einen neuen Beweis ihrer Schuld lieferte.

Nat Gibson, der sich recht wohl sagte, daß Hawkins, ohne den letzten Vorkommnissen ein besonderes Gewicht beizulegen, immer noch bei seiner Überzeugung beharrte, vermied es sorgsam, mit dem Reeder über die Angelegenheit zu sprechen.

Er konnte sich aber nicht an den Gedanken gewöhnen, daß die Mörder seines Vaters aus Port-Arthur entwichen wären, daß politische Verbrecher diesen gestattet hätten, sich ihnen anzuschließen, und daß Amerika ihnen eine Freistatt gewähren könnte. Sie mußten, seiner Meinung nach, ausgeliefert werden und sollten dann ihre Strafe unter den härtesten Umständen verbüßen.

Einige zwanzig Tage verliefen ohne Zwischenfall, der Lloyd tat in seinen Schiffsnachrichten der »Illinois« keine Erwähnung. Kein Schiff war dem Dampfer auf der Fahrt über den Großen Ozean begegnet. Übrigens bezweifelte niemand, daß dieser die Entweichung der Irländer bewerkstelligt habe. Nach der auf Befehl des Gouverneurs vorgenommenen Untersuchung hatte nach dem Sturme am 5. Mai nur ein einziges Schiff die Reede verlassen, und das war die »Illinois«. Anderseits hatten auch die Zeigertelegraphen des Kap Pillar kein von der Seeseite in die Storm-Bai einfahrendes Schiff gemeldet, die fünf Flüchtlinge mußten sich also mit der »Illinois« auf dem Wege nach Amerika befinden. Natürlich konnte aber niemand wissen, welchen Hafen der Vereinigten Staaten der Dampfer anliefe, noch wo die Gefangenen aus dem Bagno ausgeschifft werden würden. Wie hätte man da die Gebrüder Kip beim Betreten der Neuen Welt verhaften können?

Am 25. Mai hatten Herr und Frau Hawkins das große Vergnügen, einen Besuch zu empfangen, der ihnen schon seit einiger Zeit angekündigt war. Herr und Frau Zieger, die einige Wochen in Hobart-Town zu verleben gedachten, hatten Port-

Praslin auf dem deutschen Dampfer »Faust« verlassen. Nach schneller Überfahrt waren sie in der Hauptstadt Tasmaniens gelandet, wo sie von ihren Freunden erwartet wurden.

Wie bei früheren Reisen stiegen Herr und Frau Zieger bei Hawkins ab, wo schon ein Zimmer zu ihrer Aufnahme bereitgestellt war. Ihr erster Besuch galt der Witwe des Kapitäns und deren Sohne. Nat Gibson und seine Mutter empfanden eine tiefe Gemütsbewegung bei dem Erscheinen des Herrn und der Frau Zieger, denn wovon anders hätten sie unter Tränen sprechen können, als von dem schrecklichen Trauerspiele in Kerawara?

Bei seiner Ankunft wußte Zieger noch nicht, daß die Gebrüder Kip aus der Strafanstalt von Port-Arthur entflohen waren. Als er es hörte, erkannte er darin, wie so viele andere, nur einen neuen Beweis, daß die Gerichte mit ihrer Verurteilung keinen Fehler begangen hätten.

Selbstverständlich drängte es Hawkins gleich in den ersten Tagen, sich mit seinem Geschäftsfreunde aus Port-Praslin über die Angelegenheit auszusprechen. Er entrollte dabei ein Bild des ganzen Vorgangs, erinnerte ihn an die geheimnisvollen Nebenumstände der Freveltat und fügte hinzu:

»Nun, sagen Sie mir, lieber Zieger: als Sie hörten, daß die beiden Brüder angeklagt waren, das Verbrechen begangen zu haben, und als es Ihnen zu Ohren kam, daß sie verurteilt worden seien. haben Sie an deren Schuld glauben können?

- Nein, gewiß nicht, lieber Freund! Daß Karl und Pieter Kip Mörder wären, das erschien nicht annehmbar. Ich hatte in ihnen stets zwei ebenso intelligente wie ehrenhafte Männer gesehen, die für den Kapitän Gibson und für Sie voller Dankbarkeit waren, immer des Umstandes eingedenk, daß sie als Schiffbrüchige der »Wilhelmina« auf dem »James- Cook« freundliche Aufnahme gefunden hatten. Nein, ich hätte nie glauben können, daß sie so schuldbelastet wären.

- Und wenn sie es nun wirklich nicht wären? antwortete Hawkins, der Herrn Zieger gespannt ansah.

- Sie hegen darüber noch Zweifel, nach den Verhandlungen, die den Beweis dafür gebracht haben?

- Ich bewahre, so lange nicht unumstößliche Beweise geliefert werden, die Überzeugung, daß sie nicht die Urheber des Verbrechens sind.«

Gegenüber einer so bestimmten Erklärung sagte Zieger:

»Hören Sie mich an, lieber Hawkins. Hamburg und ich haben, in Kerawara und in Port-Praslin, sowie in ganz Neuirland die eingehendsten Nachforschungen unternommen. Es gibt keinen Volksstamm des Archipels, bei dem wir nicht Erkundigungen eingezogen hätten, deren Zuverlässigkeit kontrolliert wurde. Nirgends, auch nicht in Neubritannien, hat sich gegen einen Eingebornen der leiseste Verdacht ergeben, an der Ermordung des Kapitäns Gibson beteiligt gewesen zu sein.

- Ich sage auch gar nicht, lieber Zieger, daß das Verbrechen einem Eingebornen des Bismarck-Archipels zugesprochen werden müßte, sondern ich behaupte nur, daß es nicht von den Gebrüdern Kip begangen worden ist.

- Von wem denn sonst? fragte Zieger. Von irgendwelchen Kolonisten oder etwa von Matrosen?,

- Ja, von Matrosen.

- Und aus welcher Mannschaft, lieber Hawkins. Jener Zeit ankerten nur drei Schiffe im Hafen von Kerawara und kein einziges in Port-Praslin.

- O doch, eines,

- Und welches denn?

- Der 'James-Cook'.

- Wie, Sie vermuten, daß einer oder mehrere Leute von der Brigg selbst die Mörder wären?

- Jawohl, Freund Zieger, und zwar dieselben, die auf dem Wrack der 'Wilhelmina' die Waffe gefunden haben, deren sich der Mörder bedient hat, dieselben, die sie später in den Reisesack der Gebrüder Kip gesteckt haben, worin sie schon die Schiffspapiere und das Geld Gibsons versteckt hatten.

- Waren denn unter der Mannschaft des 'James-Cook' Leute, die einer solchen Schandtat fähig schienen? fragte Zieger.

- Ja freilich, erklärte Hawkins, unter anderen die Seeleute, die der Bootsmann Balt in Dunedin angemustert hatte und die eine Meuterei gegen den neuen Kapitän angezettelt haben.

- Und einer von diesen sollte der Mörder sein?.

- Nein, des Verbrechens beschuldige ich den Flig Balt.

- Den Bootsmann?

- Ja, den, den ich beim Auslaufen aus Port-Praslin zum Kapitän ernannt hatte und der durch seine Unfähigkeit und ohne das entschlossene Eingreifen Karl Kips die Brigg mit Mann und Maus zum Untergange gebracht hätte.«

Er setzte noch hinzu, daß Flig Balt einen Helfershelfer und als solchen den Matrosen Vin Mod gehabt haben werde.

Durch diese Mitteilungen tief erregt, drang Zieger noch weiter in Hawkins ein. Gründete sich sein Verdacht auf greifbare Unterlagen? Beruhten sie vielleicht nur auf Vermutungen, deren Richtigkeit sich jeder Beurteilung entzog? Man müßte dann also annehmen, daß der Bootsmann mit Unterstützung Vin Mods, in der Absicht, den Kapitän Gibson verschwinden zu lassen, schon von langer Hand her die Ränke gesponnen hätte, in deren Folge das Verbrechen auf das Haupt der Gebrüder Kip gewälzt wurde?

Wollte Flig Balt etwa eine Tat der Rache gegen sie ausführen, so konnte er zu einem solchen Entschluß doch erst nach der Ernennung Karl Kips zum Kapitän oder gar erst nach der Unterdrückung der Meuterei durch diesen gekommen sein.

Dieser Erwägung von unbestreitbarem Werte hatte sich sicherlich auch

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