Sicherheit, Frieden und Wohlstand gebracht haben?“

„Das stimmt. Aber sie haben uns die Freiheit genommen. Der Mensch lebt nicht.“

„… vom Brot allein. Ja, ich wei?, aber jetzt haben wir das erste Zeitalter, in dem jeder Mensch die Sicherheit hat, dieses Brot zu bekommen.

Was fur eine Freiheit haben wir denn verloren im Vergleich mit der, die die Overlords uns zum erstenmal in der menschlichen Geschichte gegeben haben?“

„Die Freiheit, unter Gottes Fuhrung unser eigenes Leben zu regeln.“

Endlich, dachte Stormgren, sind wir beim Kern angekommen. Im Grunde ist der Konflikt religioser Art, sosehr man ihn auch tarnen mag. Wainwright lie? einen nie vergessen, da? er Geistlicher war. Obwohl er keine Pastorenkrause mehr trug, hatte man doch immer den Eindruck, als ware sie noch vorhanden.

„Im vorigen Monat“, bemerkte Stormgren, „haben hundert Bischofe, Kardinale und Rabbiner eine gemeinsame Erklarung unterzeichnet, in der sie der Politik des Oberkontrolleurs ihre Unterstutzung versprachen. Die Kirchenleute der ganzen Welt sind gegen Sie.“

Wainwright schuttelte zornig den Kopf. „Viele der Fuhrer sind blind. Sie sind durch die Overlords verdorben worden. Wenn sie die Gefahr erkennen, kann es zu spat sein. Die Menschheit wird ihre Initiative verloren haben und eine unterjochte Rasse werden.“

Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann erwiderte Stormgren: „In drei Tagen werde ich den Oberkontrolleur wieder treffen. Ich werde ihm Ihre Einwande erklaren, da es meine Pflicht ist, die Ansichten der Erde zu reprasentieren. Aber es wird sich dadurch nichts andern, das kann ich Ihnen versichern.“

„Da ist noch ein anderer Punkt“, sagte Wainwright langsam. „Wir haben viele Einwande gegen die Overlords, aber vor allem verabscheuen wir ihre Heimlichtuerei. Sie sind das einzige menschliche Wesen, das je mit Karellen gesprochen hat, und selbst Sie haben ihn nie gesehen. Ist es da uberraschend, da? wir seinen Beweggrunden mi?trauen?“

„Trotz allem, was er fur die Menschheit getan hat?“

„Ja, trotzdem. Ich wei? nicht, was uns unangenehmer ist: Karellens Allmacht oder seine Heimlichtuerei. Wenn er nichts zu verbergen hat, warum zeigt er sich dann niemals? Fragen Sie ihn danach, Herr Stormgren, wenn Sie das nachstemal mit dem Oberkontrolleur sprechen.“

Stormgren schwieg. Hierauf konnte er nichts sagen, jedenfalls nichts, was den andern uberzeugen wurde. Bisweilen fragte er sich, ob er selbst wirklich uberzeugt war.

Es war naturlich vom Standpunkt der Overlords nur eine sehr kleine Unternehmung, aber fur die Erde war es das gewaltigste, was je geschehen war. Ohne jede Ankundigung waren die riesigen Schiffe aus den unbekannten Tiefen des Weltraums hervorgekommen. Zahllose Male war dieser Tag in Romanen beschrieben worden, aber niemand hatte wirklich geglaubt, da? er je kommen wurde. Jetzt war er doch angebrochen. Die schimmernden, schweigenden Korper, die uber jedem Lande schwebten, waren Symbole einer Wissenschaft, die der Mensch in Jahrhunderten nicht einholen konnte. Sechs Tage lang hatten sie regungslos uber seinen Stadten geschwebt und mit keinem Zeichen angedeutet, da? sie um sein Vorhandensein wu?ten. Aber es war kein Zeichen notig. Es konnte nicht nur Zufall sein, da? diese machtigen Schiffe so genau uber New York, London, Paris, Moskau, Rom, Kapstadt, Tokio, Canberra schwebten.

Noch vor dem Ende dieser lahmenden sechs Tage hatten einige Menschen die Wahrheit erraten. Dies war kein erster Versuch einer Rasse, die nichts vom Menschen wu?te, eine Verbindung mit ihm aufzunehmen. In diesen schweigenden, regungslosen Schiffen studierten Meister der Psychologie das Verhalten der Menschheit. Wenn die Spannung ihren Hohepunkt erreichte, wurden sie handeln.

Und am sechsten Tage stellte sich Karellen, der Oberkontrolleur fur die Erde, der Welt in einer Rundfunkansprache vor, die jede Radiofrequenz ubertonte. Er sprach so vollendet Englisch, da? die Polemik, die durch diese Rede ausgelost wurde, eine Generation hindurch den Atlantik beherrschte. Aber der Inhalt der Rede war noch aufregender als ihr Vortrag. In jeder Hinsicht war sie das Werk eines uberragenden Genies und zeigte eine vollstandige und unbedingte Beherrschung menschlicher Angelegenheiten. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, da? ihre Gelehrsamkeit und Virtuositat, ihre marternden Hinweise auf ein noch nicht offenbartes Wissen, absichtlich darauf abzielten, die Menschheit davon zu uberzeugen, da? sie sich einer uberwaltigenden intellektuellen Macht gegenuberbefande. Als Karellen geendet hatte, wu?ten die Nationen der Erde, da? ihre Tage einer unsicheren Souveranitat beendet waren, ortliche, interne Regierungen wurden noch ihre Macht behalten, aber auf dem weiteren Gebiet der internationalen Angelegenheiten waren die hochsten Entscheidungen menschlichen Handen entglitten. Proteste, Einwendungen, alles war vergeblich.

Es war kaum zu erwarten, da? alle Nationen der Erde sich einer solchen Beschrankung ihrer Machtbefugnisse ohne weiteres unterwerfen wurden. Jedoch ein aktiver Widerstand bot erstaunliche Schwierigkeiten, denn eine Zerstorung der Schiffe der Overlords wurde, selbst wenn sie durchfuhrbar ware, die unter ihnen liegenden Stadte vernichten. Dennoch hatte eine Gro?macht den Versuch unternommen. Vielleicht hofften die Verantwortlichen dort, zwei Fliegen mit einem Atomgescho? zu treffen, denn ihr Ziel schwebte uber der Hauptstadt einer benachbarten und feindlich gesinnten Nation.

Als sich das Bild des gro?en Schiffes auf dem Fernsehschirm in dem geheimen Kontrollraum ausbreitete, mochte die kleine Gruppe von Offizieren und Ingenieuren von mancherlei Empfindungen zerrissen gewesen sein. Was wurden die ubrigen Schiffe unternehmen, wenn ein Erfolg erzielt wurde? Konnten sie auch zerstort werden, so da? die Menschheit wieder ihre eigenen Wege gehen durfte? Oder wurde Karellen furchtbare Rache an denen nehmen, die ihn angegriffen hatten?

Der Bildschirm wurde plotzlich leer, als das Gescho? beim Aufprall sich selbst zerstorte, und das Bild schaltete sofort auf eine viele Kilometer entfernte, schwebende Kamera um. In dem Bruchteil einer Sekunde, der verstrichen war, mu?te sich der Feuerball schon geformt haben und den Himmel mit seiner Flammensonne erfullen.

Aber nichts dergleichen geschah. Das gro?e Schiff schwebte unbeschadigt, vom hellen Sonnenlicht umflossen, am Rande des Weltraums. Die Rakete hatte es nicht nur nicht getroffen, sondern niemand konnte je entdecken, was mit dem Gescho? geschehen war. Uberdies unternahm Karellen nichts gegen die Verantwortlichen und machte nicht einmal eine Andeutung, da? er etwas von diesem Angriff wisse. Er beachtete sie nicht weiter und uberlie? sie gleichmutig ihrer Angst vor einer Rache, die niemals kam. Dies war eine wirksamere und niederschmetterndere Behandlung, als irgendeine Bestrafung es hatte sein konnen. Die verantwortliche Regierung brach unter gegenseitigen Anschuldigungen wenige Wochen spater zusammen.

Gegen die Politik der Overlords hatte es auch manchen passiven Widerstand gegeben. Gewohnlich hatte Karellen damit fertig werden konnen, indem er die Beteiligten ihre eigenen Wege gehen lie?, bis sie entdeckten, da? sie sich durch ihre Weigerung, mitzuarbeiten, nur selber schadeten. Nur einmal hatte er unmittelbare Schritte gegen eine widerspenstige Regierung unternommen.

Seit mehr als hundert Jahren war die Republik Sudafrika der Mittelpunkt von Rassenkampfen gewesen. Manner guten Willens auf beiden Seiten hatten eine Brucke zu bauen versucht, aber vergeblich — Furcht und Vorurteile waren zu tief eingewurzelt, um irgendeine Zusammenarbeit zu ermoglichen. Wechselnde Regierungen hatten sich nur durch den Grad ihrer Unduldsamkeit unterschieden. Das Land war durch den Ha? und die Saat der Burgerkriege vergiftet.

Als sich zeigte, da? kein Versuch gemacht wurde, die Rassenvorurteile zu beseitigen, erlie? Karellen eine Warnung. Darin wurde nur Datum und Stunde genannt, nichts weiter. Besorgnis entstand, aber wenig Furcht oder Panik, denn niemand glaubte, da? die Overlords eine gewaltsame oder zerstorende Ma?nahme ergreifen wurden, die Unschuldige und Schuldige gleicherma?en trafe.

Das geschah auch nicht. Es ereignete sich nichts weiter, als da? die Sonne, als sie den Meridian von Kapstadt uberschritt, er losch. Es blieb nur ein bla?violetter Korper ubrig, der weder Warme noch Licht spendete. Irgendwie war vom Weltraum her das Sonnenlicht durch zwei gekreuzte Felder polarisiert worden, so da? keine Strahlungen hindurchgehen konnten. Das betroffene Gebiet war funfhundert Kilometer breit und vollig kreisrund.

Diese Demonstration dauerte drei?ig Minuten. Das genugte. Am nachsten Tag kundigte die Regierung von Sudafrika an, da? der wei?en Minderheit die vollen Burgerrechte zuruckgegeben wurden.

Abgesehen von solchen vereinzelten Zwischenfallen, nahm die menschliche Rasse die Overlords als Teil der naturlichen Ordnung der Dinge hin. In uberraschend kurzer Zeit hatte sich die anfangliche Besturzung gelegt, und die Welt wandte sich wieder ihren Geschaften zu. Nur eine stumme Erwartung blieb zuruck, gleichsam ein stillschweigendes Umherspahen: Die Menschheit hoffte darauf, da? die Overlords sich zeigen und aus ihren

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