, oder?«

Tracy empfand einen leisen Groll und kampfte dagegen an. Ich hatte recht. Es wird tatsachlich ein Verhor.

«Lange genug, um zu wissen, da? wir uns lieben, Mrs. Stanhope.«

«Lieben?«murmelte Mr. Stanhope.

Mrs. Stanhope hobihre Augenbrauen.»Um ganz ehrlich zu sein, Mi? Whitney — Charles' Ankundigung hat uns doch etwas schockiert. «Sie lachelte milde.»Charles hat Ihnen gewi? von Charlotte erzahlt?«Sie sah Tracys fragenden Gesichtsausdruck.»Also nicht. Charlotte und er sind gemeinsam aufgewachsen. Sie waren immer sehr vertraut miteinander, und — nun ja, eigentlich haben alle erwartet, da? sie sich dieses Jahr verloben wurden.«

Es war nicht notig, Charlotte zubeschreiben. Tracy hatte einBild von ihr malen konnen. Wohnte in der Nachbarvilla. Reich. Derselbe soziale Hintergrund wie Charles. Eliteschulen. Eliteuniversitaten. Liebte Pferde und gewann Pokale.

«Erzahlen Sie uns von Ihrer Familie«, schlug Mr. Stanhope vor.

Mein Gott, das ist wie eine Szene aus einem alten Film, dachte Tracy wutend. Ichbin Rita Hayworth undbegegne Cary Grants Eltern zum ersten Mal. Ichbrauche einen Drink. In den alten Filmen kam immer als letzte Rettung derButler mit Drinks.

«Wo sind Sie her, meine Liebe?«erkundigte sich Mrs.

Stanhope.

«Aus Louisiana. Mein Vater war Automechaniker. «Dieser Zusatz ware nicht notig gewesen, aber Tracy konnte der Versuchung nicht widerstehen. Zum Teufel mit diesem aufgeblasenen Paar. Sie war stolz auf ihren Vater.

«Automechaniker?«Charles' Eltern starrten sie an.

«Ja. Er hat eine kleine Fabrik in New Orleans aufgemacht und sie mit der Zeit zu einem recht stattlichenBetriebausgebaut. Als er vor funf Jahren starb, hat meine Mutter die Firma ubernommen.«

«Und was stellt diese… ah… Firma her?«

«Auspufftopfe und anderes Autozubehor.«

Mr. und Mrs. Stanhope tauschten einenbedeutungsvollenBlick und sagten wie aus einem Munde:»Aha!«

Ihr Ton lie? Tracy erstarren. Wie lang es wohl dauern wird, bis ich diebeiden mag? fragte sie sich. Sieblickte in die zwei teilnahmslosen Gesichter ihr gegenuber undbegann zu ihrem eigenen Entsetzen aufs Geratewohl draufloszuplappern.»Meine Mutter wird Ihnenbestimmt gefallen. Sie ist schon und intelligent und sehr charmant. Sie kommt auch aus dem Suden. Sie ist sehr klein, ungefahr so gro? wie Sie, Mrs. Stanhope…«Das Schweigen war derart druckend, da? Tracy verstummte. Dann gabsie ein kleines, albernes Gelachter von sich und verstummte abermals unter Mrs. Stanhopes starremBlick.

Schlie?lich sagte Mr. Stanhope ausdruckslos:»Wie uns Charles mitteilt, sind Sie schwanger.«

Oh, wie sehnlich wunschte sich Tracy, er hatte es ihnen nicht mitgeteilt! Sie waren so ablehnend! Als hatte ihr Sohn uberhaupt nichts damit zu tun, als ware es ein Makel, schwanger zu sein. Jetzt wei? ich, was ich hatte tragen sollen, dachte Tracy. EinBu?erhemd.

«Ich verstehe nicht, wie man heutzutage…«, begann Mrs. Stanhope. Aber siebrachte den Satz nicht zu Ende, weil in

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