war oder so -das war er sicher -, aber manchmal geht es einem auf die Nerven, wenn jemand fortwährend solche Sachen sagt wie: «Du und Pencey seid also nicht mehr vereint.» Auch D.B. machte das manchmal zu ausgiebig.

«Woran lag es denn?» fragte Mr. Antolini. «Wie hast du im Englischen abgeschnitten? Ich werfe dich kurzerhand hinaus, falls du im Englischen ungenügend warst, du kleines Aufsatzschreiber- As.»

«Ach, im Englisch ging es gut. Es war zwar mehr Literatur. Ich habe im ganzen Quartal nur ungefähr zwei Aufsätze geschrieben», sagte ich. Aber im mündlichen Ausdruck bin ich durchgefallen. «Mündlicher Ausdruck war Pflichtfach. In dem bin ich durch gefallen.»

«Warum?»

«Ach, ich weiß nicht.» Ich hatte nicht viel Lust, näher darauf einzugehen. Es war mir immer noch irgendwie schwindlig, und ich hatte plötzlich wahnsinniges Kopfweh. Tatsächlich. Aber da es ihn offenbar so brennend interessierte, erzählte ich ihm mehr davon. «Im mündlichen Ausdruck muß jeder in der Klasse aufstehn und einen Vortrag halten. Aus dem Stegreif, wissen Sie. Und wenn er vom Thema abweicht, so soll man so schnell man nur kann <Abschweifung!> brüllen. Das hat mich halb verrückt gemacht. Ich bekam eine schlechte Note - eine Sechs.»

«Warum?»

«Ach, ich weiß nicht. Dieses Abschweifen oder Nicht-Abschweifen ging mir auf die Nerven. Ich weiß nicht. Das

Dumme ist eben, daß ich es sogar gern habe, wenn jemand abschweift. Das ist viel interessanter und so.»

«Legst du keinen Wert darauf, daß jemand beim Thema bleibt, wenn er etwas erzählt?»

«Doch, sicher! Ich möchte schon, daß er beim Thema bleibt. Aber ich habe es nicht gern, wenn er zu übertrieben beim Thema bleibt. Ich weiß nicht. Es gefällt mir wohl einfach nicht, wenn jemand die ganze Zeit immer nur beim Thema bleibt. Die mit den besten Noten im mündlichen Ausdruck haben ihr Thema die ganze Zeit ohne Abschweifung verfolgt - das gebe ich zu. Aber da war dieser Junge, Richard Kinsella. Er hielt sich nicht allzu genau ans Thema, und bei ihm brüllten sie immer <Abschweifung>. Das fand ich schrecklich, denn er war sehr nervös - und dann fingen seine Lippen immer an zu zittern, wenn er drankam, und man konnte ihn fast nicht verstehen, wenn man weit hinten saß. Wenn seine Lippen dann etwas aufhörten zu zittern, dann gefielen mir seine Vorträge besser als alle anderen. Er ist aber auch praktisch durchgefallen, wie ich. Er bekam eine Vier, weil sie bei ihm die ganze Zeit über <Abschweifung> brüllten. Zum Beispiel hielt er diesen Vortrag über diese Farm, die sein Vater in Vermont gekauft hatte. Die andern brüllten vom Anfang bis zum Schluß: <Abschweifung!>, und der Lehrer, Mr. Vinson, gab ihm eine Sechs, weil er nichts davon gesagt hatte, was für Tiere und Gemüsearten und solches Zeug auf der Farm wuchsen. Dieser Kinsella fing zum Beispiel von lauter solchem Zeug an, und dann erzählte er plötzlich von einem Brief, den sein Onkel an seine Mutter geschrieben habe, und dieser Onkel habe mit zweiundvierzig Jahren Kinderlähmung bekommen und habe sich im Spital von niemand besuchen lassen wollen, weil er nicht wollte, daß ihn jemand in den orthopädischen Schienen sähe. Das hatte natürlich nicht viel mit der Farm zu tun, zugegeben, aber es war einfach nett. Mir gefällt es jedenfalls, wenn jemand von seinem Onkel erzählt. Besonders, wenn einer mit der Farm von seinem

Vater anfängt und sich dann plötzlich viel mehr für seinen Onkel interessiert. Ich finde es gemein, fortwährend <Abschweifung!> zu brüllen, wenn er so sympathisch und erregt ist... Ich weiß nicht.

Es ist schwer zu erklären.» Ich war auch nicht in der Stimmung, es besser zu erklären. Ich hatte plötzlich so furchtbare Kopfschmerzen. Ich hoffte nur, daß Mrs. Antolini um Gottes willen bald mit dem Kaffee käme. So etwas kann mich wahnsinnig ärgern - ich meine, wenn jemand behauptet, daß der Kaffee schon fertig sei, und es dann gar nicht wahr ist.

«Holden, gestatte mir eine kurze und etwas langweilige pädagogische Frage: Meinst du nicht, daß alles seine Zeit hat? Wenn jemand von der Farm seines Vaters anfängt, meinst du nicht, daß er bei seinem Thema bleiben sollte, bevor er von den Schienen seines Onkels weitererzählt? Oder falls die Schienen seines Onkels ein so aufregendes Thema sind, warum entscheidet er sich dann nicht lieber von Anfang an für dieses Thema - anstatt für die Farm?»

Ich war nicht zum Denken und Sprechen aufgelegt. Ich hatte Kopfweh und fühlte mich miserabel.

Ich hatte sogar eine Art Magenkrämpfe, falls das jemand interessiert.

«Ja - ich weiß nicht. Wahrscheinlich schon. Ich meine, wahrscheinlich hätte er tatsächlich seinen Onkel als Thema nehmen sollen und nicht die Farm, wenn er das interessanter fand. Aber ich meine eben, oft weiß man ja gar nicht, was man am interessantesten findet, bis man von etwas zu reden angefangen hat, das man nicht am interessantesten findet. Ich meine, manchmal kann man das doch gar nicht verhindern. Ich finde, wenn jemand wenigstens überhaupt interessant erzählt und mit irgend etwas in Schwung kommt, sollte man ihn in Ruhe lassen. Mir gefällt es, wenn jemand angeregt erzählt. Es ist sympathisch. Sie haben eben diesen Lehrer nicht gekannt.

Dieser Mr. Vinson konnte einen manchmal verrückt machen, er und die ganze verdammte Klasse. Er sagte immer, man müsse vereinfachen und zusammenfassen. Aber mit manchen Sachen geht das einfach nicht. Ich meine, man kann doch nicht etwas vereinfachen und zusammenfassen, nur weil jemand das verlangt. Sie hätten eben diesen Mr. Vinson kennen sollen. Ich meine, er war wohl sehr intelligent o und so, aber man hat trotzdem gemerkt, daß er nicht viel Verstand hatte.»

«Kaffee, meine Herren - endlich», sagte Mrs. Antolini. Sie trug Kaffee und Kuchen und so 'n Zeug auf einem Tablett herein. «Holden, schau mich nur nicht an. Ich sehe gräßlich aus.»

«Hallo, Mrs. Antolini», sagte ich. Dabei wollte ich aufstehen, aber Mr. Antolini hielt mich an der Jacke fest. Mrs. Antolini hatte lauter metallene Lockenwickler in den Haaren und war ohne Make-up und Lippenstift und so. Sie wirkte nicht gerade hinreißend. Ziemlich alt sogar.

«Ich stell euch das einfach hier hin», sagte sie. «Langt nur tüchtig zu.» Sie schob alle Gläser auf die Seite und stellte das Tablett auf den Rauchtisch. «Wie geht's deiner Mutter, Holden?»

«Sehr gut, danke. Ich habe sie zwar länger nicht gesehen, aber das letzte-»

«Lieber, wenn Holden irgend etwas braucht, findest du alles im Wäscheschrank. Im obersten Fach.

Ich geh ins Bett. Ich bin erledigt», sagte Mrs. Antolini. Sie machte tatsächlich einen erledigten Eindruck. «Könnt ihr beide die Couch selber herrichten?»

«Wir werden schon mit allem fertig werden», sagte Mr. Antolini. Er gab ihr einen Kuß, und sie sagte mir gute Nacht und ging ins Schlafzimmer. Sie küßten sich immer vor Leuten und ziemlich oft.

Ich trank eine halbe Tasse Kaffee und aß ein Stück Kuchen, das steinhart war. Mr. Antolini nahm nun wieder ein Glas Whisky mit Eis. Er machte ihn sich immer sehr stark. Wenn er sich nicht in acht nimmt, könnte er ein Säufer werden.

«Vor ein paar Wochen habe ich mit deinem Vater zu Mittag gegessen», sagte er plötzlich. «Hast du das gewußt?»

«Nein, das wußte ich nicht.»

«Aber du bist dir natürlich klar darüber, daß er sich deinetwegen große Sorgen macht.»

«Ja, das weiß ich, das weiß ich», sagte ich.

«Bevor er mich anrief, hatte er offenbar gerade einen langen und eher

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