freudige, heitere Vorstellungen. In seiner reinen Luft verspurte man nichts von dem Flugelschlage des Todes, der sonst die Leidtragenden neben einem offenen Grabe streift. Doch, ehrlich gesprochen, war das Monument nicht wurdig des originellen Amerikaners, dem man das so wenig Trauer erweckende Programm seines Begrabnisses verdankte, und vor dessen sterblichen Ueberresten jetzt die Feier vor sich gehen sollte, bei der lustige Gesange sich dem freudigen Hurrah der Menge beimischten?

Wir fugen hier ein, da? es William I. Hypperbone niemals unterlassen hatte, zweimal wochentlich, Dienstags und Freitags, einige Stunden im Innern seines Mausoleums zuzubringen. Gelegentlich begleiteten ihn auch mehrere seiner Collegen nach diesem gewi? behaglichen und ganz stillen Raume. Auf den Divans des Choranbaues ausgestreckt oder vor dem Tische sitzend, lasen die ehrbaren Leutchen, unterhielten sich uber die Tagespolitik, den Curs der Werthpapiere und Waaren, uber die Zunahme des Jingoismus, der in den verschiedenen Gesellschaftsclassen sonst Chauvinismus genannt wurde, oder uber die Vortheile und Nachtheile der Mac Kinley Bill, mit der sich ernsthafte Geister unausgesetzt beschaftigten. Und wahrend sie in dieser Weise verhandelten, boten die Diener die Schusseln mit dem Lunch herum. Nachher, wenn der Nachmittag so angenehm hingebracht war, rollten die Equipagen wieder die Grove Avenue hinauf und beforderten die Mitglieder des Excentric Club nach deren Wohnstatten.

Selbstverstandlich konnte au?er dem Eigenthumer niemand in dessen »Cottage der Oakswoods«, wie er sie nannte, eintreten. Nur der mit der Instandhaltung der genannten »Cottage« betraute Friedhofswarter hatte dazu einen zweiten Schlussel.

Hatte sich William I. Hypperbone also auch bei Lebzeiten nicht durch auffallende Thaten von seinesgleichen unterschieden, so lange er seine Zeit zwischen dem Club in der Mohawk Street und dem Mausoleum in den Oakswoods theilte, so kamen jetzt doch noch einzelne Sonderlichkeiten zu Tage, die es erlaubten, ihn den excentrischen Geistern seiner Zeit zuzurechnen.

Um die Excentricitat bis zur au?ersten Spitze zu treiben, hatte nur noch gefehlt, da? der zu Begrabende nicht wirklich gestorben ware. Daruber konnten seine Erben, wer diese auch sein mochten, aber ruhig sein. Hier lag kein Fall von Scheintod, sondern einer von wirklichem Tode vor.

Jener Zeit benutzte man uberdies schon die Ultra-X-Strahlen des Professors Friedrich von Elbing (Preu?en), die unter dem Namen »Kritiskhalhen« bekannt sind. Diese Strahlen haben eine so machtige Durchdringungskraft, da? sie durch den menschlichen Korper gehen, und es kommt ihnen die besondere Eigenschaft zu, je nachdem der durchleuchtete Korper todt oder lebend ist, verschiedene photographische Bilder zu erzeugen.

Diese Probe war auch mit William I. Hypperbone angestellt worden, und die erhaltenen Bilder konnten bei den Aerzten keinen Zweifel an dem endgiltigen Ableben des Untersuchten ubrig lassen. Die »Verstorbenheit« – dieses Ausdrucks bedienten sie sich – war gewi?, und sie brauchten sich nicht vor dem spatern Vorwurfe einer uberhasteten Bestattung zu furchten.

Um dreiviertel sechs war es, als der Leichenwagen durch das Thor der Oakswoods einfuhr, und zwar in die mittlere Abtheilung des Friedhofs, wo sich an der Spitze des Weihers das prachtige Mausoleum erhob. Das in unveranderter Ordnung gebliebene Gefolge, dem sich jetzt eine drangende und von den Polizisten nur muhsam zuruckgehaltene Menge angeschlossen hatte, bewegte sich im Schatten der gro?en Baume nach dieser Wasserflache hin.

Der Wagen selbst hielt vor dem Gitter, dessen Candelaber bei der schon anbrechenden Dunkelheit aus ihren Bogenlampen ein blendendes Licht verbreiteten.

Im Innern des Mausoleums konnten nur hochstens hundert Theilnehmer der letzten Feierlichkeit Platz finden. Enthielt das Bestattungsprogramm noch einige mehr allgemeine Vorschriften, so mu?te diesen im Freien nachgekommen werden.

In der That sollte das der Fall sein. Als der Leichenwagen still stand, zog sich die Begleitung enger zusammen und lie? nur den sechs Guirlandentragern, die dem Sarge bis zur Grabstatte folgen sollten, freien Raum.

Noch larmte und tobte die ubrige Menge, die ja hier etwas sehen, etwas horen wollte. Nach und nach legte sich inde? das Getose, die Zuschauer bewegten sich nicht mehr und rings um das Gitter trat eine feierliche Stille ein.

Der Pfarrer Bingham, der dem Entschlafenen bis zu dessen Ruhestatte gefolgt war, hielt eine angemessene, kurze Rede, die Umstehenden lauschten seinen Worten mit Andacht, und in diesen Minuten, doch auch nur in diesen, nahm die Bestattung einen wurdigen, religiosen Charakter an.

Als die weithin vernehmbare Stimme des geistlichen Herrn verklungen war, wurde der fur derartige Feierlichkeiten so geeignete, beruhmte Trauermarsch von Chopin vorgetragen. Das Orchester nahm ihn vielleicht aber in etwas schnellerem Tempo, als der gro?e Tonsetzer es sich gedacht und vorgeschrieben hatte – ein Tempo, das hier freilich der Stimmung der Anwesenden und den letzten Willensau?erungen des Verstorbenen mehr als das richtige zu entsprechen schien. Hier herrschten nicht die Gefuhle, die Paris bei der Bestattung eines der Begrunder der Republik beseelten, als die bestrickende Tonfulle der Marseillaise in Moll ubertragen erklang.

Nach jenem Stucke von Chopin, dem Glanzpunkte des Programms, trat einer der Collegen William I. Hypperbone’s, der, mit dem er in engster Freundschaft verbunden gewesen war, der Clubvorsitzende Georges B. Higginbotham aus dem Kreise der nachsten Umstehenden hervor, nahm neben dem Leichenwagen Platz und entrollte in glanzender Rede ein getreues, lobspendendes Bild vom Lebenslaufe seines Freundes. »Schon mit funfundzwanzig Jahren im Besitz eines betrachtlichen Vermogens, hatte William I. Hypperbone das immer nutzbringend zu verwenden verstanden. Seine verstandigen Ankaufe von Bauland, das jetzt so hoch im Preise steht, da? man es dicht mit Goldstucken bedecken mu?te… seine Erhebung in den Rang der Millionare der Stadt, was so viel hei?t, wie in den der gro?en Burger der Vereinigten Staaten von Amerika… der stets gut unterrichtete Actionar der machtigsten Eisenbahngesellschaften des Bundesstaates… der kluge Speculant, der sich nur in sicheren Gewinn bringende Geschafte einlie?… der freigebige Mann, stets bereit, sich an den Anleihen des Vaterlandes sofort zu betheiligen, wenn dieses einen Bedarf an solchen hatte, was ja freilich nicht eingetreten ist… der hervorragende College, den der Excentric Club an ihm verloren hat, das Mitglied, auf das man zahlte, den Verein zu verherrlichen… der Mann, der, ware es ihm vergonnt gewesen, sein Dasein uber die Funfzig zu verlangern, die Welt gewi? noch erstaunen gemacht hatte…« und in solchen Wendungen bewegte sich die Rede weiter. – »Er gehort ubrigens zu der Classe von Genies, fuhr der Lobredner fort, die sich erst offenbaren, wenn sie nicht mehr sind. Ohne weiter sein Begrabni? hervorzuheben, das unter den bekannten Umstanden und dem Zulaufe der ganzen Stadtbevolkerung bis hierher vor sich gegangen ist, war zu erwarten, da? der letzte Wille William I. Hypperbone’s seinen Erben ganz besondere Bedingungen auferlegen werde. Ohne Zweifel enthalt das Testament auch Klauseln, die die Bewunderung der beiden Amerika – und diese wiegen ja allein die andern vier Erdtheile auf – herausfordern durften.«

Gleichzeitig flatterten unzahlige, mit Bandern geschmuckte Vogel auf.(S. 43.)

In dieser Weise sprach Georges B. Higginbotham unter sichtbarer Theilnahme und Erregung der Zuhorer. Es schien, als mu?te William I. Hypperbone jeden Augenblick leibhaftig auftauchen, um mit der einen Hand das Testament, das seinen Namen unsterblich machen sollte, zu schwenken und mit der anderen den »Sechsen« die Millionen seines Vermogens an den Kopf zu werfen.

Den Worten des vertrautesten Freundes des Verschiedenen antworteten die nachsten Anwesenden mit einem schmeichelhaft zustimmenden Murmeln, das sich nach und nach bis zu den letzten Reihen innerhalb der Oakswoods weiter verbreitete. Wer die Worte des Redners hatte verstehen konnen, theilte den davon erhaltenen Eindruck den ferner Stehenden mit, die schon allein nicht am wenigsten ergriffen erschienen…

Jetzt vereinigten sich die Sanger und die Musiker unter weitschallendem Zusammenklang von Stimmen und Instrumenten, das uberwaltigende Hallelujah aus dem »Messias« von Handel vorzutragen.

Die Feierlichkeit neigte sich ihrem Ende zu, die Programmnummern waren erschopft und doch schien es, als wartete die Menge noch auf eine au?erordentliche, vielleicht gar ubernaturliche Ueberraschung. Ja, die Ueberhitzung der Geister hatte einen so hohen Grad erreicht, da? niemand eine plotzliche Veranderung der Naturgesetze, vielleicht die Erscheinung einer allegorischen Gestalt am Himmel, erstaunlich gefunden hatte, eine Erscheinung, wie die des Kreuzes mit den Worten: In hoc signo vinces, die einst Constantin hatte, oder etwa den Stillstand der Sonne, wie zur Zeit Josua’s, um die gro?artige Kundgebung der

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×