Nein, sie waren jedenfalls zur Stelle, denn sie konnten sich mit Recht als Erben des gro?en Vermogens des Hingeschiedenen betrachten, und die Erbschaft entging diesmal gewi? der beutegierigen Hand des Staates.

Die ehrbaren Leutchen unterhielten sich uber die Tagespolitik.(S. 39.)

Davon konnte man sich drei Tage spater uberzeugen, als die »Sechs«, ohne einander bisher zu kennen, auf dem Austritt des gro?en Hauses in der La Salle Street erschienen und der Notar ihnen, nach gewissenhafter Feststellung ihrer Personlichkeit, die Guirlanden des Leichenwagens zum Halten uberreichte.

Wie neugierig wurden sie aber von allen betrachtet und gleichzeitig wegen ihres Glucks beneidet! Auf Anordnung William I. Hypperbone’s, der jedes Zeichen von Trauer bei seinem gro?artigen Begrabnisse bestimmt ausgeschlossen wissen wollte, hatten sie sich der in den Tagesblattern veroffentlichten Klausel gefugt und Festtagskleider angelegt – Kleidungsstucke, die durch ihre Qualitat und ihren Schnitt schon verriethen, da? deren Trager sehr verschiedenen Gesellschaftsclassen angehorten.

Aufgestellt wurden sie in folgender Ordnung:

In erster Reihe: Lissy Wag zur Rechten, Max Real zur Linken.

In zweiter: Hermann Titbury zur Rechten, Hodge Urrican zur Linken.

In dritter Reihe: Harris T. Kymbale zur Rechten, Tom Crabbe zur Linken.

Tausend Hurrahs begru?ten sie, als die Aufstellung vollendet war – Hurrahs, denen sie mit einer freundlichen Verneigung antworteten, welche freilich von der andern Seite keine Erwiederung fand.

In dieser Weise setzten sie sich also in Bewegung, als der polizeiliche Aufsichtsbeamte das Zeichen zum Aufbruch gegeben hatte, und ebenso folgten sie acht volle Stunden lang den Stra?en, Alleen und Boulevards der gro?en Stadt.

Wie erwahnt, kannten die sechs zum Begrabni? William I. Hypperbone’s Eingeladenen einander bisher nicht, sie zogerten aber nicht, gegenseitig Bekanntschaft zu machen. Und wer wei? – die menschliche Habgier ist ja unersattlich – ob die Anwarter auf die zukunftige Erbschaft sich nicht schon als Rivalen betrachteten und vielleicht furchteten, da? diese nur einem einzigen von ihnen zufallen und nicht unter den Sechsen vertheilt werden mochte.

Der Leser wei? schon, wie dieses Begrabni? vor sich ging, unter welchem ungeheueren Zulauf von Schaulustigen es seinen Prunk von der La Salle Street bis zum Oakswoodssriedhose entfaltete, von welchen Orchester-und Gesangvortragen, die nichts von dusterer Trauer an sich hatten, es begleitet wurde und welch freudige Ausrufe beim Voruberkommen des Zugs zur Ehre des Verstorbenen uberall erschollen.

Jetzt handelte es sich nur noch darum, in das stille Reich der Todten einzutreten und den, der einst William I. Hypperbone vom Club der Excentrischen war, in seinem Grabe zur ewigen Ruhe zu betten.

Drittes Capitel.

Oakswoods.

Der Name Oakswoods la?t erkennen, da? die Oertlichkeit, die dieser Friedhof einnahm, fruher von einem Eichenwalde bedeckt gewesen war. Gerade Eichen kommen in den ausgedehnten Einoden von Illinois – einst von der Ueppigkeit seines Pflanzenwuchses Prairie State genannt – am haufigsten vor.

Von allen Grabmonumenten, die der Friedhof enthielt und worunter sich viele recht kostbare befanden, konnte sich doch keines mit dem vergleichen, das William I. Hypperbone schon vor einigen Jahren zu seiner personlichen Benutzung hatte errichten lassen.

Bekanntlich bilden die amerikanischen, ebenso wie die englischen Begrabni?platze richtige Parke. Hier fehlt nichts, was das Auge ergotzen kann, weder Rasenflachen, noch lauschige, schattige Platze oder flie?endes Wasser. Die Seele kann dabei gar nicht in Trauerstimmung kommen. Die Vogel zwitschern hier munterer als anderswo, vielleicht weil sie auf diesem Felde der ewigen Ruhe niemals gestort und verscheucht werden.

Das nach den Planen und auf Kosten William I. Hypperbone’s erbaute Mausoleum erhob sich nahe einem Weiher mit stillem Wasser. Das Monument in angelsachsischem Geschmack zeigte alle Launen des schon die Renaissance streifenden gothischen Baustils. Aeu?erlich durch seine Facade eine Kapelle mit einem bis zur Spitze etwa hundert Fu? aufragenden Glockenthurm, bildete es gleichzeitig eine Villa oder ein Landhaus durch die Form seines Daches und die Anordnung der bunten Fenster mit Jalousien.

In dem mit Kreuzen und Steinblumen verzierten Thurme, der auf den Widerlagern der Facade ruhte. hing eine Glocke von machtigem Klange, die die Stunden der darunter angebrachten, in der Dunkelheit beleuchteten Uhr verkundete. Die metallische Stimme dieser Glocke war, wenn sie aus den durchbrochenen und vergoldeten Schalllochern ertonte, bis uber die Umschlie?ung der Oakswoods und bis nach dem Ufer des Michigansees hin vernehmbar.

Das Bauwerk ma? hundertzwanzig Fu? in der Lange und in seinem Querschiff sechzig Fu? in der Breite. Seine Grundform war die eines lateinischen Kreuzes, dem sich ein halbkreisformiger Chor anschlo?. Das Gitter um das Ganze, eine schone Probe von Aluminium-Schmiedearbeit, stutzte sich in gleichen Abstanden auf Saulen mit Fackeltragern. Vor diesem standen Gruppen von herrlichen, immergrunen Baumen, zwischen denen das stolze Mausoleum sich erhob. Durch das jetzt geoffnete Thor des Gitters gelangte man uber einen mit Gebusch und Strauchwerk eingerahmten Weg zu einer Art Perron, zu dem funf wei?e Marmorstufen hinauffuhrten. Hinter ihm befand sich ein Portal mit zwei bronzenen Thurflugeln, deren Felder in durchbrochener Arbeit Blumen und Fruchte ausfullten.

Dieser Eingang diente fur ein Vorzimmer, worin Divans mit gro?en goldenen Nageln und eine prachtige Vase aus chinesischem Porzellan, die haufig mit frischen Blumen gefullt wurde, aufgestellt waren. Von der Decke hing ein siebenarmiger Krystallkronleuchter mit elektrischen Lampen herab. Durch Kupferrohre in den Ecken stromte die milde, gleichma?ig warme Luft eines Heizapparats aus, der in der kalten Jahreszeit von einem Friedhofswachter der Oakswoods bedient wurde.

Stie? man die verglasten Flugel einer dem Perronportale gegenuberliegenden Thur auf, so gelangte man in den Hauptraum des Bauwerks. Dieser bildete einen gro?en, runden Saal, ausgestattet mit dem ubertriebenen Luxus eines Erzmillionars, der auch nach dem Ableben die Pracht und die Bequemlichkeiten des Lebens nicht missen will. Durch mattes Glas, das den oberen Mitteltheil der Decke abschlo?, fluthete ein reichlicher Lichtstrom in das Innere. An den Wanden prangten Arabesken, Laubwerk, Leisten, kugelformige Vorsprunge, Blumen und Bogenlinien, die ebenso sein wie die einer Alhambra ausgemei?elt waren. Der untere Theil der Wandflache verschwand hinter Divans mit leuchtend farbigem Ueberzuge. Da und dort standen Statuen aus Bronze oder Marmor, Faune und Nymphen darstellend. Zwischen den mit glanzendem Stuck verputzten Pfeilern, den Stutzpunkten fur die Rippen der Wolbung, konnte man einige Werke neuerer Meister – in der Hauptsache Landschaften – bewundern, die ein goldener Rahmen mit besonders leuchtenden Punkten darin umschlo?. Dicke, weiche Teppiche bedeckten den mit spiegelndem Mosaik verzierten Fu?boden.

Neben diesem Mittelsaale, im hinteren Theile des Mausoleums, dehnte sich der runde Chorbau aus, erhellt durch ein gro?es Fenster, dessen Scheiben ergluhten, wenn die Sonne nahe ihrem Untergange sie mit ihren schragen Strahlen traf. Auch dieser Chorraum war ganz in modernstem Geschmack mobliert. Gewohnliche Stuhle, Arm-und Schaukelstuhle und Sophas fullten ihn in kunstlerischer Unordnung. Auf einem Tische lagen Bucher und Broschuren, Journale und Revuen der Vereinigten Staaten und des Auslands bunt durcheinander. Hinter seinen Glasthuren bot ein mit allem Tafelgeschirr ausgestatteter Speiseschrank verschiedene, im Bedarfsfalle taglich erneuerte Leckerbissen, schmackhafte Conserven, saftige Sandwiches, trockene Kuchen, Flaschen mit seinen Weinen, kleinere Flaschen mit allerlei Liqueuren der besten Marken u. s. w. Wahrlich, ein mit Geschmack und Ueberlegung hergerichteter Raum, darin zu lesen, zu ruhen und zu fruhstucken!

In der Mitte des Hauptsaales und gebadet im Lichte, das durch die Glasdecke einstromte, erhob sich eine wei?e, durch reiche Bildhauerarbeit verzierte Marmorgrabstatte, an deren Ecken heraldische Thierfiguren Wache hielten. Das von einem Kreise lichtschimmernder Ampeln umgebene Grab stand offen; daneben lag die fur die heutige Feierlichkeit abgehobene Deckplatte. Hier sollte der Sarg seinen Platz finden, worin der Korper William I. Hypperbone’s auf wei?em Atlaspolster ruhte.

Ein Mausoleum dieser Art konnte naturlich keine Trauerstimmung aufkommen lassen; es erweckte eher

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×