eine Höhle im schroffen Felsgeklüft gezeigt, das steil über den Gießbach hangt, weil dort die giftigen Vipern zu Dutzenden nisten.
Er fragte mich damals nach allem aus, und als ich sagte, jeder Biß sei tödlich, und gleich gestorben sei eine arme Beerensammlerin, die der Beißwurm in den nackten Fuß gestochen, da zog er flugs sein Holzschwert und wollte mitten darunter springen. Mit Mühe und schwer erschrocken hielt ich ihn damals ab.
Und jetzt fielen mir die Vipern ein, und ich zitterte, daß ich ihm eine Eisenwaffe gegeben. Und bald fand ich ihn im Walde, mitten im Steingeklüft, unter Dornen und Gestrüpp: da holte er einen mächtigen Holzschild hervor, den er sich selbst gezimmert und dort versteckt hatte. Und eine Krone war frisch drauf gemalt.
Und er zog sein Schwert und sprang laut jauchzend in die Höhle.
Ich sah mich um: da lag das lang mächtige Gewürm zu halben Dutzenden von frühern Schlachten her mit zerhauenen Häuptern umhergestreut. Ich folgte, und so besorgt ich war, ich konnt' ihn nicht stören, wie er so heldenmütig focht! Er trieb eine dickgeschwollene Natter mit Steinwürfen aus ihrem Loch, daß sie sich züngelnd aufringelte: gerade wie sie zischend gegen ihn sprang, warf er blitzschnell den Schild vor und hieb sie mit einem Streich mitten entzwei. Da rief ich ihn an und schalt ihn herzhaft aus. Er aber sah trotzig drein und rief: <Sag's nur der Mutter nicht, denn ich tu's doch, bis der letzte der Drachen tot ist!> Ich sagte, ich würde ihm sein Schwert nehmen. <Dann fecht' ich mit dem hölzernen, wenn dir das lieber ist!> rief er. <Und welche Schmach für einen Königssohn!>
Da nahm ich ihn die nächsten Tage mit mir zum Einfangen der Rosse auf die Wildweide. Das vergnügte ihn sehr: und nächstens, dacht' ich, brechen wir ja auf.
Aber eines Morgens war er mir wieder entschlüpft, und ich ging allein an die Arbeit. Den Rückweg nahm ich den Fluß entlang, gewiß, ihn an der Felshöhle zu finden. Aber ihn fand ich nicht. Nur das Gehäng seines Schwertes, zerrissen, an den Dornen hangen und seinen Holzschild zertreten auf der Erde. Erschrocken sah ich umher und suchte, aber -»
«Rascher, weiter», rief der König.
«Aber?» fragte Hildebad.
«Aber in den Felsen war nichts zu sehen. Da gewahrte ich große Fußspuren eines Mannes im weichen Sande. Ich folgte ihnen.
Sie führten bis an den steilen Rand des Felsens. Ich sah hinab. Und unten» -
Witichis wankte.
«Ach, mein armer Herr! Da lag am Ufer des Flusses hingestreckt die kleine Gestalt.
Wie ich die steilen Felsschroffen hinabkam, ich weiß es nicht, im Flug war ich unten. - Da lag er, das kleine Schwert noch fest in der Hand, von den Felsspitzen zerrissen, das lichte Haar von Blut überströmt -»
«Halt ein», sprach Teja, die Hand auf seine Schultern legend, indes Hildebad des armen Vaters Hand faßte, der stöhnend auf sein Lager sank.
«Mein Kind, mein süßes Kind, mein Weib!» rief er.
«Ich fühlte das kleine Herz noch schlagen. Wasser aus dem Fluß brachte ihn nochmal zu sich. Er schlug die Augen auf und erkannte mich. <Du bist herabgefallen, mein Kind>, klagte ich.
<Nein>, sagte er, <nicht gefallen, geworfen.> Ich war starr vor Entsetzen. <Calpurnius>, hauchte er, <trat plötzlich um die Felsecke, wie ich auf die Vipern einhieb, <Komm mit mir>, sagte er und griff nach mir. Er sah bös aus und falsch. Ich sprang zurück. <Komm>, sagte er, <oder ich binde dich.> <Mich binden!> rief ich. <Mein Vater ist der Goten König und der deine. Wag' es und rühr mich an!> Da ward er ganz wütig und schlug nach mir mit einem Stock und kam näher; ich aber wußte, daß in der Nähe unsere Knechte Holz fällten, und schrie um Hilfe und wich zurück bis an den Rand der Felsen. Erschrocken sah er sich um. Denn die Leute mußten mich gehört haben: ihre Axtschläge ruhten plötzlich. Doch plötzlich vorspringend, sagte er: <Stirb, kleine Natter!> und stieß mich über den Fels.>»
Teja biß die Lippen. «O der Neidling», rief Hildebad. Und
Witichis riß sich mit einem Schrei des Schmerzes los.
«Mach's kurz», sagte Teja. - «Er verlor wieder die Sinne. Ich trug ihn auf meinen Armen nach Hause zur Mutter. Noch einmal schlug er die Augen auf, in ihrem Schoß. Ein Gruß an dich war sein letzter Hauch.»
«Und mein Weib - ist sie nicht verzweifelt?»
«Nein, Herr, das ist sie nicht: die ist von Gold, aber auch von Stahl. Wie der Knabe die Augen geschlossen, zeigte sie schweigend zum Fenster hinaus, nach rechts.
Ich verstand sie: dort stand des Mörders Haus.
Und ich waffnete alle deine Knechte und führte sie hinüber zur Rache: wir legten den ermordeten Knaben auf deinen Schild und trugen ihn in unsrer Mitte zur Mordklage. Und Rauthgundis ging mit, ein Schwert in der Hand, hinter der Leiche. Vor dem Tor der Villa legten wir den Knaben nieder.
Calpurnius selbst war entflohn auf dem schnellsten Roß zu Belisar. Aber sein Bruder und sein Sohn und zwanzig Sklaven standen im Hof: sie wollten eben zu Pferd steigen und ihm folgen. Wir erhoben dreimal den Mordruf. Dann brachen wir ein.
Wir haben sie alle erschlagen, alle, und das Haus niedergebrannt über den Bewohnern. Frau Rauthgundis aber sah dem allen zu, an der Leiche Wacht haltend, auf ihr Schwert gestützt, und sprach kein Wort. Und mich schickte sie tags darauf voraus, nach dir zu suchen. Sie folgte mir bald darauf, sowie sie die kleine Leiche verbrannt. Und da ich einen Tag verloren, durch die Empörer vom nächsten Wege abgesperrt, so kann sie stündlich da sein.»
«Mein Kind, mein Kind, mein armes Weib! Das ist der erste Ertrag, den mir diese Krone bringt. Und nun», rief er mit aller Heftigkeit des Schmerzes den Alten an, «willst du noch das Grausame fordern, das Untragbare?»
Hildebrand stand langsam auf: «Nichts ist untragbar, was notwendig ist. Auch der Winter ist tragbar. Und das Alter. Und der Tod. Sie kommen, ohne zu fragen, wollt ihr's tragen? Sie kommen. Und wir tragen's. Weil wir müssen. Aber ich höre Frauenstimmen und rauschende Gewande. Gehen wir.»
Witichis wandte sich von ihm zur Tür.
Da stand, unter dem Zeltvorhang, in grauem Gewand und schwarzem Schleier Rauthgundis, sein Weib, eine kleine, schwarze Marmorurne an die Brust drückend.
Ein Ruf liebereichen Schmerzes und schmerzreicher Liebe: - -und die Gatten hielten sich umfangen.
Schweigend verließen die Männer das Zelt.
Sechzehntes Kapitel
Draußen hielt Teja den Alten leise am Mantel zurück: «Du quälst den König umsonst», sagte er. «Er wird nie darein willigen. Er kann's auch nicht. Jetzt am wenigsten.»
«Woher weißt du...?» unterbrach der Greis. - «Still; ich ahn' es: wie ich alles Unglück ahne.»
«Dann wirst du auch einsehen, daß er muß.» - «Er, er wird's nie tun.» -
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