sagen... Und dann, mit ein bisschen Gluck, wird dir schon jemand einen Hinweis geben. Wenn sie das Essen fur eine so gro?e geschlossene Gesellschaft kochen mussen, dann bereiten sie es meistens gesondert vor.»

«Gut», sagte ich. «Das werd ich also machen. Ich werde dort warten und die Ohren spitzen und auf ein bisschen Gluck vertrauen.»

«Es wird sehr gefahrlich werden», setzte Gro?mutter hinzu. «Kein Koch hat gerne Mause in der Kuche. Wenn sie dich sehen, dann schlagen sie dich tot.»

«Ich werd mich nicht sehen lassen», sagte ich.

«Und vergiss nicht, du musst auch noch das Flaschchen schleppen», sagte sie. «Du bist also etwas weniger flink und wendig.»

«Ich kann sehr gut und sehr schnell auf zwei Beinen rennen, auch mit der Flasche im Arm», sagte ich. «Das hab ich doch gerade bewiesen, nicht wahr? Ich bin den ganzen Weg vom Zimmer der Hoch- und Gro?meister-Hexe heraufgekommen, mit der Flasche.»

«Und wie ist das mit dem Aufschrauben?», fragte sie. «Das konnte dir Schwierigkeiten bereiten.»

«Lass mich mal versuchen», sagte ich. Ich packte das Flaschchen, und ich stellte fest, dass es mir ganz leicht fiel, mit meinen beiden Vorderpfoten die Kappe abzuschrauben. «Das ist ^ sehr gut», sagte meine Gro?mutter. «Du bist wirklich eine sehr geschickte Maus.» Sie warf einen Blick auf die Uhr. «Um halb acht», sagte sie, «werde ich zum Abendessen in den Speisesaal hinuntergehen, mit dir in meiner Handtasche. Dort werde ich dich zusammen mit der kostbaren Flasche unter dem Tisch auf den Boden setzen, und von da ab musst du dich alleine durchschlagen. Du musst durch den Speisesaal und zu der Tur, die in die Kuche fuhrt, und du darfst dabei nicht gesehen werden. Durch diese Tur gehen die Kellner alle Augenblicke rein und raus. Du musst also den richtigen Augenblick abpassen und hinter einem von ihnen mit hineinhuschen, aber pass um Himmels willen auf, dass er nicht auf dich tritt und dass du nicht zwischen den Turflugeln eingeklemmt wirst.»

«Ich werde gut aufpassen», sagte ich.

«Und mag kommen, was wolle: Du darfst dich nicht von ihnen erwischen lassen.»

«Hor damit auf, Gro?mama. Du machst mich ganz nervos.»

«Du bist ein tapferer kleiner Bursche», sagte sie. «Ich hab dich lieb.»

«Was sollen wir denn mit Bruno machen?», fragte ich sie.

Bruno schaute auf. «Ich komme mit dir», sagte er, den Mund voll Banane. «Ich lass doch nicht mein Abendessen sausen!»

Meine Gro?mutter dachte einen Augenblick nach. «Ich werde dich mitnehmen», entschied sie, «wenn du mir versprichst, in meinem Beutel zu bleiben und keinen Mucks von dir zu geben.»

«Reichen Sie mir immer was zu essen von Ihrem Teller runter?», fragte Bruno.

«Ja», sagte sie, «wenn du mir versprichst, dich manierlich zu benehmen. Mochtest du vielleicht etwas zu essen haben, mein Schatzelchen?», fragte sie mich.

«Nein, vielen Dank», sagte ich. «Ich bin zu aufgeregt, ich kann nichts essen. Und ich muss fur die Arbeit, die vor mir liegt, leicht und wendig bleiben.»

«Ja, es ist eine schwere Aufgabe», sagte meine Gro?mutter. «So eine wichtige Arbeit wirst du niemals wieder zu erledigen haben.»

In der Kuche

 «Jetzt ist es an der Zeit!», sagte meine Gro?mutter. «Die gro?e Stunde ist gekommen. Bist du bereit, mein Schatzelchen?»

Es war genau halb acht. Bruno sa? in der Obstschale und beendete gerade die vierte Banane. «Moment noch», sagte er. «Nur noch die paar Bissen.»

«Nein!», sagte meine Gro?mutter. «Wir mussen gehen!» Sie hob ihn auf und umschloss ihn fest mit ihrer Hand. Sie war sehr nervos und angespannt. So hatte ich sie noch nie erlebt. «Ich stecke euch beide jetzt in die Handtasche», sagte sie. «Aber ich lasse den Verschluss wieder offen.» Sie stopfte Bruno zuerst hinein, ich wartete, das Flaschchen fest an die Brust gepresst. «Jetzt du», sagte sie. Sie hob mich auf und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. «Viel Gluck, mein Schatzelchen. Ach ubrigens, es ist dir doch klar, dass du jetzt einen Schwanz hast, nicht wahr?»

«Einen was?», fragte ich.

«Einen Schwanz. Einen langen geschwungenen Schwanz.»

«Ich muss gestehen, das ist mir noch gar nicht so richtig aufgefallen», antwortete ich. «Gutiger Himmel. Ich habe wirklich einen! Jetzt merke ich es selber. Und ich kann ihn auch tatsachlich bewegen! Das ist ja fabelhaft!»

«Ich hab das nur erwahnt, weil er dir von Nutzen sein konnte, wenn du in der Kuche herumkletterst», sagte meine Gro?mutter. «Du kannst ihn um etwas herumwickeln, und du kannst Gegenstande damit heranangeln, und du kannst dich daran aufhangen und hin und her schaukeln, und du kannst dich mit seiner Hilfe von einer hoch gelegenen Stelle herablassen.»

«Das hatte ich vorher wissen sollen», sagte ich. «Dann hatte ich ein wenig uben konnen.»

«Dafur ist es jetzt zu spat», sagte meine Gro?mutter. «Wir mussen aufbrechen.» Sie schob mich zu Bruno in ihre Handtasche, und ich nahm sofort meinen gewohnten Sitz in der kleinen Seitentasche ein, sodass ich meinen Kopf hinausstrecken und verfolgen konnte, was drau?en passierte.

Meine Gro?mutter griff nach ihrem Stock und ging hinaus, den Gang entlang zum Aufzug. Sie druckte auf den Knopf, der Aufzug kam, und sie stieg ein. Au?er uns befand sich niemand in der Kabine.

«Hort mal», sagte sie. «Wenn wir im Speisesaal sind, werde ich mich nicht mehr mit euch unterhalten konnen. Wenn ich das namlich tue, werden die Leute denken, ich sei verkalkt und hielte Selbstgesprache.»

Der Aufzug erreichte das Erdgeschoss und hielt mit einem kleinen Bumser an. Meine Gro?mutter verlie? den Fahrstuhl, durchquerte die Hotelhalle und betrat den Speisesaal. Das war ein sehr gro?er Raum mit Golddekorationen an der Decke und hohen Spiegeln ringsherum an allen Wanden. Bestimmte Tische waren immer fur die Hausgaste reserviert, und die meisten von ihnen hatten bereits Platz genommen und fingen an, sich ihrem Abendessen hinzugeben.

Kellner schwirrten uberall herum und schleppten Teller und Platten. Unser Tisch war klein und stand an der rechten Wand, fast in der Mitte. Meine Gro?mutter marschierte dorthin und setzte sich.

Ich lugte aus der Handtasche und konnte sehen, dass genau im Mittelpunkt des Saales zwei lange Tische standen, an denen noch niemand sa?. Auf jedem Tisch prangte ein kleines Kartchen in einem Silberhalter, und auf den Kartchen stand: RESERVIERT FUR DIE MITGLIEDER DES KGVK.

Meine Gro?mutter betrachtete sich die beiden langen Tafeln, sagte aber nichts. Sie faltete ihre Serviette auseinander und breitete sie uber die Handtasche auf ihrem Scho?. Ihre Hand glitt unter die Serviette und umschloss mich sanft. Unter dem Schutz der Serviette hob sie mich dicht an ihr Gesicht: «Ich setze dich jetzt unter dem Tisch auf den Boden. Das Tischtuch reicht fast bis auf den Fu?boden, es kann dich also keiner sehen. Hast du das Flaschchen? Und haltst du es gut fest?»

«Ja», flusterte ich zuruck. «Ich bin bereit, Gro?mama.»

Gerade in diesem Augenblick kam ein Kellner in einem schwarzen Frack und blieb vor unserem Tisch stehen. Ich konnte trotz der Serviette seine Beine sehen, und als ich seine Stimme horte, wusste ich auch, wer er war. Er hie? William. «Guten Abend, gnadige Frau», sagte er zu meiner Gro?mutter. «Wo ist denn der junge Herr heute Abend?»

«Er fuhlt sich nicht wohl», erwiderte meine Gro?mutter. «Er ist oben in seinem Zimmer geblieben.»

«Das tut mir aber Leid», antwortete William. «Heute gibt es grune Erbsensuppe als Vorspeise und beim Hauptgericht haben Sie die Wahl zwischen gegrilltem Seezungenfilet und Lammbraten.»

«Erbsensuppe und Lamm fur mich, bitte», sagte meine Gro?mutter. «Aber Sie brauchen sich nicht zu beeilen, William. Ich habe heute Abend Zeit. Ach, Sie konnten mir uberhaupt zuerst einmal ein Glas trockenen Sherry bringen.»

«Sehr wohl, gnadige Frau», erwiderte William und ging von dannen. Meine Gro?mutter tat so, als ob ihr irgendetwas hingefallen ware, und als sie sich buckte, lie? sie mich unter der Serviette auf den Boden unter den

Вы читаете Hexen hexen
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату
×