über siebentausend Mann verloren; Alboin

und Gisulf liegen reglos, tief wund in ihren Zelten.»

«Gut! Sehr gut! Sowie die Goten eingeschifft, läßt du die Langobarden sofort abführen, sie sind entlassen aus meinem Dienst, und Alboin sagst du zum Abschied von mir nur das eine: <Nach des Narses Tod, vielleicht, aber ganz gewiß nicht früher.) Ich aber bleibe hier in der Sänfte, stützt mich mit den Kissen -ich kann nicht mehr stehen -, dies wunderbare Schauspiel muß ich sehen.»

Und wahrlich, ein wunderbares, ein erschütternd großartiges Schauspiel war es: die letzten Goten, die dem Vesuv und Italien den Rücken wandten und die geschnäbelten Schiffe bestiegen, die sie nach dem sichern Norden bergend davontrugen.

Feierlich und ernst schollen die Rufe der gotischen Heerhörner aus der unbezwungenen, vom Feinde nicht betretenen Teja-Schlucht, in langen Pausen. Dazwischen erklang eintönig, ernst, ergreifend, aber nicht weichlich, der Gesang der Männer, Frauen und Kinder: die alten Totenlieder des Gotenvolks.

Hildebrand und Adalgoth - die letzten Führer, die silberweiße Vergangenheit und die goldne Zukunft hatten den Abzug geordnet.

Voran schritt, in vollen Waffen, aufrecht, in trotzig ernster Haltung, eine halbe Tausendschaft, geführt von Wisand, dem Bandalarius, der, trotz seiner Wunde, kräftig aufgerichtet, auf den Speer gestützt, den Zug eröffnete.

Darauf folgte, auf seinem letzten Schilde hingestreckt, den Speer des Cethegus in der Brust, ohne Helm, von den langen, schwarzen Locken das edle, bleiche Angesicht umrahmt, König Teja, bedeckt mit rotem Purpurmantel, von Kriegern getragen.

Hinter ihm schritten Adalgoth und Gotho.

Adalgoth aber sang und sprach mit ernster Stimme zu den leisen Klängen der Harfe in seinem linken Arm:

«Gebt Raum, ihr Völker, unserm Schritt: Wir sind die letzten Goten! Wir tragen keine Krone mit Wir tragen einen Toten. Mit Schild an Schild und Speer an Speer Wir ziehn nach Nordlands Winden, Bis wir im fernsten grauen Meer Die Insel Thule finden.

Das soll der Treue Insel sein, Dort gilt noch Eid und Ehre. Dort senken wir den König ein Im Sarg der Eichenspeere. Wir kommen her - gebt Raum dem Schritt Aus Romas falschen Toren: Wir tragen nur den König mit Die Krone ging verloren.»

Als die Bahre an Narses' Sänfte gelangt war, gebot dieser Halt und rief auf lateinisch mit lauter Stimme:

«Mein ward der Sieg - aber ihm der Lorbeer. Da, nimm ihn hin! Ob kommende Geschlechter Größeres schauen, steht dahin: heute aber, König Teja, grüß ich dich, den größten Helden aller Zeiten!» Und er legte den Lorbeerkranz, den ihm sein siegreich Heer gewunden, auf des Toten bleiche Stirn nieder.

Die Träger nahmen die Bahre wieder auf, und langsam und feierlich, unter den Tönen der Hörner, der Totengesänge und von Adalgoths silberklingender Harfe, schritten sie weiter an das Meer, das nun schon prachtvoll im Abendgolde glühte.

Dicht hinter Teja wurde ein hochragender Purpurthron getragen, auf diesem ruhte die hehre, schweigende Gestalt Dietrichs von Bern: den Kronhelm auf dem Haupt, den hohen Schild am linken Arm, den Speer an die rechte Schulter gelehnt; zu seiner Linken schritt der alte Hildebrand, das Auge unverwandt auf seines Königs Leiche gerichtet, die m Strahl der untergehenden Sonne in dem Purpurmantel magisch gleißend glühte, hoch hielt er das ragende Amalungenbanner mit dem steigenden Löwen im blauen Feld über des großen Toten Haupt, der Abendwind des ausonischen Meeres rauschte in den Falten der gewaltigen Fahne, in Geistersprachen schienen sie Abschied zu nehmen von den italischen Lüften.

Als die Leiche an Narses' offener Sänfte vorübergetragen wurde, sprach Narses: «Am Schauer erkenn' ich es, der mich durchdringt - das ist der weise König von Ravenna! Erst ward ein Stärkerer - hier wird ein Größerer an uns vorbeigetragen. Tun wir danach.» Und mit Anstrengung erhob er sich und beugte verehrend vor der Leiche das Haupt.

Hierauf folgten, auf Tragbahren oder gestützt oder auch auf den Armen getragen, die Verwundeten; deren Zug eröffnete Aligern, den Wachis und Liuta mit zwei Kriegern auf breitem Schilde trugen.

Daran schlossen sich die Truhen und Laden, Kisten und Körbe, in welchen der Königshort Theoderichs und die bis dahin in der Wagenburg geborgene Fahrhabe der Einzelsippen, dem Vertrage gemäß, von dannen getragen wurde.

Hierauf wogte der große Haufe der Wehrunfähigen, der Frauen, Mädchen, Kinder und Greise; die Knaben aber vom zehnten Jahre ab hatten die ihnen anvertrauten Waffen nun und nimmer wieder abgeben wollen, und sie bildeten eine besondere Schar. Narses lächelte, als die kleinen, blonden Helden so trotzig und zornig zu ihm emporblickten. «Nun», sagte er, «es ist dafür gesorgt, daß des Kaisers Nachfolger und ihre Feldherren auch noch Arbeit finden.»

Den Schluß des ganzen Zuges bildete dann der Rest des gesamten Volksheeres, nach Hundertschaften gebildet.

Zahlreiche Boote vermittelten die Einschiffung der Menschen und ihrer Habe auf den hochbordigen Drachen der Nordmänner.

Tejas und Theoderichs Leiche, die Königsfahne und der Königshort wurden auf das Schiff Haralds und Haraldas gebracht, der große Dietrich von Bern ward auf seinem Purpurthron an den Hauptmast gelehnt und sein Löwenbanner aufgezogen als Hochflagge, zu seinen Füßen bettete sich der alte Hildebrand.

Vor dem Steuer aber ward von Adalgoth und Wisand König Tejas Leiche niedergelegt, trauervoll traten der gewaltige Harald
und seine schöne Schwester heran.

Der Wiking legte die gepanzerte Hand auf des Toten Brust und sprach: «Nicht konnt' ich dich retten, todeskühner Schwarzkönig, dich und dein Volk. So laß dich mitfahren und den Rest der Deinen nach dem Land der Treu und Stärke, daraus ihr niemals hättet scheiden sollen. So bring ich denn dem König Frode doch das Gotenvolk zurück.»

Haralda aber sprach: «Ich aber will mit geheimen Künsten des edlen Toten Leib verwahren, daß er dauern soll, bis wir landen auf der Heimat Küste! Da wollen wir ihm und König Thidrekr das Hügelgrab wölben nahe der See, daß sie die Brandung rauschen hören mögen und Zwiesprach tauschen untereinander. Denn diese beiden sind einander wert.

Sieh hin, mein Bruder: am Strande steht geschart der Feinde Heer - ehrerbietig senken sie die Fahnen - und glühend sinkt die Sonne dort hinter Misenum und jenen Inseln - Purpur deckt das Meer wie ein weiter Königsmantel - Purpur färbt unsre weißen Segel, und Gold schimmert auf allen Waffen - sieh, wie der Südwind das Banner Thidrekrs hebt - nach Norden weist der Wind, der da der Götter Wille weiß - auf, Bruder Harald, laß die Anker lichten! Richte das Steuer, wende des Drachen Bug! Auf, Freias kluger Vogel, flieg, mein Falke.» Und hoch warf sie den Falken in die Luft «weise den Weg nach Norden, gen Thuleland! Heim bringen wir die letzten Goten.»

Ende

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