»Haben Sie die Güte, mir einen ähnlichen zu bestellen?«

»Behalten Sie diesen; Sie bedienen sich seiner zu gut, als daß ich ihn wieder von Ihnen zurücknehmen sollte.«

»Ich danke, es wird mir Vergnügen machen, ihn zu besitzen.« Dann, sich gegen den Verwundeten umwendend: »Ich glaube, ich habe ihn getötet, das würde mir leid tun; ich weiß nicht, warum es mir vorkommt, als müßte dieser Unglückliche nicht durch die Hand eines ehrlichen Mannes sterben.«

Da wir nun nichts mehr hier zu tun hatten, da auch Herr de Faverne in den Händen Fabiens, das heißt eines der geschicktesten Ärzte von Paris war, stiegen wir wieder in unseren Wagen, während man den Verwundeten in den seinen brachte. Zwei Stunden später erhielt ich eine herrliche türkische Pfeife, die mir Olivier als Gegengeschenk für meinen Degen schickte.

Am Abend erkundigte ich mich persönlich nach Herrn de Faverne; am anderen Tag schickte ich meinen Bedienten, am dritten Tag meine Karte; als ich an diesem dritten Tag erfuhr, daß er durch die Sorge Fabiens außer Gefahr war, hörte ich auf, mich um ihn zu kümmern.

Zwei Monate danach empfing ich meinerseits seine Karte. Dann unternahm ich eine Reise, und ich sah ihn nicht mehr bis zu dem Tag, an dem ich ihn im Bagno fand. Olivier hatte sich über die Zukunft dieses Menschen nicht getäuscht.

6. Kapitel

 Das Manuskript

Man errät nun, wie neugierig ich war, die Ereignisse kennenzulernen, die diesen Menschen, mit dem ich, wie er sagte, in der Gesellschaft zusammengetroffen war, auf die Galeere gebracht hatten.

Ich dachte ganz natürlich an Fabien, der mehr über ihn erfahren haben mußte, denn er hatte ja einige Zeit lang die Wunde behandelt, die ihm Olivier beigebracht hatte.

Bei meiner Rückkehr nach Paris war Fabien deshalb auch der erste, dem mein Besuch galt. Ich hatte mich nicht getäuscht; Fabien, der Tag für Tag das, was er tut, aufzuschreiben pflegt, ging an seinen Sekretär und suchte unter mehreren voneinander getrennten Heften eines, das er mir übergab.

»Nehmen Sie, mein Freund«, sagte er. »Sie finden hierin jede Auskunft, die Sie zu haben wünschen; ich will es Ihnen anvertrauen, machen Sie damit, was Ihnen beliebt, aber verlieren Sie es nicht; dieses Heft gehört zu einem großen Werk, das ich über die moralischen Krankheiten, die ich behandelt habe, abzufassen gedenke.«

»Oh, Teufel, mein Lieber«, erwiderte ich, »darin läge ein Schatz für mich.«

»Seien Sie unbesorgt, teurer Freund, sterbe ich an einer gewissen Pulsadergeschwulst, die mir von Zeit zu Zeit ganz leise in das Herz flüstert, daß ich nur Staub bin und wieder zu Staub zu werden gefaßt sein muß, so sind diese Hefte für Sie bestimmt, und mein Testamentsvollstrecker wird sie Ihnen zustellen.«

»Ich danke für die Absicht, doch ich hoffe, das Geschenk, das Sie mir versprechen, nie zu erhalten; Sie sind höchstens drei bis vier Jahre älter als ich.«

»Sie schmeicheln mir; wenn ich mich nicht täusche, bin ich zwölf oder dreizehn Jahre älter; aber was macht das Alter unter solchen Umständen? Ich kenne einen Greis von siebzig Jahren, der jünger ist als ich.«

»Gehen Sie, Doktor, Sie haben solche Gedanken?«

»Gerade weil ich Arzt bin, habe ich sie. Wollen Sie meine Krankheit sehen? Hier ist sie.«

Er führte mich zu einer Zeichnung, welche die Anatomie des Herzens darstellte.

»Ich habe diese Zeichnung nach meiner Unterweisung und zu meinem Privatgebrauch machen lassen, um meine Lage, wenn ich so sagen darf, materiell zu beurteilen. Sie sehen, es ist eine Pulsadergeschwulst; eines Tages wird dieses Gewebe hier zerbersten; wann? Ich weiß es nicht; vielleicht heute, vielleicht in zwanzig Jahren; es ist nur gewiß, daß es bersten wird: Dann ist in drei Sekunden alles vorbei.

Und an einem schönen Morgen hören Sie sagen: >Ach, der arme Fabien, Sie wissen? <

>Ja?<

>Er ist plötzlich gestorben.<

>Woran denn?<

>Oh, mein Gott, während er einem Kranken den Puls fühlte. Man sah ihn rot werden, erbleichen, und er fiel nieder, ohne nur einen Schrei von sich zu geben; als man ihn aufhob, war er tot.<

>Das ist seltsam!<

Man wird zwei Tage in der Gesellschaft, acht in der Medizinschule, vierzehn im Institut davon sprechen, und alles ist abgetan.«

»Sie sind verrückt, mein Lieber.«

»Es ist, wie ich Ihnen zu sagen die Ehre hatte. - Doch ich bitte tausendmal um Verzeihung, ich muß Sie verlassen, das Hospital erwartet mich; hier ist das Heft, machen Sie eine Abschrift davon, und tun Sie damit, was sie wollen. Gott befohlen.«

Ich drückte Fabien zum Dank noch einmal die Hand und nahm zugleich freudig und betrübt von ihm Abschied, betrübt über das, was er als seine Zukunft betrachtete, erfreut über die Auskunft, die ich durch das Heft erhalten sollte:

Nach Hause zurückgekehrt, befahl ich meinem Bedienten, niemand zu mir zu lassen, zog meinen Schlafrock an, streckte mich in einem großen Lehnstuhl aus, stützte meine Füße auf die Feuerböcke und öffnete mein kostbares Heft.

Ich schreibe buchstäblich ab, ohne an der Abfassung Fabiens das Geringste zu verändern.

... Oktober 18 ...

Heute morgen um ein Uhr wurde ich benachrichtigt, daß ein Duell zwischen Herrn Henri de Faverne und Herrn Olivier d'Hornoy stattfinden sollte, d'Hornoy ließe mich bitten, ihn und seinen Gegner auf den Kampfplatz zu begleiten.

Punkt fünf Uhr begab ich mich zu ihm. Um sechs Uhr waren wir in der Allee de la Muette, wo der Kampf stattfinden sollte. Um sechs Uhr und fünfzehn Minuten stürzte Henri de Faverne durch einen Degenstich verwundet nieder. Ich eilte auf ihn zu, während Olivier und seine Zeugen wieder in den Wagen stiegen und nach Paris zurückkehrten; der Verwundete war ohnmächtig.

Seine Wunde war offenbar, wenn nicht tödlich, so doch wenigstens sehr schwer. Die Spitze des dreieckigen Eisens war in die rechte Seite eingedrungen und mehrere Zoll links hinten wieder herausgekommen. Ich nahm sogleich einen Aderlaß vor.

Dem Kutscher empfahl ich bei der Rückkehr, durch die Allee von Neuilly und über die Champs- Elysees zu fahren, einmal, weil dieser Weg kürzer war, und dann auch, weil der Wagen, der hier kein Pflaster unter den Rädern hatte, nicht so rüttelte und also den Verwundeten schonte.

Als wir den Triumphbogen erreichten, gab Herr de Faverne einige Lebenszeichen von sich; seine Hand bewegte sich, schien den Sitz eines tiefen Schmerzes zu suchen und blieb auf der Brust liegen. Einige erstickte Seufzer, die das Blut aus seiner doppelten Wunde sickern ließen, entwanden sich voller Schmerzen seinem Munde; dann heftete er seinen Blick auf mich, erkannte mich und murmelte mit einer gewissen Anstrengung: »Ach, Sie sind es, Doktor? Ich bitte Sie, verlassen Sie mich nicht, ich glaube, es steht sehr schlimm um mich.«

Erschöpft durch diese Anstrengung, schloß er wieder die Augen, und ein leichter rötlicher Schaum trat ihm auf die Lippen. Die Lunge war offenbar mit getroffen.

»Seien Sie unbesorgt«, erwiderte ich. »Sie sind allerdings schwer verletzt, doch die Wunde ist nicht tödlich.«

Er antwortete mir nicht, öffnete die Augen nicht, aber er drückte mir schwach die Hand, mit der ich ihm den Puls fühlte.

Solange der Wagen auf dem Sandboden fortrollte, ging alles gut; aber als wir auf den Revolutionsplatz

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