geschleudert worden. Der dritte hatte ein großes Loch in der Brust, und sein Hemd war blutig und von sickernden Sekretionen innerer Organe durchtränkt, als habe sich die Lenksäule eines Fahrzeugs hineingebohrt. Sie waren Tote, die einst Menschen gewesen waren und nun von einer Kraft jenseits normalen Verstehens belebt und von der Gier nach lebendigem Menschenfleisch getrieben wurden. Als sie dort schweigend im Maisfeld standen, drehte eine der
Gestalten sich langsam und mühevoll um und schaute zurück. Drei weitere Humanoide bahnten sich den Weg durch das Feld und kamen näher. Sie bewegten sich staksig und unbeholfen. Einem fehlte ein Arm und ein Teil seines Gesichts und er schien zwischen blutverkrusteten Zähnen hindurch zu grinsen. Plötzlich stolperte er und stürzte mit einem grauenhaften Knirschen zwischen die Maispflanzen. Dann rollte er sich auf die Seite, stieß ein fauchendes Stöhnen aus und rappelte sich wieder auf die Füße. Seine Gefährten waren weitergegangen und bewegten sich mit größter Anstrengung und Konzentration auf Bert Millers Farmhaus zu, dessen Lichter in der Ferne schimmerten.

In ihrem Zimmer im Obergeschoß tröstete Ann ihre Schwester Karen und versuchte, ihr und sich selber einzureden, daß Sue Ellen allein zurechtkommen würde, daß das Farmhaus ein sicherer Ort sei, daß das Baby zur Welt kommen und sich alles irgendwie zum Guten wenden würde.

»Ich

hätte fortgehen sollen«, weinte Karen. »Ich mit dem Baby! Ich müßte irgendwo in der Nähe eines Krankenhauses sein!«

»Du bist doch in der Nähe eines Krankenhauses«, widersprach Ann. »Zehn Minuten entfernt. Wenn die Wehen einsetzen, wird Daddy dich mit dem Laster nach Willard bringen. Vielleicht fahren wir alle zusammen, wenn es hier nicht sicher genug ist. Daddy wird nicht wollen, daß das Baby irgendeiner Gefahr ausgesetzt ist.«

»Ich glaube, ihm war's lieber, das Baby wäre tot«, jammerte Karen.

»Das ist nicht wahr! Du wirst sehen, sobald das Baby auf der Welt ist, wird Daddy der stolze Großvater sein.« »Ich wünschte, das Baby käme bald«, schluchzte Karen. Sie sah in der Geburt eine Möglichkeit, aus dem Farmhaus zu entkommen.

Plötzlich war draußen ein Geräusch zu hören, das Knirschen von Schritten vor der Haustüre.

Die beiden Mädchen lauschten. Sie hörten, wie die Tür aufging. »Sue Ellen ist zurückgekommen!« rief Karen freudig aus.

Sie strahlte unter den Tränen.

Ann sprang lächelnd auf, doch ihr Lächeln erstarrte in ihrem Gesicht, und ihr Blick traf den ihrer Schwester, als ein grausiger Schrei aus dem Erdgeschoß erschallte. »Karen, du bleibst hier! Schließ die Tür hinter mir ab!« schrie Ann und ließ ihre vor Angst fast gelähmte Schwester im Schlafzimmer zurück, knallte die Tür hinter sich zu und stürzte die Treppe hinunter.

Sie erreichte den Treppenabsatz und sah, wie ihr Vater in Stücke gerissen wurde. Drei gespenstische Gestalten waren über ihn hergefallen. Seine Schreie waren verstummt. Die grausigen Kreaturen kauten an seinem Gesicht, seinen Armen, zerrten und bohrten an dem weichen Fleisch seines Bauches, um an die inneren Organe zu gelangen. Ein Auge von Bert Miller starrte weit aufgerissen an die Decke, aus der anderen Augenhöhle spritzte ein Schwall von Blut. Ann blieb der Schrei im Halse stecken. Eine der Gestalten mit dem Mund voller Fleisch schaute zu ihr auf, fast wie aus Neugierde, als sie entsetzt zurückwich und der Schrei, den sie zunächst nicht hatte hervorbringen können, aus ihrer Kehle brach. Der Leichenfresser kam auf die Füße und steuerte auf Ann zu, die Mühe hatte, mit zitternden, schwachen Knien zu flüchten. Auf Beinen wie aus Gummi strampelte und stolperte sie die Treppe hinauf und warf sich gegen die Schlafzimmertür. Sie war verschlossen. »Karen!
Kaaarennn!«

Die blutverschmierte Gestalt hatte inzwischen den Treppenabsatz erreicht. Ihre grauenerregende Fratze wurde von dem grellen Licht der nackten Glühbirne über der Treppe beleuchtet.

Karen öffnete und Ann stürzte ins Zimmer. In fliegender Hast verriegelte sie die Tür, blieb einen Moment in Panik stehen, dann rannte sie in die gegenüberliegende Ecke des Raumes und versuchte, eine schwere Kommode vor die Tür zu rücken. Sie schaute Karen an, als wolle sie sie bitten, ihr zu helfen, ehe sie voller Entsetzen begriff, daß sie von dem hochschwangeren Mädchen keine Hilfe erwarten konnte. Die Kommode rührte sich nicht von der Stelle. Draußen begann das fleischgierige Ding mit den Fäusten gegen die Schlafzimmertüre zu hämmern. Und von der Treppe her waren weitere Schritte zu hören.

Ann zerrte und rüttelte mit all ihrer Kraft an der Kommode und sie bewegte sich ein paar Zentimeter von der Stelle. Karen faßte mit verzerrtem, benommenem Ausdruck im Gesicht eine Ecke des schweren Möbels an und versuchte zu helfen. Ann begann, in hektischer Panik die Schubladen aus der Kommode zu reißen und aufs Bett zu werfen, um das Gewicht des Möbelstücks zu verringern, um es so besser an den gewünschten Platz schieben zu können. Die Schlafzimmertür begann nachzugeben. Der schwere Eisenriegel hielt erstaunlicherweise stand, doch die ganze Tür selbst fing an, unter der Wucht der Schläge der Kreatur draußen zu zersplittern.

Die Kommode ließ sich wieder ein paar Zentimeter weiterwuchten und stieß dann gegen die Wand. Ann konnte sie nicht um das Bett herum bewegen. Karen warf sich kreischend auf den Boden und versuchte, ihren aufgeschwollenen Leib unter das Bett zu zwängen. Ihr war der Gedanke durch den Kopf geschossen, daß die Leichenfresser Ann fortschleppen und sie in Ruhe lassen könnten, so daß sie und ihr Baby am Leben blieben - ein entsetzlicher, alptraumartiger Gedanke, für den sie sich auf der Stelle schämte. Aber sie wollte nichts als überleben. Am ganzen Leib zitternd zwängte sie sich Stück für Stück unter das Bett.

Ann drückte sich zwischen die Kommode und die Wand, um das Möbelstück vorwärts zu schieben, während die Schläge gegen die splitternde Tür immer bedrohlicher wurden. Durch den Krach hindurch meinte sie, einen Schuß zu hören. Dann eine ganze Salve. Und das ferne Aufheulen von Polizeisirenen und das Knirschen von Reifen auf dem Kies, als die Sirenen verstummten. Tränen strömten ihr über die Wangen. Vielleicht würden sie diese Hölle auf Erden doch überleben. Wieder fiel ein Schuß, gefolgt von einem dumpfen Aufschlag unten im Wohnzimmer, und aus der Ferne der triumphierende Aufschrei eines Mannes.

Die Sirene heulte wieder durch die Nacht und wurde immer lauter. Dann quietschten Bremsen draußen auf dem Vorplatz. Ann vernahm weitere Schüsse von unten und das dumpfe Aufklatschen von Körpern. Ein wildes Gelächter schallte aus dem Vorgarten. Sie hörte knirschendes Getriebe und quietschende Reifen von einem weiteren Fahrzeug, das irgendwo draußen wendete und manövrierte. Karen und Ann konnten von ihrem Versteck im Schlafzimmer aus nicht sehen, was vorging. Aber sie hatten beide das Gefühl, sie würden gerettet werden. Das ohrenbetäubende Getrommel an der Tür hatte nachgelassen und schließlich ganz aufgehört, aber sie waren noch immer viel zu verängstigt, um das Schlafzimmer zu verlassen und nachzuschauen, wer da gekommen war.

Plötzlich vernahmen sie das Getrampel von Schritten vor der Haustüre, dann Geschrei und Krach aus dem Wohnzimmer und einen weiteren Schuß ganz in der Nähe. Dann herrschte Stille.

»Zur Hölle damit! Das dürfte diesen verdammten Schweinen den Rest gegeben haben, oder?« rief irgend jemand unten. »Durchsuch das Haus!« befahl eine andere Männerstimme. Durch die zersplitterte Tür hörten die Mädchen Schritte, die erst in die Küche gingen und dann die Treppe heraufkamen. Schüsse fielen in dem engen Flur vor dem Schlafzimmer, begleitet von dem dumpfen Aufschlag von auf den Boden fallenden Leibern, der das Blut in den Adern gerinnen ließ. »Hab' noch drei hier oben umgelegt!« brüllte eine Stimme. »Die Tür ist abgeschlossen - jemand versteckt sich da drin!« Unmittelbar darauf kam jemand die Stiege heraufgerannt. »Wer ist da drin?« fragte eine herrische Stimme. Die Mädchen glaubten, im Anschluß an die Frage ein

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