hatte eine anspruchsvolle moderne Fassade. Es war vor drei Jahren mit gro?em Tamtam von einem schweizerischen Direktor, einem osterreichischen Koch und einem italienischen
Der Empfangschef, der Bob gut kannte, strahlte ihn an.
»Guten Morgen, Major. Wollten Sie Ihre Schwester besuchen? Sie ist mit der Kleinen rausgefahren – zu einem Picknick.«
»Ein Picknick?« Bob war au?er sich – warum musste sie gerade heute einen Ausflug machen…
»Mit Mr und Mrs Hurst von der Olgesellschaft«, erklarte der Empfangschef. Hier wussten alle uber alles Bescheid… »Sie sind zum Ka-lat-Diwa-Damm gefahren.«
Bob fluchte leise. Wer wei?, wann Joan zuruckkommen wurde.
»Ich mochte in ihr Zimmer gehen«, sagte er und bat um den Schlussel, der ihm bereitwillig ausgehandigt wurde.
Er schloss die Tur auf und ging hinein. Das gro?e Zweibettzimmer machte einen chaotischen Eindruck. Joan Sutcliffe war ein ziemlich unordentlicher Mensch. Auf einem Sessel lagen Golfschlager und auf dem Bett ein Tennisschlager. Uber den Tisch waren Postkarten, Filme, Bucher und Reiseandenken verstreut, die gro?tenteils in Birmingham und in Japan hergestellt worden waren.
Bob sah sich um; sein Blick fiel auf Koffer und Reisetasche. Er stand vor einem Problem. Er wurde Joan nicht mehr sprechen, bevor er mit Ali abflog, denn der Damm war weit vom Hotel entfernt. Er konnte ihr das Packchen und einen Brief zurucklassen – aber nein, das war ganz unmoglich. Er wusste nur zu gut, dass man ihn beobachtete. Wahrscheinlich war man ihm vom Palast zum Cafe und vom Cafe zum Hotel gefolgt. Er hatte zwar niemanden gesehen, aber er wusste, dass die Rebellen geschickte Spitzel besa?en. Es war ganz in Ordnung, dass er seine Schwester in ihrem Hotel besuchte, aber wenn er ein Packchen und einen Brief hinterlie?, wurde das Packchen geoffnet und der Brief gelesen werden.
Zeit… Zeit… er hatte zu wenig Zeit!
Die kostbaren Juwelen brannten in seiner Hosentasche.
Er sah sich im Zimmer um…
Dann grinste er und zog die kleine Werkzeugtasche heraus, die er immer bei sich trug. Unter den Sachen seiner Nichte Jennifer fand er etwas Plastilin, das er gut gebrauchen konnte.
Er arbeitete schnell und geschickt. Einmal blickte er misstrauisch zum offenen Fenster. Nein, das Zimmer hatte keinen Balkon. Niemand konnte ihn beobachten, seine Nerven mussten ihm einen Streich gespielt haben.
Er beendete seine Arbeit und nickte zufrieden. Er war ganz sicher, dass weder Joan noch sonst irgendwer etwas bemerken wurde – bestimmt nicht Jennifer, die ein egozentrisches Kind war und sich nur fur ihre eigenen Angelegenheiten interessierte.
Nachdem er die Uberbleibsel seiner Tatigkeit vom Tisch gefegt und in seiner Tasche verstaut hatte, sah er sich nochmals zogernd um. Er erblickte Joans Schreibblock und starrte stirnrunzelnd auf den Bogen, der vor ihm lag. Er musste ihr eine Botschaft hinterlassen, aber was konnte er schreiben? Nur Joan sollte den Inhalt seines Briefes verstehen, niemand sonst, dem das Schreiben in die Hande fiel, durfte wissen, um was es sich handelte… Leider war das ganz unmoglich. In den Kriminalromanen, die Bob in seiner Freizeit las, hinterlie? man einfach Botschaften in einer Geheimschrift, die dann spater erfolgreich entziffert wurde. Aber er hatte keine Ahnung, wie man so eine Geheimschrift erfand, au?erdem besa? Joan zuwenig Fantasie, um eine Nachricht zu verstehen, die nicht klar und deutlich, versehen mit den notigen Kommas und i-Punkten, auf dem Papier stand.
Plotzlich kam ihm die Erleuchtung. Er musste die Sache ganz anders anfangen. Um die Aufmerksamkeit von Joan abzulenken, musste er ihr einen vollig harmlosen Brief hinterlassen. Die eigentliche Botschaft wurde er einer anderen Person geben, die sie Joan erst in England uberbringen sollte. Er begann schnell zu schreiben:
Eine vollig belanglose Nachricht fur die Schwester, die er vielleicht nie wiedersehen wurde – aber je belangloser, desto besser! Joan durfte auf gar keinen Fall in diese gefahrliche Sache verwickelt werden, sie durfte nicht einmal ahnen, dass er selbst darin verwickelt war.
Joan konnte nicht heucheln, deshalb war sie nur dann sicher, wenn sie nichts wusste.
Der Brief erfullte au?erdem einen doppelten Zweck; denn es ging daraus hervor, dass Bob keine Reiseplane hatte.
Er blieb noch eine Minute nachdenklich sitzen, dann stand er auf, ging zum Telefon und verlangte die Nummer der englischen Botschaft. Gleich darauf wurde er mit seinem Freund Edmundson, dem dritten Sekretar, verbunden.
»John? Hier spricht Bob Rawlinson. Kannst du dich nach Buroschluss mit mir treffen?… Geht es nicht etwas fruher?… Bitte, tu mir den Gefallen, es ist sehr wichtig, es handelt sich namlich um ein Madchen…« Er rausperte sich verlegen. »Sie ist fabelhaft – das hat die Welt noch nicht gesehen! Aber leider ziemlich schwierig…«
»Was du immer fur Madchengeschichten hast, Bob«, erwiderte Edmundson steif und leicht vorwurfsvoll. »Also, wenns sein muss… passt es dir um zwei?«
Edmundson legte den Horer auf, und gleich darauf horte Bob noch ein leises Knacken in der Leitung…
Gut – Edmundson hatte ihn sofort verstanden. Er und Bob benutzten oft einen Geheimcode, da in Ramat samtliche Telefongesprache abgehort wurden. »Ein fabelhaftes Madchen – das hat die Welt noch nicht gesehen«, bedeutete, dass es sich um etwas sehr Dringendes handelte. Er wurde Edmundson um zwei Uhr vor der Bank treffen und in sein Auto steigen. Dort wurde er ihm von dem Versteck erzahlen und ihm sagen, dass Joan nichts davon wisse. Er wurde Edmundson auch zu verstehen geben, dass seine Aufgabe von ausschlaggebender Bedeutung sein wurde, falls ihm, Bob, etwas zusto?en sollte. Da Joan und Jennifer auf einem Frachtschiff zuruckfuhren, wurden sie erst in sechs Wochen in England sein. Bis dahin hatte die Revolution hochstwahrscheinlich stattgefunden. Entweder wurde sie erfolgreich sein oder niedergeschlagen werden. Ali Yusuf wurde in Europa sein… Er musste Edmundson das unbedingt Notwendige mitteilen, aber nicht mehr.
Bob blickte sich zum letzten Mal im Zimmer um. Es sah unverandert unordentlich, friedlich und wohnlich aus. Nur sein harmloser Brief an Joan lag auf dem Schreibtisch.
Er ging aus dem Zimmer. Im Korridor begegnete ihm niemand.
Die Frau, die im Zimmer neben Joan Sutcliffe wohnte, verlie? ihren Balkon. Sie hielt einen Spiegel in der Hand.
Sie war ursprunglich auf den Balkon gegangen, um ein einzelnes Haar besser sehen zu konnen, das auf ihrem Kinn wuchs. Sie zog es mit einer Pinzette heraus, dann studierte sie ihr Gesicht eingehend im hellen Sonnenlicht. In diesem Augenblick sah sie etwas im Nebenzimmer. Sie hielt ihren Spiegel in einem bestimmten Winkel, sodass sich der Spiegel des Kleiderschrankes im benachbarten Zimmer darin reflektierte. Und in diesem Spiegel beobachtete sie einen Mann, der etwas sehr Merkwurdiges tat.
Es war so merkwurdig und unerwartet, dass sie regungslos stehenblieb und ihn nicht mehr aus den Augen lie?. Er sa?, mit dem Rucken zum Spiegel, am Tisch und konnte sie nicht sehen. Hatte er den Kopf umgewandt, wurde er den Reflex ihres Spiegels im Schrankspiegel bemerkt haben, aber er war zu sehr in seine Arbeit vertieft, um sich umzublicken.
Einmal schaute er allerdings auf und wandte den Kopf zum Fenster. Da es dort nichts zu sehen gab, senkte er ihn wieder.
Die Frau beobachtete ihn, bis er seine Arbeit beendet hatte. Dann sah sie ihn einen Brief schreiben, den Bogen in einen Umschlag stecken und auf den Schreibtisch legen. Danach entfernte er sich aus ihrem Blickfeld, aber sie horte seine Stimme am Telefon. Sie konnte nicht genau verstehen, was er sagte, jedoch klang seine Stimme frohlich und unbeschwert. Gleich darauf horte sie, wie die Tur geschlossen wurde.
Die Frau wartete ein paar Minuten, dann offnete sie die Tur ihres Zimmers. Am anderen Ende des Korridors machte sich ein Araber mit einem Federbesen zu schaffen. Als er sie sah, verschwand er um die Ecke.
Die Frau ging rasch zur Tur des Nebenzimmers, die, wie sie erwartet hatte, verschlossen war. Es gelang ihr, die Tur mithilfe einer Haarnadel und eines Federmessers schnell und geschickt zu offnen.