»Ich habe dich immer wieder darum gebeten, das Schloss der Gartentur reparieren zu lassen«, kommentierte Mr Sutcliffe das Ereignis im Kreise der Familie.

»Du scheinst vergessen zu haben, dass ich drei Monate im Ausland war, Henry«, erwiderte Mrs Sutcliffe. »Au?erdem habe ich neulich erst gelesen, dass es Einbrechern immer gelingt, in ein Haus einzudringen, wenn sie es sich vorgenommen haben.«

Nach einem weiteren Blick in die Zeitung fugte sie versonnen hinzu: »Wie gro?artig das klingt: ›Kuchenpersonal.‹ Dabei handelt es sich nur um die taube alte Mrs Ellis, die sich kaum mehr auf den Beinen halten kann, und die kleine, zuruckgebliebene Bardwell, die am Sonntag in der Kuche hilft.«

»Ich begreife nur nicht, wie die Polizei wissen konnte, dass bei uns eingebrochen worden ist, und schnell genug zur Stelle sein konnte, um den Einbrecher festzunehmen«, meinte Jennifer nachdenklich.

»Seltsam, dass er nichts gestohlen hat«, erklarte ihre Mutter.

»Bist du ganz sicher, Joan?«, fragte ihr Gatte.

Mrs Sutcliffe stie? einen ungeduldigen Seufzer aus.

»Ich bin so gut wie sicher, aber es war eine Unordnung in meinem Zimmer, wie du sie dir kaum vorstellen kannst. Alle Schubladen waren ausgeraumt, nichts lag mehr am richtigen Platz. Wie gesagt, ich glaube, dass nichts fehlt, au?er meinem besten rosa Seidenschal.«

»Den hatte ich mir auf dem Schiff geborgt… bitte sei nicht bose, Mum. Ich verga? es dir zu sagen. Und dann hat ihn – hat ihn der Wind ins Meer geweht.«

»Wie oft habe ich dich schon gebeten, nicht an meine Sachen zu gehen, ohne mich vorher zu fragen, Jennifer!«

»Kann ich noch etwas Pudding kriegen?«, bat Jennifer, um die Unterhaltung schnell auf ein anderes Thema zu lenken.

»Du hast doch schon zwei Portionen gegessen… also gut. Ich hoffe nur, dass deine Gier in der neuen Schule nicht unangenehm auffallt. Vergiss nicht, dass Meadowbank keine gewohnliche Schule ist.«

»Ich bin gar nicht so wild auf Meadowbank«, bemerkte Jennifer. »Ich kenne ein Madchen, dessen Kusine dort war und es grasslich fand. Sie sollen nur daruber gesprochen haben, wie man grazios in einen Rolls-Royce steigt und wie man sich benimmt, wenn man bei der Konigin zum Lunch eingeladen ist.«

»Red keinen Unsinn, Jennifer«, mahnte Mrs Sutcliffe. »Du wei?t gar nicht, wie gut du es hast. Miss Bulstrode nimmt nicht jedes junge Madchen in ihre Schule auf. Du verdankst das nur der Stellung deines Vaters und dem Einfluss von Tante Rosamund, dass du nach Meadowbank kommst. Wenn du, wider Erwarten, je die Ehre haben solltest, von der Konigin zum Lunch eingeladen zu werden, kann es dir nur nutzen zu wissen, wie du dich dann zu benehmen hast.«

Nachdem Andrew Ball, der keine feste Adresse besa?, wegen Einbruchs zu drei Monaten Gefangnis verurteilt worden war, stand Derek O’Connor, der bescheiden im Hintergrund des Gerichtssaales gesessen hatte, auf, um ein Gesprach nach London anzumelden.

»Man hat absolut nichts bei dem Burschen gefunden«, erklarte Derek am Telefon.

»Wer ist es? Kennen wir ihn?«

»Er gehort, glaube ich, zur Gecko-Bande. Ein eher kleines Licht, aber sehr grundlich, wie man mir sagte.«

»Und er hat sich verurteilen lassen, ohne mit der Wimper zu zucken?«, fragte Colonel Pikeaway grinsend am anderen Ende der Leitung.

»Ja, wie ein Lamm. Er spielte die Rolle des arroganten Schnosels aus gutem Hause, der irgendwie auf die schiefe Bahn geraten ist. Niemand ware auf den Gedanken gekommen, ihn mit einer internationalen Organisation in Zusammenhang zu bringen. Und darin liegt sein Wert.«

»Aber er hat nichts gefunden«, stellte Colonel Pikeaway nachdenklich fest. »Auch Sie haben nichts gefunden. Es sieht so aus, als hatten wir uns geirrt, und Rawlinson hat gar nichts im Gepack seiner Schwester versteckt.«

»Andere Leute scheinen auf dasselbe Pferd gesetzt zu haben.«

»Das ist schon richtig, aber vielleicht wollte man uns absichtlich auf eine falsche Spur lenken.«

»Mag sein. Gibt es noch andere Moglichkeiten?«, fragte O’Connor.

»Naturlich – viele. Der gesuchte Gegenstand mag noch in Ramat sein, vielleicht wird er irgendwo im ›Ritz Savoy‹ versteckt. Oder Rawlinson hat ihn vor dem Abflug jemandem ubergeben, vielleicht auf dem Flugplatz… Oder er war doch im Besitz von Mrs Sutcliffe, ohne dass sie davon wusste. Es ist sogar moglich, dass sie ihn ahnungslos ins Meer geworfen hat… Vielleicht ware das fur alle Beteiligten die beste Losung«, fugte er nachdenklich hinzu.

»Aber es handelt sich doch um enorme Werte, Colonel!«

»Auch das Leben eines Menschen ist eine Menge wert«, sagte Colonel Pikeaway.

5

Julia Upjohn an ihre Mutter:

Liebe Mummy,

ich habe mich schon gut eingelebt, und es gefallt mir hier. Ich habe mich mit einem Madchen angefreundet, das auch erst in diesem Jahr hergekommen ist; es hei?t Jennifer. Wir sind beide wild auf Tennis, und sie spielt ziemlich gut. Ihr Aufschlag ist fabelhaft, wenn er kommt, aber sie haut oft daneben – angeblich, weil ihr Tennisschlager verbogen ist, und zwar von der furchtbaren Hitze im Persischen Golf. Sie war dort, als diese Revolution ausbrach, aber es soll nicht sehr interessant gewesen sein. Sie hat so gut wie nichts gesehen.

Miss Bulstrode ist sehr nett, manchmal kann sie allerdings auch furchtbar streng sein. Aber die Neuen behandelt sie meistens ganz gut. Ihr Spitzname ist »Der Bulle«, oder einfach kurz »Bully«. Englische Literatur haben wir bei Miss Rich; sie ist gro?artig. Sie hat ein merkwurdiges Gesicht, eigentlich gar nicht schon, aber wenn sie uns Shakespeare vorliest, verandert es sich vollig. Sie ist sehr dramatisch. Neulich sprach sie uber Jago, und sie erklarte uns, wie furchtbar die Qualen der Eifersucht seien und wie man leide, bis man halb wahnsinnig werde und dem Menschen, den man liebt, wehtun mochte. Uns allen wurde es ganz sonderbar, bis auf Jennifer, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lasst.

Au?erdem haben wir auch Erdkunde bei Miss Rich, und obwohl ich Erdkunde sonst langweilig finde, macht es mir bei Miss Rich richtig Spa?. Kunstgeschichte haben wir bei Miss Laurie. Sie kommt zweimal in der Woche her, und manchmal fahrt sie mit uns nach London, um Galerien zu besuchen. Franzosisch haben wir bei Mademoiselle Blanche, die nicht sehr gut mit uns auskommt. Sie wird niemals wutend, sondern zeigt sich hochstens gelangweilt. Sie sagt dann: »Enfin, vous m’ennuiez, mes enfants!«

Unsere Turnlehrerin, Miss Springer, ist scheu?lich. Sie hat rotes Haar und einen unangenehmen Korpergeruch, besonders wenn ihr hei? ist. Dann gibt’s noch Miss Chadwick, Chaddy genannt, die die Schule mitgegrundet hat. Sie gibt Mathematik und ist streng aber ganz nett.

Ach ja, und dann gibt’s noch Miss Vansittart, bei der wir Deutsch und Geschichte haben. Sie erinnert mich an Miss Bulstrode, aber sie ist nicht halb so interessant. Auslanderinnen haben wir hier haufenweise: zwei Italienerinnen, mehrere Deutsche, eine sehr lustige Schwedin (eine Prinzessin oder so was) und ein Madchen, das halb turkisch und halb persisch ist. Sie behauptet, dass sie mit Prinz Ali Yusuf verlobt war, der im Flugzeug abgesturzt ist. Jennifer sagt, es sei nicht wahr, Shanda glaube das nur, weil er ein Vetter zweiten Grades war und weil Vettern und Kusinen in Persien oft heiraten. Ali Yusuf soll in Wirklichkeit eine andere geliebt haben. Jennifer wei? eine ganze Menge, aber meistens behalt sie es fur sich. Du wirst nun wohl bald deine Reise antreten, nicht wahr? Vergiss nicht wieder deinen Pass, Mummy, und den kleinen Verbandkasten!

Gru? und Kuss, Julia.

Jennifer Sutcliffe an ihre Mutter:

Liebe Mum,

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