setzen...

- Eine Rauchwolke!« rief da Macarthy.

Über dem Horizonte, dessen purpurgesäumte Wolken die Sonne verschleierten, stiegen eben die höchsten Wirbel einer Rauchsäule auf.

»Ist es der Dampfer?. Ist es die »Illinois«?« rief O'Brien, der schon nach dem Strande hinausgestürmt wäre, wenn Farnham ihn nicht zurückgehalten hätte.

Die Storm-Bai wird gewöhnlich von vielen Schiffen, meist von Dampfern, befahren. Ob nun der, der jetzt in Sicht kommen sollte, nicht nach Südosten steuern würde, um auf die offene See zu gelangen, das ließ sich ebenso wenig entscheiden, wie man schon sagen konnte, ob er hier auf die Küste zuhalten werde.

Noch nie war die Erregung der Flüchtlinge so lebhaft gewesen wie jetzt, nicht einmal als die Verfolger den Pfad nach dem Vorlande herunterkletterten und die Hunde sich darauf zu zerstreuen drohten, niemals aber waren sie anderseits von so froher Hoffnung erfüllt gewesen. Die Rauchwolke zog sichtlich nach Südosten hin. Vor Verlauf einer halben Stunde, also noch bei genügendem Tageslichte, mußten sie den Dampfer über der Linie zwischen Himmel und Wasser auftauchen sehen. Bei dem schwachen Rauche, der von ihm ausging schien es nicht, als ob er mit voller Kraft führe. Wenn es die »Illinois« war, warum hätte sie auch Volldampf nehmen sollen?? Bei Anbruch der Nacht mußte das Schiff ja dennoch bis auf wenige Kabellängen an die Saint-Jamesspitze herangekommen sein. Dann konnte das Boot abstoßen ohne die Gefahr, bemerkt zu werden.

Plötzlich stieß O'Brien einen verzweifelten Schrei aus:

»Es ist es nicht!, Das ist nicht die 'Illinois!'

- Und warum nicht? fragte Farnham.

- Da, seht nur hier!«

Der Dampfer hatte eben seine Richtung geändert und kam nicht weiter auf die Küste zu. Er manövrierte wie die Schiffe, die das Kap Pillar peilen und aufs hohe Meer zu steuern suchen.

Und nach diesem tödlichen Ausharren einen ganzen Tag lang, kam jetzt die Nacht heran!, Erloschen war die Hoffnung, daß die Stunde der Rettung nahe sei, daß jenes Schiff sie an Bord nehmen werde! Es entfernte sich von der Halbinsel und dampfte aufs hohe Meer hinaus.

Es war also nicht die von Walter angemeldete »Illinois«, deren Rauch die Flüchtlinge beobachteten. Der Dampfer lag noch immer auf der Reede von Hobart-Town. Immerhin war es noch Zeit. Vielleicht erschien er erst mitten in der Nacht.

Nun gut, sie wollten warten, wollten nach ihm ausspähen. Sobald es dunkel genug war, gedachten O'Brien, Macarthy und Farnham sich über das Vorland bis zum äußersten Ende der Saint-Jamesspitze zu begeben und sich hinter den letzten Felsblöcken zu verbergen. Näherte sich dann ein Dampfer, so hörten sie das Keuchen seiner Maschine und den Wasserwirbel von seiner Schraube. Und wenn er endlich ein Boot abschickte, wollten sie es anrufen, um es durch die Klippen der Bucht zu leiten. Verhinderte es schließlich die Brandung, unmittelbar am Lande anzulegen, so wollten sie selbst ins Meer gehen. dann würden sie aufgenommen und nach der »Illinois« gebracht werden. Ja, wie O'Brien gesagt hatte: sollte es ihnen auch das Leben kosten. nur nicht zurück in den Bagno!

Eben verschwand die Sonne unter dem Horizonte. Zur jetzigen Jahreszeit konnte der Himmel durch die Dämmerung nicht mehr lange erhellt bleiben. Die Bai und das Ufer mußten bald in der Dunkelheit der Nacht zusammenfließen. Der das letzte Viertel zeigende Mond konnte nicht vor drei Uhr morgens aufgehen. Unter dem sternenlosen, von einer Wolkendecke verhüllten Himmel mußte die Finsternis eine sehr tiefe werden.

Draußen war alles still und stumm. Der schwache Wind, der sich gegen Abend fast ganz gelegt hatte, wurde nur zeitweilig durch einen Hauch bemerkbar. Von der Seite der Bai her hätten die Flüchtlinge das Rauschen von einem auf die Küste zu steuernden Dampfer selbst auf zwei bis drei Seemeilen Entfernung gehört, und mindestens auf fünf bis sechs Kabellängen das Geräusch von einem durch Ruder bewegten Boote.

O'Brien konnte sich gar nicht mehr zügeln und wollte trotz des Widerspruchs seiner Gefährten nach dem Ende der Saint-Jamesspitze hinauseilen.

Das war unklug, denn bei dem noch vorhandenen schwachen Lichte hätte er vom Rande des Steilufers her doch von Verfolgern bemerkt werden können. Immerhin schien es, als ob sich keine lebende Seele auf diesem Teile der Küste befände. Auf dem Sande hinkriechend, erreichte O'Brien die Stelle, wo die Saint-Jamesspitze an der äußersten Strandlinie ausläuft. Hier erhoben sich noch mächtige Felsblöcke, die mit Tang überkleidet waren und deren bei Tiefebbe sichtbare

Fortsetzung zwei- bis dreihundert Schritt weit hinausreichte und sich dann mehr nach Norden zu krümmte.

Da ertönte die Stimme O'Briens bis zu Farnham, der mit Macarthy in der Höhle zurückgeblieben war.

»Hierher, vorn nach der Spitze!« rief er.

Hatte O'Brien ein Boot entdeckt oder wenigstens das Plätschern von Ruderschlägen gehört? Jedenfalls durften die beiden anderen nicht zögern, ihm nachzueilen. Farnham und Macarthy begaben sich also schnellen Schrittes über das Vorland hin.

Als alle drei am Fuße der letzten Felsen standen, sagte O'Brien:

»Ich glaube, ja, ich glaube noch, es nähert sich ein Boot,

- Von welcher Seite?

- Von dieser hier.«

O'Brien wies nach Nordwesten.

Das war genau die Richtung, die ein Boot hätte einhalten müssen, das von draußen durch die Risse steuern wollte.

Macarthy und Farnham lauschten. Auch sie vernahmen taktmäßige Ruderschläge. Kein Zweifel: von draußen kam ein Boot, das, weil es des Weges nicht ganz sicher war, nur langsam weitergetrieben wurde.

»Ja ja, bestätigte Farnham, man hört das Anschlagen der Ruder an die Bordrandpflöcke, da draußen bewegt sich ein Boot,

- Ist es aber auch das von der 'Illinois'?« bemerkte O'Brien.

Es konnte ja kaum ein anderes sein als das, das vom Dampfer

nach der verabredeten Stelle abgeschickt worden war. Bei der zunehmenden Dunkelheit war es den Flüchtlingen freilich unmöglich, etwas von dem Schiffe zu entdecken. Vielleicht hielt es eine gute Meile weit draußen, teils um von der Küste aus bestimmt nicht bemerkt zu werden, und teils, um sich dieser und ihren gefährlichen Rissen nicht zu sehr zu nähern.

Es galt nun also, so weit wie möglich vorzudringen, um das Boot im Auge zu behalten, es nötigenfalls anzurufen, um ihm den Weg durch die Klippen zu bezeichnen, und endlich hineinzuspringen, wenn es die äußersten Felsblöcke erreicht hatte.

Da erscholl aber plötzlich oben auf dem Steilufer ein lautes Bellen, dem verschiedene Rufe nachfolgten.

Am Rande hielt eine Abteilung Aufseher, die ein Dutzend Hunde bei sich hatten. Nach Durchsuchung des Waldsaumes waren sie wieder an die Küste gekommen.

Nicht weit davon rüsteten sich die Rotten, die an der Lichtung arbeiteten, zum Rückwege nach Port-Arthur.

Bei den Ausrufen der Verfolger sagten sich O'Brien, Macarthy und Farnham, daß sie entdeckt wären. Sie mochten wohl bemerkt worden sein, als sie über das Vorland hinschritten, oder vielleicht hatte der erste Ruf O'Briens sie schon verraten.

Jetzt beruhte ihre Rettung nur noch darauf, daß das Boot zeitig genug herankam, und ihnen war es doch unmöglich, dessen Fahrt zu beschleunigen. Und wenn sie sich nicht

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