überwältigt und in die Strafanstalt zurückgetrieben worden, und welches Los sie da erwartete, darüber konnten sie nicht im Zweifel sein: die doppelte Kette und der finstere Kerker für O'Brien und Macarthy, die Todesstrafe für Farnham, da er ihre Flucht begünstigt hatte.

Alle drei verhielten sich in der Höhle regungslos still. Ungesehen daraus wegzugehen, war ganz unmöglich. Wohin hätten sie sich von diesen letzten Felsgebilden der Landspitze aus auch flüchten sollen?, Um nicht in den Bagno zurückzukommen, blieb ihnen nichts anderes mehr übrig, als sich ins Meer zu stürzen, Ja, alles lieber, nur nicht in die Hände der Häscher fallen!

Inzwischen kamen die Stimmen noch näher. Sie verstanden schon einzelne Worte, die über ihrem Schlupfwinkel gewechselt wurden, und hörten die Rufe derer, die sie verfolgten, ebenso wie das wütende Bellen der Doggen.

»Hierher!, Dorthin! ertönte es einmal ums andere.

- Laßt doch die Hunde frei, rief ein dritter, der Strand hier muß abgesucht werden, ehe wir umkehren!

- Was sollten sie denn hier gemacht haben? antwortete sofort der gewalttätigrohe Führer der Abteilung, den Farnham an der Stimme erkannte. Durch Schwimmen haben sie sich nicht retten können, wir müssen unsere Nachforschungen im Walde wieder aufnehmen!«

O'Brien ergriff die Hand seiner Gefährten. Nach diesem Einwurf ihres Führers konnte man erwarten, daß die Verfolger sich entfernen würden. Da rief aber noch einer von diesen:

»Nun, nachsehen könnten wir doch einmal!, Wir wollen hier den Pfad hinuntersteigen, der nach dem Strande führt. Wer weiß, ob die Drei sich nicht in irgend einem Loche versteckt halten!«

Die Drei?, Man nahm in Port-Arthur also als ausgemacht an, daß Farnham, der Helfer bei diesem Fluchtversuche, auch bei den Irländern sei.

Waren die Worte der Leute jetzt weniger gut verständlich -ein Beweis, daß sich die Verfolger dem herunter führenden Wege zugewendet hatten - so ertönte das Heulen und Bellen der Hunde in um so größerer Nähe.

Ein glücklicher Umstand verhinderte aber vielleicht die Entdeckung der Flüchtlinge. Das augenblicklich noch ziemlich hohe Meer überflutete den Strand bis zum Fuße des Steilufers und seine äußersten Wellen rollten bis zum Eingange der Höhle. Diesen selbst konnte nur sehen, wer um die Felsmasse herumging. Von der Saint-Jamesspitze selbst lagen die äußersten Blöcke noch unter dem Schaum der Wellen. Die Ebbeströmung mußte wenigstens noch zwei Stunden abgewartet werden, ehe der Strand wieder gangbar wurde. Es war aber unwahrscheinlich, daß die Verfolger hier so lange verweilen würden, statt sich einer mehr Erfolg versprechenden Fährte zuzuwenden.

Die Hunde bellten inzwischen noch lauter, ihr Instinkt trieb sie offenbar längs der Uferwand hin. Einer davon stürzte sich in den Strudel der Wellen, doch folgte keiner der anderen seinem Beispiele.

Eben jetzt gab auch der Oberaufseher Befehl, den nach unten führenden Weg wieder herauf zu kommen, und bald verminderte sich der Lärm, das Gebell wurde schwächer und die Stimme der Verfolger unverständlich. Nur das Meer schlug noch laut gurgelnd an die felsige Uferwand an.

Dreizehntes Kapitel.

Gerettet!

Die Gefahr war einstweilen vermindert, beseitigt aber nicht. Nach der Durchsuchung des Waldes wurde die der Küste jedenfalls wieder aufgenommen.

Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß Entweichungen aus Port-Arthur immer nur gelungen waren, wenn sie auf dem Wasserwege ausgeführt werden konnten. Entweder hatten sich die Sträflinge dazu eines Bootes bemächtigen können oder selbst ein solches notdürftig zusammengezimmert, wenn es nur ausreichte, sie nach einer anderen Stelle der Storm-Bai zu tragen. Jeder Versuch, über die Landenge hinweg zu entkommen, mußte von vornherein als verfehlt gelten. So wurden denn auch alle Flüchtlinge, die sich in den Wäldern verborgen hielten, stets - wenn auch zuweilen erst nach einigen Wochen - wieder eingefangen. Der Kapitän-Kommandant wußte das recht gut, und die Nachforschungen nach Entsprungenen wurden deshalb stets im Walde vorgenommen, wenn die Witterungsverhältnisse ein Entkommen auf dem Wege des Meeres auszuschließen schienen.

Da jetzt der Wind immer mehr abflaute und eine Landung an der Küste leichter möglich wurde, war mit Sicherheit zu erwarten, daß Aufseher und Polizeisoldaten schon morgen alle Buchten daran besichtigen würden.

Das sagten sich O'Brien, Macarthy und Farnham natürlich auch selbst, und es erfüllte sie mit begreiflicher, großer Besorgnis. Wie endlos erschienen ihnen die Stunden des heutigen Nachmittags, wo sie, ohne daß ein weiterer Zwischenfall eingetreten wäre, auf jedes Geräusch von außen lauschten, wo sie manchmal Schritte auf dem. Strande oder das Bellen der wilden Doggen zu hören vermeinten und jeden Augenblick fürchteten, die Hunde auftauchen und sich auf sie stürzen zu sehen.

Zuweilen wuchs auch wieder ihre Hoffnung. Ohne sich aus der Höhle zu wagen, konnten sie die Bai in großem Umfange übersehen und die Schiffe beobachten, die draußen auf offener See vorüberzogen. Da tauchten einzelne Segler auf, bald nachdem der als schwache Brise wehende Wind nach Norden umgeschlagen war. Andere liefen, nach Umschiffung des Kap Pillar, gegen den Wind aufkreuzend ein. Von der ersten Mitteilung Walters her wußte Farnham, daß das für die Flüchtlinge auf der Reede von Hobart-Town eingetroffene amerikanische Schiff der Dampfer »Illinois« war. Er und seine Gefährten suchten also nach einer Rauchsäule am Horizont, einer Rauchsäule, die sich in südlicher Richtung zurückwand und die das Nahen des unter so unendlichen Gefahren erwarteten Schiffes ankündigte.

Und doch war das noch zu zeitig. Von Hobart-Town bis zur Saint-Jamesspitze sind es ungefähr zwanzig englische Meilen (32 km). Es genügte, wenn die »Illinois« die Reede gegen sechs Uhr abends verließ. Man konnte ja auf dem Schiffe nicht so unklug sein, sich der Landspitze eher zu nähern, als die Dunkelheit gestattete, das Boot zur Aufnahme der Flüchtlinge abzusenden.

»Ja, weiß man denn überhaupt an Bord, daß wir haben entweichen können? fragte Macarthy.

- Daran ist nicht zu zweifeln, antwortete Farnham. Schon sind wir sechsundzwanzig Stunden an der bestimmten Stelle, und seit diesem Morgen muß sich die Nachricht von unserer Flucht in Hobart-Town verbreitet haben. Der Gouverneur erhielt sie jedenfalls durch eine Depesche, und Walter wird sich, wie ich annehme, beeilt haben, auf die »Illinois« zu kommen. Hat der Dampfer auch gestern wegen schlechten Wetters nicht auslaufen können, so wird er doch jetzt nicht zögern, nach der Halbinsel zu kommen.

- Es ist bereits fünf Uhr, bemerkte O'Brien, und binnen anderthalb Stunden wird es die Dunkelheit sehr erschweren, die Saint-Jamesspitze zu erkennen. Wie könnte der Kapitän der »Illinois« dann ein Boot dahin abgehen lassen?

- Ich setze mit Bestimmtheit voraus, erwiderte Farnham, daß er seine Maßregeln schon mit Rücksicht darauf getroffen haben wird. Er oder irgend ein Matrose an Bord kennt jedenfalls die ganze Küste der Halbinsel, selbst die Nacht wird ihn nicht in Verlegenheit

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