»Es ist geschehen, was ich voraussah; dieser Mensch hat mich beleidigt, und ich muß mich mit ihm schlagen. Doch kommen Sie mit zu mir, oder wollen wir zu Ihnen? Ich werde Ihnen alles erzählen.«

Wir stiegen rasch eine Treppe hinab, während der Fremde die andere hinuntereilte; er hielt sein mit Blut beflecktes Taschentuch vor das Gesicht.

Olivier und er trafen sich an der Tür.

»Sie werden es nicht vergessen, mein Herr«, sprach der Fremde mit lauter Stimme, so daß ihn jeder hören mußte. »Sie werden es nicht vergessen, daß ich Sie morgen um sechs Uhr im Bois de Boulogne erwarte.«

»Jawohl, mein Herr«, versetzte Olivier, die Schultern zuckend. »Ich werde Sie nicht verfehlen.«

Und er trat einen Schritt zurück, um seinen Gegner vorüberzulassen. Dieser verließ das Theater und warf sich mit einer schwungvollen Bewegung, wahrscheinlich, um aller Augen auf sich zu lenken, den Mantel um.

»Mein Gott«, sagte ich zu Olivier, »was für ein Mensch ist das? Und Sie wollen sich mit ihm schlagen?«

»Ich muß wohl.«

»Warum müssen Sie?«

»Weil er die Hand gegen mich erhoben hat und weil ich ihm einen Hieb mit dem Stock über das Gesicht versetzt habe.«

»Wirklich?«

»Bei meinem Wort! Eine Lastträgerszene, so schmutzig, wie man sie sich nur immer denken kann. Ich schäme mich dessen; doch was wollen Sie! Es ist nun einmal so.«

»Aber wer ist denn dieser Bauernkerl, der da glaubt, man müsse Leuten unserer Art Ohrfeigen geben, um sie dazu zu bringen, daß sie sich schlagen?« »Wer er ist? Er ist ein Herr, der sich Vicomte Henri de Faverne nennen läßt.«

»Henri de Faverne, ich kenne ihn nicht.«

»Ich auch nicht.«

»Wie können Sie sich mit jemandem streiten, den Sie gar nicht kennen?«

»Gerade weil ich ihn nicht kenne, ist dieser Streit entstanden. Das kommt Ihnen seltsam vor, nicht wahr?«

»Ich gestehe es.«

»Ich will es Ihnen erzählen. Hören Sie, es ist schönes Wetter, statt uns zwischen vier Wänden einzuschließen, wollen wir, wenn es Ihnen genehm ist, bis zur Madeleine gehen.«

»Wohin Sie wollen.«

»Vernehmen Sie also, dieser Henri de Faverne hat herrliche Pferde und spielt ein wahnsinniges Spiel, ohne daß man weiß, ob und woher er Vermögen besitzt. Übrigens bezahlt er gut, was er kauft oder was er verliert, und es läßt sich von dieser Seite nichts gegen ihn sagen. Doch da er, wie es scheint, heiraten will, hat man ihn um einige Erläuterungen über das Vermögen gebeten, von dem er so großzügigen Gebrauch macht. Er erwiderte darauf, er entstamme einer reichen Pflanzerfamilie, die bedeutende Güter in Guadeloupe besitze.

Nun bin ich ja gerade erst von Guadeloupe hier angekommen, und deshalb erkundigte man sich bei mir und fragte mich, ob ich einen Grafen de Faverne in Pointe-a-Pitre kenne. Dazu muß ich Ihnen sagen, daß ich in Pointe-a-Pitre alles kenne, das gekannt zu werden verdient; und von einem Ende der Insel bis zum anderen gibt es ebensowenig einen Grafen de Faverne wie auf meiner Hand.

Sie begreifen, ich sagte ganz einfach, wie die Sache war, ohne auf das, was ich äußerte, irgendein Gewicht zu legen. Da es übrigens der Wahrheit entspricht, hätte ich es am Ende in jedem Fall gesagt.

Es scheint nun, meine Weigerung, diesen Herrn anzuerkennen, hat seinen Heiratsplänen ein Hindernis in den Weg gestellt. Er schrie ganz laut, ich wäre ein Verleumder und er würde mich meine Verleumdung bereuen lassen. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, doch heute abend begegnete ich ihm, wie Sie gesehen haben, und ich fühlte - Sie wissen, man fühlt so etwas -, ich würde Streit mit diesem Menschen bekommen.

Sie sind übrigens Zeuge, mein lieber Freund, daß ich diesen Streit vermieden habe, solange ich konnte. Ich verließ das Foyer, ich ging in den Korridor, und als ich sah, daß er uns auch in den Korridor folgte, trat ich in die Loge der Gräfin M..., die, wie Sie wissen, Kreolin ist und nie von diesem Herrn oder von irgendeinem Faverne hat sprechen hören.

Ich glaubte damit allem Weiteren aus dem Weg zu gehen, aber er erwartete mich vor der Loge, das übrige wissen Sie. Morgen schlagen wir uns, wie Sie gehört haben.«

»Ja, um sechs Uhr morgens; doch wer hat diesen Zeitpunkt festgesetzt?«

»Das beweist mir abermals, daß ich es mit einem Bauernkerl zu tun habe. Ist es je an den Gegnern, dergleichen Dinge zu arrangieren? Was bliebe den Zeugen dann noch zu tun? Und außerdem - sich morgens um sechs Uhr zu schlagen, begreifen Sie das? Wer steht um sechs Uhr auf? Dieser Mensch ist also in seiner Jugend Ackerknecht gewesen! Ich meinesteils weiß, daß ich morgen von einer abscheulichen Laune sein und mich sehr schlecht schlagen werde.«

»Wie, Sie werden sich sehr schlecht schlagen?«

»Ganz gewiß, es ist, zum Teufel, etwas Ernstes um einen Zweikampf. Man nimmt sich jede Bequemlichkeit bei der Liebe, aber man gesteht sich nicht die geringste Phantasie zu, wenn es sich um ein Duell handelt! Ich weiß nur, daß ich mich immer um elf Uhr oder zur Mittagsstunde geschlagen und mich im allgemeinen sehr gut dabei befunden habe. Ich frage Sie: um sechs Uhr morgens, im Monat Oktober, man stirbt vor Kälte, man schnattert, man hat nicht geschlafen!«

»Gehen Sie nach Hause, und legen Sie sich zu Bett!«

»Ja, legen Sie sich zu Bett, das ist leicht gesagt; man hat immer, wenn man sich am anderen Tag schlägt, etwas Ähnliches wie ein Testament zu machen, einen Brief an seine Mutter oder seine Geliebte zu schreiben: alles das nimmt einen bis zwei Uhr morgens in Anspruch.

Dann schläft man schlecht; denn sehen Sie, man mag sagen, was man will, man mag brav sein, sosehr man will: Es ist immer eine schlimme Nacht, die Nacht, die einem Duell vorhergeht; und um fünf Uhr aufstehen! Denn soll man sich um sechs Uhr im Bois de Boulogne einfinden, so muß man um fünf Uhr aufstehen. Bei Licht aufstehen, kennen Sie etwas Verdrießlicheres als das?

Er mag sich ja gut halten, dieser Herr; ich werde ihn nicht schonen, dafür stehe ich Ihnen. Ah! Ich rechne damit, daß Sie mein Zeuge sind.«

»Sie dürfen mit mir rechnen.«

»Bringen Sie bitte Ihre Degen mit; ich möchte meine deshalb nicht benutzen, damit er nicht sagen kann, ich wolle mich meines Vorteils versichern.«

»Sie werden sich mit Degen schlagen?«

»Ja, das ist mir lieber; das tötet ebensogut wie die Pistole und macht nicht zum Krüppel; eine schlechte Kugel zerschmettert einem den Arm, man muß ihn abnehmen, und man ist verstümmelt. - Bringen Sie Ihre Degen mit.«

»Es ist gut; ich werde um fünf Uhr bei Ihnen sein.«

»Um fünf Uhr! Wie belustigend muß es auch für Sie sein, um fünf Uhr aufstehen zu müssen!«

»Oh, mir ist es beinahe gleichgültig, denn es ist die Stunde, zu der ich mich sonst schlafen lege.«

»Gleichviel, wenn die Dinge unter anständigen Leuten vorgehen und Sie mein Zeuge sind, so lassen Sie mich schlagen, wie es Ihnen beliebt, doch lassen Sie mich um elf Uhr oder zur Mittagsstunde schlagen, und Sie werden sehen, bei meinem Ehrenwort, es wird kein Vergleich sein; ich werde zu hundert Prozent gewinnen.« »Still doch, ich bin überzeugt, Sie sind morgen unübertrefflich.«

»Ich werde mein Bestes tun; doch auf Ehre, ich hätte mich lieber heute abend wie ein Soldat auf der Wache unter einer Laterne geschlagen, als daß ich morgen um eine solche Stunde aufstehen müßte; Sie, mein Lieber, der Sie kein Testament zu machen haben, legen Sie sich zu Bett und empfangen Sie meine Entschuldigung im Namen dieses Menschen.«

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