Vertrauensmannern in vielen Stadten kaufen – in London, in Kalkutta, in Johannesburg. Es ist in meiner Familie Tradition, sich auf diese Weise auf einen Notfall vorzubereiten. Sie mussen etwa drei viertel Millionen Pfund wert sein«, schloss er in sachlichem Ton.
»Dreiviertel Millionen?« Bob stie? einen weiteren Pfiff aus, dann lie? er die Edelsteine nachdenklich durch seine Finger gleiten.
»Unwahrscheinlich! Wie ein Marchen aus Tausendundeiner Nacht. Ein merkwurdiges Gefuhl, diese kostbaren Steine in der Hand zu haben.«
»Ja.« Ali nickte, und wieder trat der listige Ausdruck in seine Augen. »Und es ist noch viel merkwurdiger, dass der Besitz von wertvollen Steinen den Menschen verandert. Eine Spur von Blut, Gewalt und Mord folgt den Juwelen und ihren Eigentumern nur zu oft. Vor allem Frauen sind ganz verruckt nach Edelsteinen, und nicht nur um ihres Wertes willen. Sie wollen sich damit schmucken, beneidet und bewundert werden… nein, einer Frau wurde ich die Steine niemals anvertrauen, aber bei dir sind sie sicher.«
»Bei mir?«
Bob starrte ihn entsetzt an.
»Ja, denn sie sollen meinen Widersachern unter gar keinen Umstanden in die Hande fallen. Ich wei? nicht, wann der Aufstand gegen mich stattfinden wird. Vielleicht ist er schon fur heute geplant, vielleicht werde ich den Flugplatz nicht mehr erreichen. Nimm meine Juwelen an dich, Bob, und versuche sie zu retten.«
»Aber ich wei? wirklich nicht… ich verstehe nicht. Was soll ich damit anfangen?«
»Du musst versuchen, sie irgendwie aus dem Land zu schaffen.«
»Soll
»Vielleicht. Aber wahrscheinlich wird dir noch ein sichererer Weg einfallen, sie nach Europa zu schicken.«
»Du irrst dich, Ali. Ich habe keine Ahnung, wie man so etwas anfangt.«
Ali lehnte sich gelassen in seinen Sessel zuruck und lachelte amusiert.
»Du hast einen hellen Kopf, und du bist ehrlich. Du hast auch oft gute Ideen, daran erinnere ich mich noch aus unserer Schulzeit… Ich werde dir Namen und Adresse eines mir bekannten Juwelenhandlers geben, mit dem du dich in Verbindung setzen wirst, falls ich umkommen sollte. Schau nicht so unglucklich drein, Bob. Ich wei?, dass du dein Bestes tun wirst, um meine Wunsche zu erfullen. Niemand wird dir Vorwurfe machen, wenn es dir wider Erwarten nicht gelingen sollte. Alles liegt in Allahs Hand, sein Wille wird geschehen.«
Bob schlug die Hande vors Gesicht.
»Das ist doch Irrsinn, Ali!«
»Durchaus nicht. Aber ich bin nun einmal Fatalist.«
»Dreiviertel Millionen Pfund, Ali! Glaubst du nicht, dass Steine von diesem Wert selbst einen grundanstandigen Menschen in Versuchung fuhren konnen?«
Ali Yusuf sah seinen Freund liebevoll an.
»Sonderbarerweise habe ich diesbezuglich nicht die geringsten Sorgen«, sagte er.
2
Bob Rawlinson horte den Widerhall seiner Schritte in den langen Marmorgangen des Palastes. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so unglucklich gefuhlt. Es war eine furchtbare Verantwortung, Juwelen von diesem Wert in der Hosentasche mit sich herumzutragen. Wahrscheinlich konnte ihm jeder seine innere Unruhe vom Gesicht ablesen… Er ware sehr erleichtert gewesen, hatte er geahnt, dass der Ausdruck seines sommersprossigen Gesichts so gutmutig und harmlos war wie immer.
Die Palastwachen prasentierten das Gewehr, als Bob das Schloss verlie?. Er schlenderte, noch immer ziemlich verstort, die Hauptstra?e von Ramat hinunter. Wohin sollte er gehen? An wen konnte er sich wenden? Was fur Plane sollte er schmieden? Er wusste es nicht, aber er musste schnell einen Entschluss fassen, denn die Zeit war knapp.
Die Stra?e war, wie alle Geschaftsstra?en im Mittleren Osten, eine Mischung von Prunk und Elend. Die eleganten Neubauten und Banken ragten zum Himmel empor. In den Schaufenstern der kleinen, unmodernen Laden lagen minderwertige Plastikwaren, bunte Kinderkleider, Allerweltsheilmittel und billige Zigarettenanzunder in unubersichtlichem Durcheinander. In einem winzigen Geschaft gab es alle Arten von Schweizer Uhren; allerdings mochte man allein durch die Menge der Uhren misstrauisch werden und vor einem Kauf zuruckschrecken.
Bob, der in seiner Verwirrung mit verschiedenen Leuten in der Tracht des Landes und mit ein oder zwei europaisch gekleideten Personen zusammenstie?, riss sich schlie?lich zusammen.
Er ging in ein Cafe und bestellte einen Tee mit Zitrone. Wahrend er ihn langsam schlurfte, begann er allmahlich ruhiger zu werden. Ihm gegenuber sa? ein altlicher Araber, der friedlich eine Bernsteinkette durch seine Finger gleiten lie?. Hinter ihm sa?en zwei Manner, die Tricktrack spielten. Hier konnte man in Ruhe nachdenken.
Und er
Ali war wirklich verruckt, ihm so mir nichts, dir nichts drei viertel Millionen anzuvertrauen und sich darauf zu verlassen, dass Allah einen Ausweg finden wurde. Fur Bob waren diese Dinge nicht so einfach. Was sollte er nur mit den Juwelen machen?
Er dachte an die Fluggesellschaft – aber nein, das ging auch nicht; die wurde sich bestimmt weigern, sich in Alis Privatangelegenheiten verwickeln zu lassen.
Er musste eine Privatperson finden, die im Begriff war, das Land unauffallig und auf dem normalen Weg zu verlassen; am besten einen Geschaftsmann oder einen Touristen, jemanden, der nichts mit Politik zu tun hatte und dessen Gepack nur fluchtig oder gar nicht durchsucht werden wurde. Naturlich musste man darauf gefasst sein, auf dem Londoner Flughafen eine Sensation hervorzurufen. »Versuch, Juwelen im Wert von drei viertel Millionen Pfund ins Land zu schmuggeln!« Und so weiter, und so weiter… Nun, das musste man eben in Kauf nehmen.
Ein gewohnlicher Reisender, eine vertrauenswurdige Person. Aber naturlich! Wie hatte er das nur vergessen konnen. Bob fasste sich an den Kopf: Joan, seine Schwester Joan Sutcliffe. Joan hatte zwei Monate hier verbracht, weil der Arzt ihrer Tochter Jennifer nach einer schweren Lungenentzundung einen Aufenthalt in einem trockenen, sonnigen Klima verordnet hatte. Sie wollten in drei oder vier Tagen auf dem Seeweg nach England zuruckfahren. Joan war die ideale Person. Was hatte Ali uber Frauen und Juwelen gesagt? Bob lachelte. Die brave Joan wurde selbst uber dem kostbarsten Schmuck nicht den Kopf verlieren. Sie stand mit beiden Beinen fest auf der Erde. Ja, auf Joan konnte man sich verlassen.
Nein, einen Augenblick… konnte er sich wirklich auf Joan verlassen? Auf ihre Ehrlichkeit bestimmt, aber auf ihre Diskretion? Bob schuttelte bedauernd den Kopf. Joan wurde daruber reden oder zumindest Andeutungen machen… »Ich hab etwas sehr Wichtiges nach England zu bringen, aber ich darf nicht daruber sprechen, mit
Joan hatte es noch nie fertiggebracht, etwas fur sich zu behalten, obwohl sie das energisch bestritt, wenn man es ihr ins Gesicht sagte. Joan durfte also nicht wissen, was sie mitnahm – das ware am sichersten. Er wurde die Steine in einen kleinen, ganz gewohnlichen Pappkarton packen und ihr ein Marchen erzahlen. Ein Geschenk? Eine Verpflichtung? Ein Auftrag? Es wurde ihm schon etwas einfallen…
Bob sah auf die Uhr und stand auf.
Es war hochste Zeit.
Trotz der Mittagshitze ging er mit schnellen, entschlossenen Schritten davon. Hier schien alles ruhig und normal zu sein. Nur im Palast war man sich des schwelenden Feuers bewusst, der flusternden Spitzel, der heimtuckischen Verrater. Alles hing von der Armee ab. Wurde sie sich loyal verhalten? Wer war zuverlassig? Wer ein Rebell? Auf jeden Fall wurde ein Staatsstreich versucht werden. Wurde er erfolgreich sein oder nicht?
Bob betrat stirnrunzelnd das fuhrende Hotel von Ramat. Es trug den gro?artigen Namen »Ritz Savoy« und