Ehrenmal nieder, das Williams fur seinen gefallenen Sohn Joe hatte errichten lassen.

Auch bei diesen Feierlichkeiten war Ron Calling immer dabei, was ihn bei allen beliebt machte, und als die Forschungsstelle begann, das Erbe, namlich Schlo?, Grundstuck und eine gro?e Seehutte, in Dollars umzusetzen, war jedermann damit einverstanden, da? Ron Calling das Seegrundstuck kaufen konnte.

Glatte dreihunderttausend Dollar legte er dafur auf den Tisch. Man wunderte sich daruber, denn Calling hatte bisher sehr bescheiden in einer Pension gelebt. Er a? am liebsten Hamburger oder eine hei?e Wurst mit scharfer Curryso?e, wie die Hauswirtin erzahlte, aber dann verga? man das Staunen und sah mit Wohlgefallen, wie Calling die Seehutte ausbaute.

Er lie? sie mit Steinen ummauern, brach gro?e Fenster in die Fassade zum Meer hin, zog eine hohe Mauer um sein Grundstuck, und schlie?lich kamen ein paar Mobelwagen an, brachten Couches und Schranke und Teppiche und Sessel und zwanzig gro?e Kisten mit, die einen kompletten Haushalt enthalten mu?ten.

Drei Monate lang arbeiteten dann drei Handwerker aus New Orleans im Hause von Ron Calling. Sie wohnten bei ihm, sie kochten sich selbst das Essen, gingen nie aus, machten keine Jagd auf die hubschen Madchen im Ort, nur der SupermarktBesitzer erzahlte im Vertrauen, da? sie immer die besten und teuersten Sachen bestellten und ins Haus liefern lie?en: franzosischen Wein, russischen Kaviar, geraucherten Stor, Champagner, gewaltige Steaks und Schokoladentorten. Was die drei Handwerker im Hause von Calling machten, wu?te niemand… sie waren plotzlich aus New Orleans gekommen —, so hie? es, und ebenso plotzlich waren sie nach drei Monaten wieder verschwunden. Hinter der hohen Mauer blieb vieles verborgen, auch der Bau der neuen Terrasse. Da? unter der Betondecke in einer Grube drei Leichen lagen… wer konnte das ahnen? Wer traute Ron Calling so etwas zu, ihm, dem netten Kerl, der immer so freundlich gru?te, jeden Monat einen Blumenstrau? vor dem Ehrenmal Joe Williams' niederlegte und dann sinnend einige Minuten verharrte. Der Plattenleger, der spater die Marmorplatten anbrachte, konnte blo? berichten, da? Mr. Calling ihn nur bis in die Gartenhalle gelassen hatte. Weiter nicht, und der ganze linke Flugel des Hauses, zehn Meter lang, habe drei riesige Fenster, die aber immer verschlossen und mit einer Jalousie von innen versehen seien. Dann wurde es still um den neuen Einwohner von Whitesands. Man sah ihn viel am Meer sitzen, nie lie? er sich in den Restaurants oder in einer Bar blicken. Auch Frauen schienen ihn nicht zu interessieren, denn niemals, in all den spateren Jahren, sah jemand ein weibliches Wesen in seinem Haus, obwohl er doch ein ansehnlicher, starker, netter Mensch war, mit dem so manche Frau, auch in Whitesands, sofort ins Bett gegangen ware. Au?erdem schien er genug Geld zu haben, um schon in seinen besten Jahren im Liegestuhl zu liegen, im Meer zu schwimmen oder am Sandstrand entlangzulaufen, statt sich um den Erwerb von Dollars zu kummern.

Wo Geld lockt, ist das Versprechen der ewigen Seligkeit nicht weit. Reverend John Killroad von der» Kirche der Kinder Gottes «erschien denn auch bei Ron Calling, als man sah, da? der Bau vollendet war. Das Ganze wirkte letztlich etwas exzentrisch, denn uber dem linken Flugel des Hauses lie? Calling einen kleinen Zwiebelturm anbringen, mit vergoldetem Dach und auf der Spitze ein Doppelkreuz wie bei den orthodoxen Kirchen. Reverend Killroad staunte, konnte sich darauf keinen Vers machen und bat um eine Audienz.

Ron Calling empfing ihn nicht im Haus, sondern vor dem Haus, auf der Marmorterrasse. Wenn Killroad geahnt hatte, da? er genau uber drei einbetonierten Leichen sa?, wahrend er es sich auf einer Gartenliege bequem machte und Orangensaft mit Wodka trank, hatte er das Glas von sich geworfen und ware gefluchtet. Aber so freute er sich uber die Gastfreundschaft des neuen Burgers Calling, schenkte ihm eine Broschure, in der die Geschichte seiner Kirche stand, und lie? so nebenbei verlauten, da? der Altar doch ein wenig primitiv sei. Mr. Williams habe versprochen, einen neuen Altar zu stiften, aber der Tod habe das gro?herzige Werk verhindert.

«Mr. Williams wollte Ihnen einen neuen Altar schenken?«fragte Calling interessiert.

«So ist es! Nun hat er alles der Krebsforschung gestiftet, und da ist nicht ein Cent zu holen. Im nachsten Jahr hatte der Altar eingeweiht werden konnen. Einen Entwurf gab es schon.«»Bringen Sie die Plane das nachstemal mit«, sagte Calling leichthin.»Es interessiert mich.«

«Sie haben einen Zwiebelturm auf dem Haus. «Reverend Killroad rulpste verhalten. Er hatte den Wodka mit Orangensaft zu schnell getrunken.»Hat das was zu bedeuten?«

«Ja. Ich liebe Ru?land.«

«Aha! Sie kennen Ru?land, Mr. Calling?«

«Sehr gut, Reverend. «Calling lehnte sich auf seiner Liege weit zuruck.»Und Ru?land liebt mich. Die Schlacht von Pol-tawa war die Geburt eines unbesiegbaren Reiches.«

«So ist es. «Reverend Killroad wischte sich uber die Augen und blickte durch die gespreizten Finger Calling an. Was meint er damit, ratselte er. Die Schlacht von Poltawa? Wir Amerikaner haben doch im letzten Krieg nicht in Ru?land gekampft? Oder war Calling in Ru?land bei einem Spezialverband? Man hat nie von einer solchen Truppe gehort.»Ru?land mu? schon sein.«

«Wunderschon. Im Winter… die Schlittenfahrten durch die Walder… im Sommer das Segeln auf dem Meer mit dem Blick auf mein Petersburg… man kann es einfach nicht erklaren. Und aus dem Nichts habe ich es gestampft, aus einem elenden, unbebaubaren, fiebrigen Sumpfgebiet. Es sollte schoner werden als Paris. Ein Juwel unter den Stadten der Welt.«»Wenn nur die Bolschewisten nicht waren…«, sagte Reverend Killroad vorsichtig. Irgendwie kam ihm Calling jetzt unheimlich vor.

Ron hob den Kopf und starrte Killroad an.»Ich kenne keine Bolschewisten«, sagte er erstaunt.»Was ist das?«

«Sie interessieren sich uberhaupt nicht fur Politik, nicht wahr?«

«Wie konnen Sie das behaupten?«Calling sprang auf.»Schweden mu? besiegt werden, und ich will Polen haben!«»Ein gro?er Plan, Mr. Calling…«, stotterte Killroad verwirrt. Auch er sprang von dem Liegestuhl auf.»Wann darf ich wiederkommen mit den Planen?«

«Jederzeit. Plane machen mich frohlich.«

Calling begleitete Killroad bis zum Eingangstor in der hohen Mauer, druckte ihm so fest die Hand, da? der Reverend das Gesicht verzog und die Hand nachher vorsichtig schuttelte, um zu sehen, ob nichts gebrochen war, und winkte ihm nach, bis er in den Hugeln verschwand.

Zu Hause angekommen, griff Killroad sofort nach einem Lexikon, schlug unter Poltawa nach und las Gebiets hauptstadt in der Ukraine. Im Nordischen Krieg siegte hier Peter der Gro?e 1709 entscheidend uber den Schwedenkonig Karl XII.

Killroad lie? das Lexikon auf den Teppich fallen, starrte gegen die Wand und hatte dann einen dreifachen Whiskey notig. Er ist verruckt, dachte er. Lieber Gott, er ist schizophren! Er bildet sich ein, Zar Peter der Gro?e zu sein: Mein Ru?land, mein Petersburg, ich will Polen haben, meine Stadt aus dem Sumpf gestampft, das Juwel unter allen Stadten der Welt… Jesus, er ist verruckt. Jetzt mu? man sich beeilen, der Altar mu? stehen, bevor er ganz verruckt ist.

Reverend Killroad sprach mit niemandem uber seinen Verdacht, auch spater nicht, als der Altar langst in der Kirche stand und bewundert wurde. Ab und zu besuchte er Ron Calling, unterhielt sich mit ihm uber den verraterischen Zarewitsch und dessen Bauernhure, uber die Zarin Katharina und lachte gequalt, wenn Calling von seinen Zwergen und Kruppeln erzahlte, die wahrend der Festessen Faxen und Possen rei?en mu?ten.

Mit den Jahren gewohnte sich Whitesands an seinen merkwurdigen Bewohner. Er war ein gro?zugiger Mazen, nicht so generos wie Williams, dessen Reichtum alles erlaubte, aber wenn Mr. Calling funftausend Dollar fur den Bau eines Golfplatzes stiftete, war das eine Gro?zugigkeit, die man loben mu?te. Da konnte er noch so wunderlich sein und werden — er hatte ein Herz fur seine Mitmenschen. Und nur das zahlt. Verschrobenheit ist eine personliche Angelegenheit, solange sie nicht andere einschrankt. Und das war bei Mr. Calling nicht zu erwarten.

Vor zehn Jahren hatte er dann begonnen, mit seinen gro?en Holzschiffen im Meer zu spielen, wenn die Wellen ruhig waren und er in dem langen Gummioverall bis zum Bauch ins Wasser watete, im Rock eines russischen Admirals, und eine Seeschlacht entfachte, bei der er sogar einige Schiffe brennen lie? und die Hand an die Stirn legte, wenn sie untergingen.

Ein armer, reicher Mensch, sagten die Whitesandser mitleidig und mitfuhlend. Mit jedem Jahr wird er verruckter. Aber wer kann ihm helfen? Er la?t ja keinen in sein Haus hinein. Und einen Arzt ruft er auch nicht. Nur der Reverend darf zu ihm, und Killroad schweigt, wie es seine Priesterpflicht ist. Pa?t auf… eines Tages findet er ihn tot im Sessel, auf der Terrasse oder in irgendeiner Ecke.

Aber noch legt er Blumen am Ehrenmal fur Joe Williams nieder…

Jeden Tag, meistens um die Mittagszeit, zog Joe Williams die dicken Laden an den drei hohen Fenstern im

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