hatten die beiden Brüder gegenüber ihren früheren Genossen im Bagno anfänglich die größte Zurückhaltung bewahrt, ja sogar gegen ihre Entführung Einsprache erhoben. Als sie dann von neuem versicherten, daß sie nicht die Mörder des Kapitäns Gibson wären, setzten weder O'Brien und Macarthy, noch Farnham und alle übrigen in diese Versicherung einen Zweifel mehr. Und wenn sie selbst ihr Entkommen bedauerten, war es nur, weil eine Revision ihres Prozesses bevorstände, eine Revision, die unter den jetzigen Umständen vielleicht nicht aufgenommen worden wäre.

War es anderseits nichts als ein reiner Zufall gewesen, der die Gebrüder Kip nach der Saint-Jamesspitze geführt hatte, so hatten sie doch dem Drange, den Aufsehern mit entgegenzutreten, unmöglich widerstehen können. Erschien es da nicht als ganz natürlich, daß die Feniers diesen Umstand benützt hatten, sie an Bord des amerikanischen Dampfers mitzunehmen?. Nach dem wichtigen Dienste, den Karl und Pieter Kip den Irländern kurz vorher geleistet hatten, war das ja nur eine Tat der Dankbarkeit, die ausgeführt zu haben sie doch wohl nicht zu bereuen hatten. Nein. übrigens, was geschehen war, war nun einmal geschehen.

Gleich bei der Ankunft der »Illinois« verabschiedeten sich die Gebrüder Kip von den Irländern, die sie vergebens zurückzuhalten suchten. Wohin sie sich begeben würden, das sagten die Holländer nicht. Da sie aber völlig mittellos dastanden, schlugen sie es nicht ab, ein paar hundert Dollars unter der Bedingung anzunehmen, den Betrag zurückzuerstatten, sobald es ihnen möglich wäre. Nach einem letzten Abschiedsworte trennten sie sich dann von O'Brien, Macarthy und Farnham.

Glücklicherweise war vom großbritannischen Konsul noch kein Auslieferungsgesuch an die amerikanischen Behörden eingereicht worden, so daß die Polizei sie bei ihrer Ausschiffung nicht hatte verhaften können.

Vom Tage der Landung an sah man die beiden Brüder nicht mehr in den Straßen von San Francisco, so daß man annehmen mußte, sie hätten die Stadt verlassen.

Tatsächlich hatten Karl und Pieter Kip achtundvierzig Stunden nach dem Betreten des Landes ein bescheidenes Gasthaus in San Diego, der Hauptstadt Niederkaliforniens, aufgesucht, wo sie ein Schiff zu finden hofften, das bald nach einem der australischen Häfen abginge.

Ihr Entschluß stand fest, sobald wie möglich nach Hobart-Town zurückzukehren und sich selbst den Gerichten zu stellen, die sie so ungerechterweise verurteilt hatten. Konnte ihre Flucht als ein Eingeständnis ihrer Schuld gedeutet werden, so mußte die Rückkehr einem Zeugnisse für ihre Schuldlosigkeit gleichkommen. Nein, sie wollten nicht in der Fremde leben, belastet mit einer so schweren Anklage und immer bedroht, erkannt, angezeigt und verhaftet zu werden. Ihr Streben richtete sich nur auf eine Wiederaufnahme des früheren Verfahrens und darauf, vor der Öffentlichkeit eine Ehrenerklärung zu erlangen.

Von dieser Absicht und ihrer Ausführung hatten Karl und Pieter Kip auch während der Fahrt auf der »Illinois« immer und immer wieder gesprochen. In Karls Innern regte sich da wohl ein gewisses Widerstreben, jetzt, wo er sich frei fühlte, auf diese Freiheit zu verzichten, sich der irdischen Gerechtigkeit, der menschlichen Fehlbarkeit wieder auszuliefern. Er fügte sich jedoch schließlich den Vorstellungen seines Bruders.

Beide weilten also in San Diego und suchten sobald wie möglich Platz auf einem Schiffe, das nach Tasmanien bestimmt wäre. Der Zufall war ihnen günstig. Der für Hobart-Town ladende Dampfer »Standard« nahm auch Passagiere verschiedener Klasse auf. Karl und Pieter Kip begnügten sich mit der letzten und trugen sich in die Passagierliste unter angenommenen Namen ein. Am nächsten Tage lief der Dampfer mit einem Kurse nach Südwesten aus. Nach ziemlich langer, durch schlechtes Wetter auf dem Großen Ozean verzögerten Fahrt umschiffte er endlich die äußerste Landspitze von Port-Arthur und ging auf der Reede von Hobart-Town vor Anker.

Von allem, was hier mit kurzen Worten geschildert ist, erhielt die Stadt schon in den nächsten Stunden Kenntnis. Sofort schlug damit die öffentliche Meinung zu Gunsten der Gebrüder Kip um, was ja am Ende nicht zu verwundern ist, Sie waren also doch die Opfer eines Justizirrtums?, Sie waren nicht freiwillig aus der Strafanstalt entwichen und sogar, sobald sich ihnen dazu Gelegenheit bot, von Amerika nach Tasmanien zurückgekehrt! Jetzt mußte es doch wohl tunlich sein, ihre Schuldlosigkeit haltbarer zu begründen, als durch den guten Glauben einzelner Personen.

Sobald jene Nachricht Herrn Hawkins erreichte, beeilte er sich, nach dem Gefängnisse zu gehen, dessen Pforten sich ihm bereitwillig öffneten.

Eine Minute später befand er sich Auge in Auge gegenüber den beiden Brüdern, die zusammen in einer Zelle saßen.

Beim Eintreten des Reeders erhoben sie sich und faßten einander an der Hand.

»Für Sie, Herr Hawkins, hat unsere Rückkehr nicht die Bedeutung eines neuen Zeugnisses, begann Karl Kip. Sie kannten die Wahrheit schon längst und haben uns niemals für schuldig gehalten. Diese Wahrheit mußten wir auch allen anderen vor Augen führen, darum sind wir mit dem 'Standard' wieder nach Hobart-Town gekommen.«

Hawkins fühlte sich so tief bewegt, daß es ihm zunächst an Worten fehlte, dafür perlten ihm aber die Tränen aus den Augen.

»Ja, meine Herren, sagte er endlich, es ist eine gute, eine große Tat, die Sie vollbracht haben! Hier wartet Ihrer die Wiederaufrichtung Ihrer Ehre und die herzliche Teilnahme aller ehrlichen Leute!. Sie durften aus Port-Arthur nicht wegbleiben. Alle die Anstrengungen, die ich vorher gemacht, die Schritte, die ich bis jetzt getan habe, sollen sofort wieder aufgenommen werden. Sie werden nicht vergeblich sein. Ihre Hand, Pieter Kip, und die Ihrige, Kapitän des 'James-Cook'!«

Als er Karl Kip diesen Titel beilegte, geschah es, ihn seiner unveränderten Hochachtung zu versichern.

Dann kamen alle drei auf die sie bewegende Angelegenheit selbst und auf die Verdachtsgründe zu sprechen, die gegen den Bootsmann und gegen Vin Mod vorlagen. Die beiden Brüder erfuhren dabei, daß Flig Balt, Vin Mod, Len Cannon und dessen Kameraden auf dem »Kaiser« Heuer genommen hatten und nach längerem Aufenthalt in Port-Praslin nach den Salomonsinseln abgesegelt waren. Zur Stunde hatten sie sich vielleicht schon dieses Fahrzeuges bemächtigt und trieben Seeräuberei in dem Teile des Großen Ozeans, wo an ihre Auffindung kaum zu denken war.

»Ja, bemerkte Pieter Kip, selbst wenn nun Flig Balt und seine alten Genossen vom 'James-Cook' dem Kriminalgerichtshof vorgeführt würden, welche anderen Beweise könnten wir gegen sie vorbringen?, Sie träten doch wieder als Ankläger auf, und welches Mittel hätten wir zu beweisen, daß sie die Mörder des Kapitäns Gibson sind und nicht wir?

- Man wird unseren Aussagen glauben, rief Karl Kip, wird uns glauben, da wir zurückgekommen sind, für unsere Schuldlosigkeit einzutreten!«

Vielleicht, doch welche neue Tatsachen waren ins Feld zu führen, um überhaupt eine Wiederaufnahme des Prozesses durchzusetzen?

Wir brauchen wohl nicht erst die Wirkung zu schildern, die Karl und Pieter Kips Rückkehr auf die beiden Familien hervorbrachte. Frau Gibson, die jetzt bezüglich der beiden Holländer eine Beute der quälendsten Zweifel war, gelang es doch nicht, die Überzeugung ihres Sohnes zu erschüttern. Das kann ja nicht wundernehmen, da für Nat Gibson seit so langer Zeit und nach den Tatsachen, die bei der Verhandlung gegen Flig Balt ans Licht gekommen waren, die Mörder seines Vaters nur die beiden Brüder waren, nur diese es sein konnten. In seinen Gedanken verweilte er noch immer auf dem Schauplatze des Verbrechens. Er sah seinen unglücklichen Vater im Walde von Kerawara überfallen, getroffen von der Hand derer, die er von der Insel Norfolk aufgenommen hatte, ermordet durch die Schiffbrüchigen von der »Wilhelmina«!, Ja, alle Ermittelungen sprachen doch gegen sie, und was konnte man darauf erwidern?, Unbewiesene und unbestimmte Annahmen bezüglich des Bootsmannes und seines

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