Hawkins nicht ganz verschlossen, doch unzugänglich in seiner festgewurzelten Überzeugung hatte er sie abgewiesen und wies sie noch jetzt von sich ab.

»Mein lieber Zieger, antwortete er, als Flig Balt und Vin Mod den Plan zu dem Morde entwarfen, waren sie schon im Besitz des Dolches, der den Gebrüdern Kip gehörte. Da wird ihnen der Gedanke gekommen sein, sich seiner zu bedienen, damit später die Unglücklichen angeklagt werden könnten, den Kapitän Gibson umgebracht zu haben. Ihnen mag das nur als eine Vermutung erscheinen, für mich ist es eine Gewißheit.«

Die von Hawkins gegebene Erklärung deckte sich ja mit der Wahrheit.

»Leider, setzte er noch hinzu, haben Flig Balt und Vin Mod Hobart-Town schon seit Jahresfrist verlassen. Ich habe keine Zeit gehabt, sie zu überwachen und mir die, beide belastende Auskunft zu verschaffen, die dann schon zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens geführt hätte. Ebenso ist es mir unmöglich gewesen, auszukundschaften, was aus ihnen geworden ist.

- Aber ich weiß es, ich, ich weiß es! rief Zieger lebhaft.

- Sie wissen es? antwortete Hawkins. indem er die Hände des Freundes ergriff.

- Ja gewiß! Ich habe Flig Balt, Vin Mod und die neuen Leute vom 'James-Cook' selbst gesehen.

- Wo?, Um Gottes willen, wo denn?

- In Port-Praslin.

- Und wann?

- Etwa vor drei Monaten.

- Sind sie auch noch dort?

- Nein, sie hatten auf einem deutschen Dreimaster, dem 'Kaiser', Heuer genommen und sind nach vierzehntägigem Aufenthalt von Port-Praslin in See gegangen.

- Wissen Sie auch wohin?

- Nach dem Salomonsarchipel; seitdem aber hab' ich nichts mehr von ihnen gehört.«

Flig Balt, Vin Mod, Len Cannon und dessen Kameraden hatten also Platz auf einem Schiffe gefunden. In welchem Hafen. das wußte man nicht sie gehörten dann aber zur Besatzung des »Kaisers«. Der Dreimaster hatte vor einigen Wochen in Port Praslin gelegen. Waren der Bootsmann und Vin Mod also die Mörder des Kapitäns Gibson, so hatten sie sich doch nicht gescheut, wie Herr Zieger bemerkte, nach jener Inselgruppe, dem Schauplatze des Verbrechens, zurückzukehren.

Jetzt waren sie nach den berüchtigten Gegenden weiter gesegelt, wohin sie die Brigg hatten schleppen wollen, und mit Hilfe ihrer Genossen wollten sie gewiß aus dem »Kaiser« machen, was ihnen mit dem »James-Cook« mißlungen war. Wie sollte man aber später ihre Spuren an Bord eines Schiffes entdecken, dessen Namen sie jedenfalls verändert hatten?. Wie Hand an sie legen?. Machte ihre Abwesenheit nicht jede Revision der Kipschen Angelegenheit unmöglich?

So war die Sachlage. als einige Zeit darauf, am 20. Juni, der Lloyd in seinen Schiffsnachrichten das Eintreffen der »Illinois« in San Francisco, Kalifornien, Vereinigte Staaten, erwähnte. Schon am 30. Mai, etwa drei Wochen nach der Abfahrt aus der Storm-Bai, hatte der Dampfer O'Brien, Macarthy und Farnham aus Land gesetzt, wo diesen von ihren politischen Freunden der wärmste, begeistertste Empfang auf freiem Boden zu teil wurde. Die Zeitungen priesen mit überschwenglichen Ausdrücken das Gelingen der Flucht zu Ehren derer, die sie als eine Revanche des Feniertums vorbereitet hatten.

Gleichzeitig hörte man aber auch, daß die beiden Holländer, Karl und Pieter Kip, seit der Ausschiffung verschwunden wären.

Niemand wußte, ob sie sich in San Francisco verborgen hielten, um der amerikanischen Polizei nicht in die Hände zu fallen, oder ob sie sich mehr nach dem Innern der Vereinigten Staaten gewendet hätten. Und wenn jetzt auch ein Gesuch um Auslieferung der Flüchtigen gestellt wurde, kam es jedenfalls viel zu spät.

Diese Nachrichten hatten die Wirkung, den Anschauungen der vielen Ankläger der Gebrüder Kip nur noch mehr recht zu geben, und hatten damit die Folge, allen Zweifeln ein Ende zu machen, die bezüglich der Angelegenheit vielleicht noch bestanden hatten. Selbst Hawkins beschränkte seine bisherigen Bemühungen zu Gunsten der beiden Holländer, obwohl er sich in seiner Überzeugung auch jetzt noch nicht schwankend machen ließ. Wozu hätte aber eine Revision des Prozesses gedient, da die aus der Strafanstalt von Port-Arthur entwichenen Angeklagten sich nach Amerika geflüchtet hatten, von wo sie voraussichtlich doch niemals zurückkehrten?

Man beschäftigte sich also nicht weiter mit dem Drama von Kerawara, als sich am Vormittage des 25. Juni in der Stadt ein Gerücht verbreitete, dem freilich anfänglich niemand Glauben schenken wollte.

Karl und Pieter Kip, hieß es, wären am Abend vorher zurückgekehrt, verhaftet und zunächst ins Gefängnis von Hobart-Town gebracht worden.

Fünfzehntes Kapitel.

Eine neue Tatsache

Nein, es konnte sich hier nur um eines der falschen Gerüchte handeln, die ihren Ursprung haben, niemand weiß wo, und sich verbreiten, niemand weiß wie, mit denen sich aber die öffentliche Meinung bald nach Gebühr abzufinden pflegt.

Wär' es denn glaublich, daß die Gebrüder Kip, denen sich eine so unerwartete Gelegenheit zur Flucht nach Amerika geboten hatte, nach Tasmanien zurückkehren sollten?. Sie, die Mörder des Kapitäns Gibson. sie wären selbst wieder ins Netz gelaufen?. Oder war etwa das Schiff, mit dem sie von San Francisco abgefahren waren, nur durch besondere Umstände genötigt worden, die Reede von Hobart-Town anzulaufen? Hier erkannt, angezeigt und verhaftet, wären sie dann also ins Gefängnis abgeführt worden, um später wieder in die Strafanstalt eingeliefert zu werden, wo man schon jeden zweiten Fluchtversuch zu verhindern wissen würde. Der Gedanke, daß sie freiwillig zurückgekehrt wären, daß sie eine solche Unklugheit begangen hätten, erschien doch ganz unannehmbar.

Wie dem aber auch sein mochte. selbst alle Hitzköpfe konnten sich davon noch an diesem Morgen überzeugen. Karl und Pieter Kip befanden sich seit dem gestrigen Abend im Gefängnisse der Hauptstadt. Dessen Direktor weigerte sich aber zu sagen, unter welchen Umständen sie hierher gebracht und auf welche Weise sie verhaftet worden seien.

Wenn das unerwartete Ereignis auch unerklärbar erschien, so gab es hier doch einen, dem seine Überzeugung die richtige Erklärung dafür eingab. In seiner Seele, richtiger in seinem Herzen, wurde Licht, wie durch eine Offenbarung. Ja, das war die Lösung des Rätsels, worüber er seit der überraschenden Flucht der Gebrüder Kip nachgesonnen hatte.

»Sie sind überhaupt nicht entflohen! rief Hawkins. Sie sind von Port-Arthur mit Gewalt entführt worden. Jawohl, und jetzt sind sie aus freien Stücken zurückgekehrt, zurückgekehrt, weil sie unschuldig sind, weil sie wollen, daß ihre Unschuld fleckenlos an den Tag komme!«

Das war die Wahrheit.

Gestern Abend war ein amerikanischer Dampfer, der »Standard« aus San Diego, mit einer für Hobart-Town bestimmten Landung auf der Reede vor Anker gegangen. Karl und Pieter Kip befanden sich darauf als Passagiere.

Während der Fahrt der »Illinois« zwischen Port-Arthur und San Francisco

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