'Das sind viele, Hochkommissar. Ich bezweifle nicht, da? auch Sie ein leidlicher Intuitionist sind. Da? ich es bin - leidlich jedenfalls , wei? ich ganz sicher.'

'Aber es gibt einen Unterschied, Doktor. Sie sind ein vorzuglicher Wissenschaftler, und ich, wie ich hoffe, bin ein vorzuglicher Gesandter... Und wahrend Mi? Lindstrom so weit intuitiv denken kann, um Ihnen in fortgeschrittener theoretischer Physik von Nutzen zu sein, ist sie letztlich doch nur ein Touristenmadchen.'

Denison zogerte. 'Sie hat wenig formelle Ausbildung, Hochkommissar. Ihr Intuitionismus ist von ungewohnlich hohen Graden, steht aber kaum unter bewu?ter Kontrolle.'

'Ist sie ein Ergebnis des alten genetischen Formungsprogramms?'

'Ich wei? es nicht. Uberraschen wurde es mich nicht.'

'Trauen Sie ihr?'

'Inwiefern? Sie hat mir geholfen.'

'Wissen Sie, da? sie die Frau Dr. Barron Nevilles ist?'

'Es besteht eine gefuhlsma?ige Bindung, nicht aber eine gesetzliche, wie ich annehme.'

'So gesehen, gibt es uberhaupt keine gesetzlichen Bindungen auf dem Mond. Der gleiche Neville, den Sie als dritten Autor fur Ihre Abhandlung einladen wollen?' 'Ja.'

'Ist das nur ein Zufall?' 'Nein. Neville interessierte sich gleich nach meiner Ankunft fur mich, und ich meine, er hat Selene gebeten, mir bei der Arbeit zu helfen.'

'Hat sie Ihnen das gesagt?'

'Sie sagte, sie interessiere sich fur mich. Das war doch ganz naturlich.'

'Machen Sie sich eigentlich klar, Dr. Denison, da? sie bei der Zusammenarbeit vielleicht nur ihre eigenen und die Interessen Dr. Nevilles im Auge hat?'

'In welcher Beziehung konnten sich ihre Interessen von den unseren unterscheiden? Sie hat mir ruckhaltlos geholfen.'

Gottstein verlagerte sein Gewicht im Stuhl und bewegte seine Schultern wie beim Muskeltraining. Er sagte: 'Da ihm die Frau so nahe steht, wei? Dr. Neville naturlich, da? sie Intuitionist ist. Ware es da nicht naturlich, sie zu gebrauchen? Warum sollte sie sonst Touristenfuhrerin bleiben, wenn damit nicht ihre Fahigkeiten vertuscht werden sollen - aus ganz bestimmten Grunden?'

'Wie ich hore, fuhrt Dr. Neville sehr oft ahnliche Argumente an. Mir fallt es schwer, an solche uberflussigen Komplotte zu glauben.'

'Woher wollen Sie wissen, da? sie uberflussig sind? Als mein kleiner Raumgleiter uber der Mondoberflache schwebte -kurz bevor sich der Strahlungsball auf Ihrem Gerat bildete , schaute ich auf Sie hinab. Sie standen nicht am Pionisator.'

Denison uberlegte. 'Nein, das stimmt. Ich schaute mir die Sterne an. Das tue ich zu gern da oben an der Oberflache.'

'Und was machte Mi? Lindstrom?'

'Das habe ich nicht gesehen. Sie sagte, sie hatte das magnetische Feld verstarkt und schlie?lich den Durchflu? bewirkt.'

'Ist es ublich, da? sie die Gerate allein bedient?'

'Nein. Aber ich kann ihren Drang verstehen.'

'Und hatte es bei dem Vorgang eine Art Aussto? geben konnen?' 'Ich verstehe nicht... '

'Ich bin nicht sicher, da? ich es selber verstehe. Im Erdlicht war ein kleines Blitzen zu bemerken, als ob etwas durch die Luft huschte. Ich wei? nicht, was das hatte sein konnen.'

'Ich auch nicht', meinte Denison.

'Sie haben keine Erklarung dafur, die sich aus dem Experiment ergeben wurde?'

'Nein.'

'Was hat Mi? Lindstrom also gemacht?'

'Ich wei? es immer noch nicht.'

Einen Augenblick lastete die Stille im Zimmer. Dann sagte der Hochkommissar: 'Wie ich die Sache sehe, machen Sie jetzt den Versuch, die Durchflu?-Instabilitat zu korrigieren, und gehen dann an die Vorbereitung Ihrer Abhandlung. Ich bringe die Dinge am anderen Ende ins Rollen und werde bei meinem bevorstehenden Erdbesuch alle Vorbereitungen zur Veroffentlichung der Abhandlung treffen und die Regierung alarmieren.'

Es war ein deutlicher Schlu?punkt. Denison stand auf, und der Hochkommissar sagte leichthin: 'Und denken Sie mal uber Dr. Neville und Mi? Lindstrom nach.'

17

Der Energiestern war diesmal schwerer, dicker und heller. De-nison spurte seine Warme auf der Helmscheibe und trat einige Schritte zuruck. Deutlich war die Rontgenstrahlung herauszuspuren, und obwohl seine Abschirmung ausreichen mu?te, war es sinnlos, sie unnotig zu belasten.

'Es la?t sich wohl nicht mehr bestreiten', murmelte er. 'Der Durchflu? ist stabil.'

'Ganz bestimmt', sagte Selene knapp.

'Schalten wir's also ab, und dann nach Hause.'

Sie bewegten sich sehr langsam. Denison war seltsam entmutigt. Es gab keine Ungewi?heit mehr, keine Aufregung. Von jetzt anwar ein Fehlschlag ausgeschlossen. Die Regierung interessierte sich fur die Versuche; und es konnte nicht mehr lange dauern, bis ihm alles aus der Hand genommen war.

'Ich kann wohl jetzt mit der Abhandlung beginnen', sagte er.

Selene nickte.

'Hast du noch einmal mit Barron gesprochen?'

'Ja.'

'Und hat er seine Einstellung geandert?'

'Nicht im geringsten. Er will nichts damit zu tun haben. Ben...?'

'Ja?'

'Ich bin wirklich der Meinung, es hat keinen Sinn mehr, mit ihm zu sprechen. Er wird auf keinen Fall an einem Projekt mitarbeiten, mit dem auch die Erdregierung zu tun hat.'

'Aber du hast ihm die Lage doch auseinandergesetzt?'

'Von A bis Z.'

'Und er 'will nicht mitmachen?'

'Er hat nach einem Gesprach mit Gottstein verlangt, und der Hochkommissar ist nach seiner Ruckkehr von der Erde mit einer Zusammenkunft einverstanden. Bis dahin mussen wir uns schon gedulden. Vielleicht kann ihn Gottstein noch umstimmen, aber ich mochte es eigentlich bezweifeln.'

Denison zuckte die Achseln - eine sinnlose Geste im Raumanzug. 'Ich verstehe ihn nicht.'

'Aber ich', erwiderte Selene leise.

Denison ging nicht darauf ein. Er schob den Pionisator und die Anschlu?gerate in eine Felsspalte und fragte: 'Fertig?'

'Fertig.'

Schweigend betraten sie Oberflachen-Ausgang P-4, und Denison stieg die Leiter hinab. Selene huschte an ihm voruber, wobei sie sich mit schnellem Griff hier und da an den Sprossen abbremste - ein Kniff, den Denison langst beherrschte. Trotzdem stieg er nur langsam hinterher, seltsam lustlos, seine fortschreitende Eingewohnung unter Beweis zu stellen.

In den Vorraumen legten sie die Raumanzuge ab und verstauten sie in den Schranken. Denison fragte: 'Kommst du mit essen, Selene?'

Selene erwiderte bedruckt: 'Du scheinst ganz durcheinander zu sein. Stimmt etwas nicht?'

'Ist wohl die Reaktion. Mittagessen?'

'Ja, naturlich.'

Sie a?en in Selenes Unterkunft. Selene hatte darauf bestanden. 'Ich mu? mit dir sprechen, und das geht in der Cafeteria nicht.'

Und als Denison langsam auf etwas herumkaute, das entfernt an Kalbfleisch mit Erdnu?buttergeschmack erinnerte, sagte sie: 'Ben, du hast bis jetzt kein einziges Wort gesagt. So geht das schon eine Woche.'

'Das stimmt nicht', entgegnete Denison stirnrunzelnd.

'Doch.' Sie blickte ihn besorgt an. 'Ich wei? nicht, wie gut meine Intuition ist, wenn es nicht um die Physik geht, aber ich habe das Gefuhl, da ist etwas, das du mir nicht sagen mochtest.'

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