»Ich bin kein Modul mehr«, sagte ich.
»Bist du ausgeschieden?«, fragte der Barkeeper verwundert und schuttelte den Mixbecher.
»Ja, so in etwa.«
»Und du hast beschlossen zuruckzukehren?«
»Ich muss… verschiedene Leute besuchen…«, erwiderte ich. »Mich bedanken. Auch bei Ihnen.«
»Wofur?«, wollte der Barkeeper erstaunt wissen.
»Sie haben mir geholfen, die Stelle auf der Kljasma zu bekommen.«
»Das ist doch keinen Dank wert…«, au?erte der Barkeeper beschamt. Aber ich sah, dass er sich geschmeichelt fuhlte.
Ich nahm das Glas entgegen und kostete vom Shake. Er schmeckte gut.
Aber die Milch auf Avalon hatte ein besseres Aroma, wobei selbst diese an die H-Milch auf Neu-Kuweit nicht herankam.
»Noch mehr?« Der Barkeeper griff zum Shaker.
»Nein, das ist fur Sie. Ich lade Sie ein.«
Der junge Mann lachelte und wir stie?en an.
»Danke«, sagte ich erneut und nahm meine leichte Tasche. »Wissen Sie, Sie haben namlich das ganze Imperium gerettet!«
Nach diesen Worten schien er davon uberzeugt zu sein, dass mein Kopf doch unter dem Onlinebetrieb gelitten hatte… Als ich zum Fluss kam, war dort noch niemand. Ich zog mich aus und sprang ins Wasser — wie kalt es war. Ich schwamm rund zehn Minuten, krabbelte dann heraus und sah mich um — nach wie vor war niemand in der Nahe.
Ich wrang die Badehose aus und zog sie wieder an, trocknete mich mit einem kleinen Wegwerfhandtuch ab und legte mich auf meine geliebte Steinplatte.
Die Sonne drang mit Muh und Not durch den Sandsturm.
Ein orangefarbener Fleck, der weder fur Warme noch Sonnenbraune sorgte. Trotzdem rakelte ich mich unter ihr und erinnerte mich daran, wie lange sie meine einzige Sonne gewesen war.
Jetzt zog sie vollstandig zu, die vom Sand zerkratzte Kuppel begann, leicht im »Abendregime« zu leuchten, und ich drehte mich auf den Bauch. Solche Sturme dauern lange. Bis zum Fruhling. Lediglich die riesigen Erztransporter konnen die Sandwande durchbrechen und den Windboen standhalten. Genauso wie die kleinen beweglichen Raumschiffe der Phagen, obwohl Alex warnte, dass er vierundzwanzig Stunden auf mich warten und dann wegfliegen wurde, denn ihm sei sein Leben etwas wert, insbesondere die Drusen der inneren und die besonders wertvollen der au?eren Sekretion. Und es ware normalen Menschen nicht empfohlen worden, auf Karijer zu leben, das sei kein Planet, sondern eine richtige Holle…
Als ob das jemand bestreiten wurde!
Er wurde naturlich nicht wegfliegen, sondern auf mich warten.
Im schlimmsten Fall wurde er mich suchen und behaupten, dass mache er nur deshalb, weil es ihn langweile, allein zu fliegen, aber er wurde mich suchen. Stasj wurde namlich zum Inej entsandt, um die entflohenen Klone der Schnee einzufangen, und Alex, dem es langsam besser ging (seine Narbe war sehenswert!), bekam den Befehl, nach Avalon zuruckzukehren.
»Tiki-Tiki…«
Ich drehte mich auf den Rucken und erblickte Dajka.
»Das kann doch nicht wahr sein!«, rief sie.
»Doch!«, erwiderte ich. »Ich bin deine Halluzination. Die Vergegenstandlichungdeinerunbewusstenpubertaren Komplexe.«
»Idiot!« Dajka wurde rot. Nichtsdestotrotz legte sie ihren Pocket-PC zur Seite und piekste mich mit ihrem Finger in den Bauch.
»Ahhh, ich lose mich in Luft auf…«, meinte ich traurig. »Dajka, wie geht es dir? Bist du besser in Mathe geworden?«
Sie errotete noch tiefer. So ist das Leben — dieses Menschenkind wusste genau, dass es nicht Pilot werden konnte, lernte aber Mathematik. Mathe fiel ihr schwer, desto mehr buffelte sie.
»Es geht so… Das Alter zum Erreichen der Volljahrigkeit wurde gesenkt. Auf vierzehn Jahre.«
»Also wurde die Erma?igung fur die Sozialsysteme auf vierzehn gesenkt? Das bedeutet, dass die Gruben bald uberquellen werden«, folgerte ich. »Karijer stirbt aus.«
Dajka nickte. »Warum bist du zuruckgekommen, Tiki- Tiki…«
»Um dich und Gleb zu holen.«
»Wohin willst du uns holen?«, fragte Dajka vorsichtig.
»Auf den Avalon. Oder auf Neu-Kuweit. Wie ihr wollt. Ich habe auf beiden Freunde. Und ich selbst habe mich noch nicht entschieden, wo ich leben werde. Besser ware es naturlich auf dem Avalon. Obwohl es uberall gute Menschen gibt. Die Menschen sind uberhaupt gut, man muss sie nur daran erinnern.«
»Sag mal, hast du geerbt?« Dajka lachelte unsicher.
»Zum Teufel, so ein Erbe… nein. Aber zwei Staatsburgerschaften kann ich schon herausschlagen. Und das Raumschiff wartet im Kosmodrom.«
Dajka schwieg.
Ich setzte mich und zog die Knie an den Bauch und sagte: »Ich verstehe dich. Du hast hier deine Eltern und ein Schwesterchen. Ich kann das alles nachvollziehen, Dajka. Aber ich konnte nur fur zwei Menschen etwas erreichen. Wenn du weggehst, wird es deiner Familie leichter fallen, du kannst ihnen deinen Anteil uberschreiben. Und spater lasst sich vielleicht noch irgendetwas machen.«
Sie dachte nach. Dann wollte sie wissen: »Neu-Kuweit — ist das dort, wo der Putsch war?«
»Ja.«
»Und du bist irgendwie…«
»Ich erzahle es dir. Nur ein anderes Mal. Ich mochte jetzt nicht daran denken, Dajka.«
Aber Dajka beschaftigte etwas anderes. »Stimmt es, dass die Prasidentin des Inej ohne Anabiose im Zeittunnel fliegen konnte?«
Alle Achtung — so verbreiten sich Geruchte! Schneller als das Licht.
»Ja«, antwortete ich und bat die Phagen innerlich um Verzeihung. »Sie… sie hatten ein echtes Genetikgenie. Sie haben herausgefunden, warum die Frauen den Zeitsprung nicht vertragen, und Wege gefunden, dagegen anzukampfen. Allein das hatte ausgereicht, dass sie das gesamte Imperium auf Handen getragen hatte! Diese Schlange ware auf einen beliebigen Posten gewahlt worden, sogar auf den des Imperators! Aber sie haben sich nur damit befasst, wie man den Menschen die Kopfe verdrehen kann.«
Dajka nickte. Sie flusterte: »Das hei?t also, ich kann Pilot werden?«
»Ich wei? nicht. Vielleicht. Aber deine Tochter wird es auf alle Falle konnen.«
»Idiot!«, sagte Dajka wieder, aber ohne besonderen Nachdruck. »Tikkirej, du fuhrst mich auch nicht an der Nase herum?«
»Nein.«
»Ich muss mit den Eltern sprechen. Ich gehe dann, Tiki- Tiki.«
»Vergiss deinen Pocket-PC nicht«, erinnerte ich sie streitlustig. »Am Abend komme ich vorbei… Wohnt ihr immer noch in der gleichen Wohnung?«
»Ja.«
Sie beugte sich uber den PC, zogerte einen Augenblick und meinte: »Du hast dich sehr verandert, Tikki. Du bist gro? geworden.«
Dann gab sie mir schnell einen Kuss auf die Wange und lief weg.
Ich lachelte dummlich, wischte mir die Wange aber nicht ab.
Mein Vorschlag an Dajka brachte mich in ein gewisses Dilemma. Sie hatte hier Eltern und eine Schwester. Und auch Gleb hatte Eltern. Aber ich hatte nur das Recht, zwei Menschen zu helfen. Und das wurden meine Freunde sein.
Es waren keine Genies notig, die mit Gewalt die ganze Welt glucklich machen wollten. Man musste nur denen helfen, die in der Nahe waren. Dann wurde es allen besser gehen.
Ada Schnee konnte bis zuletzt nicht verstehen, warum ich Stasjs Seite gewahlt hatte, dabei ist es so einfach! Auch wenn Stasj ebenfalls die Interessen von Millionen Menschen und Dutzenden Planeten berucksichtigt