'Nein', sagte Neville angewidert.

'O wirklich? Oder konnten Sie es nicht aushaken? Ist es nicht vielmehr so, da? Sie den Mond mitnehmen mussen, wohin Sie gehen? Warum mussen sich die anderen Ihrem Bedurfnis unterwerfen?'

'Weil es eben so sein wird.'

Denisons Stimme blieb ruhig, doch er wurde rot im Gesicht. 'Wer gibt Ihnen das Recht zu einer solchen Antwort? Es gibt viele Burger in Luna-City, die vielleicht nicht Ihrer Meinung sind.'

'Das geht Sie nichts an.'

'Doch, das geht mich sehr viel an. Ich bin ein Immigrant, der sich bald fur die Einburgerung qualifiziert. Ich mochte nicht, da? mir die Entscheidung von jemandem abgenommen wird, der nicht an die Oberflache steigen kann und der sein personliches Gefangnis in ein Gefangnis fur alle umwandeln will. Ich habe die Erde fur immer verlassen, doch nur um zum Mond zu gehen, nur um vierhunderttausend Kilometer vom Heimatplaneten entfernt zu leben. Ich habe mich nicht verpflichtet, an einer endlosen Reise teilzunehmen.'

'Dann kehren Sie doch zur Erde zuruck', erwiderte Neville gleichgultig. 'Noch ist es Zeit.'

'Und was ist mit den anderen Luna-Burgern? Mit den anderen Immigranten?'

'Die Entscheidung ist gefallen.'

'Sie ist nicht gefallen. - Selene!'

Selene trat ein. Ihr Gesicht war ernst, und in ihren Augen stand ein trotziger Ausdruck. Neville nahm die Beine auseinander. Er setzte horbar die Fu?e auf.

'Wie lange bist du schon nebenan, Selene?' fragte Neville.

'Seit Beginn des Gesprachs, Barron', antwortete sie.

Neville schaute von Selene zu Denison und wieder zuruck. 'Ihr beide ...' begann er und lie? seinen Finger zwischen Selene und Denison wandern.

'Ich wei? nicht, was du mit ihr beide meinst', sagte Selene, 'jedenfalls hat Ben die Sache mit dem Impuls schon vor einiger Zeit herausgefunden.'

'Es war nicht Selenes Schuld', warf Denison ein. 'Der Hochkommissar entdeckte ein fliegendes Etwas - zu einer Zeit, da seine Anwesenheit noch unentdeckt war. Ich uberlegte, da? Selene vielleicht etwas ausprobierte, an das ich noch nicht gedacht hatte, und da bin ich nach einiger Zeit auf die Impulsubertragung gekommen. Und da war alles klar ...'

'Na, dann wu?ten Sie es also', meinte Neville. 'Ist ja auch egal.

'Es ist nicht egal, Barron', widersprach Selene. 'Ich habe mit Ben daruber gesprochen. Und ich machte mir klar, da? ich nicht immer tun mu?te, was du sagst. Es mag ja sein, da? ich nie zur Erde reisen kann. Vielleicht will ich das auch gar nicht. Aber mir wurde bewu?t, da? sie mir gefallt da oben am Himmel, wo ich sie sehen kann, wenn ich hinschauen mochte. Ich will keinen leeren Himmel. Ich habe nun mit anderen aus der Gruppe gesprochen. Nicht alle wollen fort. Die meisten wurden lieber Schiffe bauen und die Leute fliegen lassen, die unbedingt wollen, und selbst zuruckbleiben.'

Neville atmete schwer. 'Du hast daruber gesprochen... Wer gab dir das Recht ...'

'Ich habe es mir genommen, Barron. Au?erdem kommt es nicht mehr darauf an. Du wirst uberstimmt.'

'Seinetwegen ...' Neville fuhr herum und kam drohend auf Denison zu.

Der Hochkommissar schaltete sich ein: 'Werden Sie nicht handgreiflich, Dr. Neville. Sie sind zwar auf dem Mond geboren, aber ich glaube nicht, da? Sie uns beide schaffen.'

'Uns drei', sagte Selene, 'und ich bin auch vom Mond. Ich habe es ja auch getan, Barron, nicht sie.'

Denison sagte: 'Horen Sie, Neville... Der Erde ist es im Grunde egal - soll der Mond doch davonfliegen. Die Erde kann ihre Raumstationen bauen. Den Burgern von Luna-City ist es aber nicht egal. Selene und mir und den anderen. Neville, Ihnen wird der Raum ja nicht vorenthalten, die Flucht, die Freiheit. In hochstens zwanzig Jahren kann jeder davonfliegen, der Lust dazu hat - und Sie auch, wenn Sie sich dazu uberwinden konnen, den Mutterleib zu verlassen. Und wer bleiben will, bleibt.'

Langsam setzte sich Neville wieder. Auf seinem Gesicht stand die Niederlage.

19

In Selenes Wohnung zeigten alle Fenster die Erde. 'Hast du schon gehort, Ben - bei der Abstimmung ist sein Plan abgelehnt worden', sagte sie. 'Mit gro?er Mehrheit sogar.'

'Er la?t bestimmt nicht locker. Wenn es wahrend des Baus der Stationen Schwierigkeiten gibt, andert sich die offentliche Meinung vielleicht wieder.'

'Es braucht aber keine Schwierigkeiten zu geben.'

'Das stimmt. Wie dem auch sei - die Geschichte kennt keine Happy-Ends, sondern nur Krisenpunkte, die uberwunden werden. Wir haben diesen wohl ganz gut uberstanden und sollten uns um die nachsten erst sorgen, wenn sie sich ergeben oder abzeichnen. Sind erst einmal die Sternenschiffe gebaut, la?t die Spannung sicher spurbar nach.'

'Wir werden's erleben.'

'Du wirst es erleben, Selene.'

'Du auch, Ben. Nun ubertreib mal nicht mit deinem Alter. Du bist erst achtundvierzig.'

'Wurdest du mitfliegen m einem der Sternenschiffe, Selene?'

'Nein, dazu ware ich zu alt, und au?erdem mochte ich den Anblick der Erde am Himmel nicht mehr missen. Vielleicht fliegt mein Sohn... Ben?'

'Ja, Selene?'

'Ich habe einen zweiten Sohn beantragt. Und der Antrag ist angenommen. Mochtest du dazu beitragen?'

Denison hob den Kopf und schaute ihr in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick.

'Kunstliche Besamung?' fragte er.

'Naturlich... Mu?te eine interessante Genkombination ergeben', erwiderte sie.

Denison senkte den Blick. 'Es ware mir eine Ehre, Selene.'

Selene sagte abwehrend: 'Ist doch nur vernunftig, Ben. Gute Genkombinationen sind wichtig. Gegen ein bi?chen naturliche genetische Formung ist nichts einzuwenden.'

'Sicher nicht.'

'Das soll nicht hei?en, da? ich nicht auch andere Grunde habe... Ich mag dich.'

Denison nickte und schwieg.

'Und Liebe ist mehr als nur Sex', fuhr Selene fast argerlich fort.

'Das stimmt. Zumindest liebe ich dich auch ohne Sex.'

'Und da wir gerade davon sprechen, Ben; Sex ist nicht nur Akrobatik.'

'Stimmt auch.' Denison nickte wiederum.

'Und au?erdem ... O verdammt, du konntest es doch zu lernen versuchen.'

'Wenn du es mir beibringst ...'

Zogernd neigte er sich zu ihr. Sie wich nicht zuruck.

Da zogerte er nicht langer.

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