setzen.

Binnen wenigen Augenblicken landete die Verstärkung an der Landspitze, und damit änderte sich sofort die Sachlage. Die Aufseher, die jetzt nicht mehr in der Überzahl waren, mußten die Gefangenen loslassen und sich unter Mitnahme ihrer Verwundeten zurückziehen. Der Offizier und die Matrosen hatten nur noch mit den drei Flüchtlingen die Boote zu besteigen, nachdem noch einige Schüsse zwischen den beiden Parteien gewechselt waren.

Da näherten sich noch Karl und Pieter Kip schnell O'Brien und sagten:

»Gerettet, ihr seid gerettet!

- Und ihr ebenfalls!« rief der Irländer.

Ehe sie recht wußten, was mit ihnen geschah, wurden die beiden Brüder auf ein Zeichen O'Briens von Matrosen in eines der Boote gehoben, die nach der »Illinois« zurückfuhren.

Der Dampfer wendete sich sofort nach dem Eingange der Storm-Bai, umschiffte das Kap Pillar, und als es völlig Nacht war, schaukelte er schon weit draußen auf dem Großen Ozean.

Vierzehntes Kapitel.

Die Folgen des Vorfalls

Schon seit einigen Monaten besprach man in Hobart-Town wieder die Angelegenheit der Gebrüder Kip mit lebhaftem Interesse. Zu einem Umschlage der öffentlichen Meinung, zu dem Gedanken, daß Karl und Pieter Kip die Mörder des Kapitäns Gibson doch nicht wären, war es freilich noch nicht gekommen. Nein, die große Menge sprach sich noch keineswegs zu Gunsten der Opfer eines traurigen Justizirrtums aus. Man wußte jedoch, daß Herr Hawkins an deren Unschuld glaubte, und ebenso war es bekannt, daß er seine Bemühungen zur Aufklärung des Sachverhalts fortsetzte und Se. Exzellenz Sir Edward Carrigan dafür - und zwar mit Erfolg - zu gewinnen sachte.

»Ja. wenn Herr Hawkins nun doch recht hätte?« hörte man wohl den und jenen sagen.

Die große Mehrheit - es verdient das betont zu werden -hegte jedoch keinen Zweifel an der Schuld der Gebrüder Kip, und die ganze Angelegenheit wäre wohl schon längst der Vergessenheit anheimgefallen, wenn der Reeder sich nicht so unablässig bemüht hätte, eine Wiederaufnahme der Verhandlungen herbeizuführen.

Es ist wohl leicht begreiflich, daß der Besuch, den Hawkins in Port-Arthur abgestattet hatte, seine Überzeugung nur noch weiter bekräftigen mußte. Sein Gespräch mit dem KapitänKommandanten, das Verhalten der beiden Brüder in der Strafanstalt, die mutige Tat, der sie einige Erleichterung ihres

Loses verdankten, ihre würdige Haltung, als er verschiedene Fragen an sie richtete, der ihnen gemeinsame Gedanke, die wirklichen Urheber des Verbrechens unter der Mannschaft des »James-Cook« zu suchen, der Verdacht, den das auffällige Benehmen Flig Balts und Vin Mods erregen mußte, und endlich die warme Erkenntlichkeit, die ihm Karl und Pieter Kip bewiesen, als er ihnen einen neuen Schimmer der Hoffnung eröffnete, alles das konnte ja seinen guten Glauben nur bestärken. Wie hätte er auch seine früheren Beziehungen zu den Holländern vergessen können, von deren Auffindung auf der Insel York, ihrem Eingreifen bei dem Überfalle der Papuas an, bis zu der Zeit, wo Karl Kip den »James-Cook« vor dem Untergange und aus den Händen Flig Balts gerettet hatte?

Nein, Hawkins hielt an seiner Überzeugung fest. Er widmete sich voller Eifer der Aufgabe, wenn auch allein stehend, das über der Angelegenheit schwebende Geheimnis zu entschleiern, die Unschuld der Verurteilten nachzuweisen und sie aus der Strafanstalt von Port-Arthur zu befreien.

Frau Hawkins teilte die Anschauungen ihres Gatten, wenn auch nicht die Hoffnung auf den guten Ausgang seiner Bemühungen. Sie ermutigte ihn sogar noch dazu, obwohl die öffentliche Meinung sehr dagegen war. Ja sie litt nicht wenig darunter, ihn heute vertrauensselig und morgen halb verzweifelt zu sehen. In dem beschränkten Kreise ihrer engeren Freunde und bei den Personen seiner näheren Umgebung, ließ sie nicht nach, seine Überzeugung zu vertreten. Die meisten ließen sich aber nicht umstimmen, so tief hatte ja die abscheuliche Mordtat, der ein Todesurteil folgte, die Gemüter beeinflußt und sogar die von der Schuld der Holländer überzeugt, die im Anfang der Verhandlungen daran noch gezweifelt hatten.

Bei der vertrauten Freundschaft, die zwischen ihnen herrschte, gewann Frau Hawkins aber gerade auf Frau Gibson allmählich den größten Einfluß. Anfänglich wollte die unglückliche Witwe sie freilich gar nicht anhören. In ihrem unermeßlichen Schmerze schwebte ihr nur das eine vor Augen, daß ihr Gatte nicht mehr lebte, wer auch dessen Mörder sein mochten. Frau Hawkins sprach sich aber so eindringlich zu Gunsten der Gebrüder Kip aus, daß sie endlich bei der Freundin dafür Gehör fand. Diese verschloß sich nicht mehr der Annahme, daß die Holländer doch vielleicht die Mörder nicht sein möchten, und sie erschrak bei dem Gedanken, daß in der Hölle von Port-Arthur zwei Schuldlose schmachten sollten.

»Sie werden daraus erlöst werden! sagte Frau Hawkins wiederholt. Früher oder später muß die Wahrheit an den Tag kommen und werden die wirklichen Mörder die verdiente Strafe finden!«

Wenn Frau Gibson aber dem Einflusse der Frau Hawkins unterlag, so glaubte ihr im Herzen überzeugter Sohn doch nach wie vor an die Schuld der Gebrüder Kip. Trotz aller Hochachtung vor dem Reeder und vor der erprobten Zuverlässigkeit seines Urteils, wollte er sich seinen Einwänden, die ja doch nur moralischer Natur waren, niemals fügen. Nat Gibson klammerte sich an die durch die Untersuchung erwiesenen Tatsachen und sah sich dabei in Übereinstimmung mit der weitaus größten Zahl der Einwohner Hobart-Towns. Auch als Hawkins ihm von dem Verdachte sprach, der in ihm gegen Flig Balt und Vin Mod aufgestiegen war, begnügte er sich zu antworten:

»Herr Hawkins, die Papiere und das Geld meines Vaters, die Waffe, womit er getötet worden ist, haben sich in dem Zimmer und im Reisesacke der beiden Brüder vorgefunden. man müßte denn beweisen können, daß Flig Balt oder Vin Mod alles dahin gebracht hätte, und das wird nicht möglich sein.

- Wer weiß, mein armer Nat, antwortete Hawkins, wer weiß das?«

Ja, wer konnte das wissen? Und doch war gerade das der Verlauf der Dinge gewesen. Vin Mod war dabei aber mit solcher Verschlagenheit zu Werke gegangen, daß es unmöglich schien, seine Anwesenheit im Gasthofe zum Great Old Man nachzuweisen.

Hawkins hatte den Gastwirt zwar wiederholt mit darauf bezüglichen Fragen bestürmt, doch nichts damit erzielt. Der Mann erinnerte sich nicht einmal, daß zur Zeit, als die Gebrüder Kip in seinem Hause wohnten, das Nachbarzimmer überhaupt besetzt gewesen sei. Jedenfalls war Vin Mod niemals in seinen Gasthof gekommen, und niemand hätte behaupten können, ihn da gesehen zu haben.

Das war also die allgemein herrschende Anschauung, und das waren die Schritte, die Hawkins tat, eine Wiederaufnahme des Verfahrens herbeizuführen, und die er mit einer Zähigkeit verfolgte, welche viele schon für eine fixe Idee ansahen.

Da verbreitete sich am Morgen des 7. Mai in der Stadt eine unerwartete Neuigkeit.

Der Gouverneur war telegraphisch benachrichtigt worden, daß in Port-Arthur eine Flucht vorgekommen sei. Zwei politische Deportierte, zwei Feniers und einer der Aufseher, ihr Landsmann und Genosse, waren entwichen und von einem, jedenfalls von ihren Freunden in Amerika dazu hergeschickten

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