Hoheit, Prinz Ali, seinem Privatpiloten zahlte. Obwohl sie gesellschaftlich nicht auf derselben Stufe standen, benahmen sich beide unzeremoniell und naturlich. Sie hatten die gleiche englische Public School besucht und waren seit ihrer Schulzeit eng befreundet.

»Sie haben auf uns geschossen«, sagte Prinz Ali fast verwundert.

»Geschossen haben sie, das steht fest«, entgegnete Bob Rawlinson.

»Und sie haben auf uns gezielt – sie wollten uns abschie?en!«

»Zweifellos! Die Schweine!«

Ali dachte einen Augenblick nach.

»Es hat wohl keinen Zweck mehr, es noch einmal zu versuchen?«

»Ich furchte, dass wir diesmal nicht mit heiler Haut davonkommen wurden. Wir haben zu lange gewartet, Ali, das ist das Ungluck. Du hattest schon vor zwei Wochen gehen sollen – ich habe dich gewarnt.«

»Man lasst sein Land nicht gern im Stich – man mochte nicht einfach so fortlaufen«, erklarte der Herrscher von Ramat.

»Versteht sich. Aber denk daran, was Shakespeare uber diejenigen gesagt hat, die ihr Leben retten, um spater fur ihr Vaterland kampfen zu konnen.«

»Wenn man bedenkt, was man fur dieses Land getan hat«, sagte der junge Prinz erregt. »Wir haben Schulen und Krankenhauser gebaut, wir haben einen Gesundheitsdienst eingefuhrt, wir…«

Bob Rawlinson unterbrach die Aufzahlung.

»Vielleicht konnte die Botschaft etwas unternehmen?«

Ein argerliches Rot stieg in Ali Yusufs Wangen.

»Was? Ich soll in eurer Botschaft Schutz suchen? Ausgeschlossen! Dann wurden die Rebellen wahrscheinlich das Haus sturmen, denn diplomatische Immunitat bedeutet diesem Gesindel nichts. Und abgesehen davon ware gerade das fur mich unmoglich, da man mir ja dauernd vorwirft, dass ich zu stark westlich orientiert sei.« Er seufzte tief. »Mir ist das alles unbegreiflich, Bob…« Er war verwirrt und unsicher, und man hatte ihn in diesem Augenblick junger als funfundzwanzig Jahre geschatzt.

»Mein Gro?vater war ein grausamer Herrscher, ein echter Tyrann. Er besa? Hunderte von Sklaven, die er schlimm behandelte. Im Krieg mit benachbarten Stammen wurden die gefangenen Feinde unbarmherzig gefoltert und hingerichtet. Alle zitterten, wenn sein Name nur erwahnt wurde. Und doch ist er zur Legende geworden. Noch jetzt wird er bewundert und verehrt. Achmed Abdullah der Gro?e! Und ich? Was habe ich getan? Ich habe Wohnhauser, Schulen und Krankenhauser gebaut, meinem Volk alle Wunsche erfullt. Und was ist der Dank? Wurden sie eine Schreckensherrschaft wie die meines Gro?vaters vorziehen?«

»Es sieht so aus – hochst unfair, aber was kann man tun?«, erwiderte Bob Rawlinson.

»Aber warum, Bob? Warum?«

Bob Rawlinson seufzte. Es fiel ihm nicht leicht, seine Gefuhle in Worten auszudrucken.

»Er – er hat es verstanden, sich in Szene zu setzen, er war – wie soll ich das nur erklaren –, er war so dramatisch.«

Bob betrachtete seinen Freund Ali, der keineswegs dramatisch war. Ali war ein lieber, anstandiger Kerl, ruhig und zuverlassig, und deshalb hatte Bob ihn gern. Ali hasste es aufzufallen, und brutale Gewalt ging ihm, wie den meisten Menschen in England, gegen den Strich. Leider schien man von einem orientalischen Herrscher ein Gemisch von Brutalitat und Prunk zu erwarten.

»In einem demokratischen Staat …«, begann Ali.

»Demokratie!« Bob schwenkte verachtlich seine Pfeife. »Dieses Wort bedeutet heutzutage in jedem Land etwas anderes, aber niemals das, was die Griechen ursprunglich darunter verstanden haben. Falls sie dich wirklich absetzen wollen, wird sich irgendein aufgeblasener Frosch zum Staatsoberhaupt ernennen, alle umbringen, die es wagen, anderer Meinung zu sein als er, und von einer demokratischen Regierung sprechen. Wahrscheinlich wird es dem Volk sogar gefallen. Das Blut wird in Stromen flie?en, und fur Abwechslung und Aufregung wird gesorgt sein.«

»Aber wir sind doch keine Wilden! Wir sind zivilisierte Menschen!«

»Es gibt verschiedene Arten von Zivilisation«, entgegnete Bob zogernd. »Ich personlich glaube, dass die meisten von uns im Grunde genommen noch Barbaren sind.«

»Vielleicht hast du Recht«, erwiderte Ali duster.

»Gesunder Menschenverstand ist heute nicht mehr gefragt«, erklarte Bob. »Du wei?t ja selbst, dass ich kein Geistesheroe bin, Ali, aber ich bin uberzeugt davon, dass der Welt nichts fehlt au?er ein bisschen Vernunft.« Er legte seine Pfeife hin und richtete sich auf.

»Doch das alles ist jetzt unwichtig, im Moment kommt es nur darauf an, dich sicher aus dem Land zu schaffen. Kannst du dich wenigstens auf einige deiner Offiziere verlassen?«

Prinz Ali Yusuf schuttelte traurig den Kopf.

»Noch vor zwei Wochen hatte ich diese Frage bejahen konnen, aber heute – heute bin ich leider nicht mehr ganz so sicher.«

Bob nickte verstandnisvoll.

»Tieftraurig – und in deinem Palast fuhlt man sich auch hochst unbehaglich.«

»Spione gibt es in allen Palasten«, stellte Ali unbewegt fest. »Sie horen alles, sie wissen alles.«

»Selbst unten beim Flugzeugschuppen…«, Bob unterbrach sich. »Dem alten Achmed bleibt nichts verborgen, er muss einen sechsten Sinn haben. Er hatte neulich das Gefuhl, dass irgendetwas nicht stimmte, ging zu deinem Flugzeug und hinderte einen Mechaniker, den wir bisher fur vertrauenswurdig gehalten hatten, daran, den Motor zu beschadigen. Wie dem auch sei, wenn wir versuchen wollen, dich mit heiler Haut hier herauszuschmuggeln, mussen wir es sehr bald tun.«

»Ich wei?, ich wei?. Wenn ich bleibe, werden sie mich ermorden.« Er sprach ohne Zeichen von Erregung oder Panik, fast als handelte es sich um einen anderen.

»Ich muss dich warnen, Ali! Es besteht durchaus die Moglichkeit, dass wir es nicht schaffen. Du wei?t, dass allein die nordliche Route infrage kommt, weil wir nur dort vor Angriffen der Jagdflugzeuge sicher sind. Leider ist es um diese Jahreszeit sehr gefahrlich, uber die Berge zu fliegen…«

Ali sah seinen Freund traurig an.

»Ich durfte es nicht zulassen, dass du dich in diese Gefahr begibst, Bob.«

»Zerbrich dir meinethalben nicht den Kopf, Ali. So hab ich’s nicht gemeint. Ich bin ganz unwichtig, au?erdem werde ich wahrscheinlich sowieso jung sterben, denn ich lasse mich immer auf die verrucktesten Abenteuer ein. Nein, ich denke im Moment nur an dich, und ich wage nicht, dich in der einen oder anderen Richtung zu beeinflussen. Wenn du dich nun doch auf einen Teil der Armee verlassen konntest…«

Ali schuttelte den Kopf, dann sagte er: »Ich hasse den Gedanken an Flucht, aber welchen Sinn hat es, sich zum Martyrer zu machen und sich vom Pobel in Stucke rei?en zu lassen?« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Also gut. Versuchen wir unser Gluck! Wann?«

Bob zuckte die Achseln.

»So bald wie moglich. Wir mussen dich unter irgendeinem Vorwand zum Flugplatz bringen… Vielleicht konnten wir behaupten, dass du den Bau der neuen Stra?e nach Al Jasar von der Luft aus besichtigen willst? Ich sorge dafur, dass die Maschine startklar ist, wenn du heute Nachmittag in deinem Wagen zum Flugplatz kommst. Gepack konnen wir naturlich nicht mitnehmen.«

»Das wei? ich, und ich will mich auch gar nicht belasten. Nur etwas mochte ich keinesfalls zurucklassen…«

Er lachelte geheimnisvoll und listig, und das Lacheln veranderte sein Gesicht. Er schien plotzlich ein anderer Mensch zu sein. Mit dem modernen jungen Mann, der in England zur Schule gegangen war, hatte er kaum noch Ahnlichkeit.

»Du bist mein bester Freund, Bob, dir werde ich kurz etwas zeigen.«

Er zog einen kleinen Wildlederbeutel unter seinem Hemd hervor.

»Was ist das?«, fragte Bob erstaunt.

Ali offnete den verschnurten Beutel und schuttete seinen Inhalt vorsichtig auf den Tisch.

Bob hielt einen Augenblick den Atem an, dann stie? er einen leisen, bewundernden Pfiff aus.

»Gro?er Gott! Sind die echt?«

»Naturlich sind sie echt«, erwiderte Ali belustigt. »Der gro?te Teil davon hat meinem Vater gehort. Er pflegte der Sammlung jedes Jahr neue Steine hinzuzufugen – ich tue das ubrigens auch. Wir lassen die Edelsteine von

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