Als er Peter Sacher eintreten sah, schnaufte er tief und ehrlich und schluckte den Bonbon hinunter.

«Guten Tag, du Urviech!«sagte er drohnend.»Die Hitze drau?en bringt mich um! Begreife, was ich leide: Drau?en Tropenglut, um mich herum Aktenstaub, nebenan Buromief, im Stenozimmer ein Parfumerieladen. Peter, wie ich dich beneide!«

«Ausgerechnet mich«, sagte Peter sauer.

Dr. Portz uberhorte die Resignation. Er war im Begriff, sich zu bedauern. Welcher Mann la?t sich dabei durch andere Argumente storen?!

«Du bist allein!«sagte er.»Du kannst an die frische Luft, wenn und wann es dir pa?t. Man sagt dann einfach: Mu? 'nen Bau besichtigen! Du verdienst dein Geld, indem du ruckzuck ein paar Mauern aufs Papier wirfst, ein paar Fenster dazwischen malst und sagst: Da ist das Wohnzimmer, dort schlaft man. Hier geht's rein, hier raus. Und das alles kostet 100.000 Mark! Dann kassierst du deine Prozente und rauchst zum Abschlu? auch noch eine spendierte Importe. Aber ich?«Er holte tief Luft. Gequalt knackte es in der Jacke. Es mu?te ein guter Schneider gewesen sein, der sie machte. Vielleicht hatte er die Nahte auch mit Draht gefestigt.»Ich rackere mich ab«, klagte Dr. Portz.»Ich mu? tobende Ehemanner beruhigen, weinende Frauen aus Ohnmachten erwecken, auf dem Gericht schmutzige Wasche waschen, dem Staatsanwalt, er ist ein guter Freund, sagen, da? er dumm ist, ich mu? Geschworene uberzeugen und Zeugen der Anklage murbe machen, ich mu? aus schwarz wei? und aus wei? mittelgrau machen. Kurz: Ich befinde mich in einem ewigen Krieg gegen alle Welt! Und das alles fur die lumpigen Gebuhren. Ist das ein Leben?!«

Peter Sacher setzte sich in einen lederbezogenen Sessel und faltete die Hande. Er kannte die Klagen seines Freundes und hatte sich abgewohnt, ihnen Beachtung zu schenken. Er kannte auch das Bankkonto Dr. Portz' und wu?te, da? er gar nichts anderes sein wollte als Rechtsanwalt.

Noch wahrend Portz seine Klagelieder sang, nahm er ein Magazin von dem runden Rauchtisch, blatterte in ihm herum und las eine Kurzgeschichte.

Als sie zu Ende war, war auch Dr. Portz die Luft ausgegangen. Peter Sacher legte das Magazin zuruck.

«Fertig?«

«Ja«, keuchte Dr. Portz und rieb sich den Schwei? von der Stirn.

«Dann hore einmal genau zu: Ich werde verreisen.«

«Du Glucklicher.«

«Ich will Ferien machen.«

«Du Nabob!«

«Ich will sogar allein Ferien machen.«

«Ohne Sabine?!«

«Ja.«

«Du Genie!«

«Wie man's nimmt. «Peter nahm eine Zigarre aus dem Kistchen, das auf dem Tisch stand.

Dr. Portz sah es mit Mi?behagen. Die Zigarren waren fur die guten Klienten, die Geld einbrachten.

«Kosten achtzig Pfennig«, meinte er.

«Riecht man. «Peter Sacher schnitt die Spitze ab und zundete sie an. Er blies den Rauch gegen die Decke, wie es im ungeschriebenen Ritus der Zigarrenraucher verbrieft ist.»Konnen wir ernst miteinander reden?«

«Bitte«, antwortete Dr. Portz pikiert.

«Der Vorschlag, getrennt zu verreisen, stammt von Sabine.«

«Du hast eine einmalige Frau«, sagte Dr. Portz ehrlich.

«Abwarten. «Peter hob die Hand.»Die Sache hat einen Haken. Wir werden sechs Wochen getrennt leben. Keiner soll vom anderen wissen, wo er war und was er dort erlebt hat. Am 28. August sollen wir dann wieder zusammenkommen. «Sacher rausperte sich; es war, als musse er die Worte wie zu harte Knodel ausspucken.»Es kann sein, da? du dann meine Interessen vertreten mu?t.«

«Verruckt. «Dr. Portz schuttelte den Kopf und wischte sich mit einem gro?en Taschentuch uber die Stirn.»Nehmt es mir nicht ubel, aber ihr benehmt euch wie die Kinder. Vielleicht fehlen euch die. Mit sechs Kindern im Stall hat man andere Sorgen als ihr! Du liebst doch Sabine?«

«Sehr!«

«Und Sabine liebt dich?!«

«Das nehme ich, mit Vorbehalten, an.«

«So! Mit Vorbehalten!«Dr. Portz rieb sich die dicke, rote Nase.»Das hast du in sieben Jahren Ehe noch nicht feststellen konnen?«

«Das ist es ja, was mir Sorgen macht!«

Peter Sacher starrte auf die wei?e, spitze Asche der Zigarre. Vorsichtig schnippte er sie ab. Sie zerfiel in dem gro?en Aschenbecher in drei Teile. Peter nickte.

«Stimmt.«

«Was stimmt?«

«Es sind drei Dinge, die bei uns zu Asche geworden sind: Idealismus, gegenseitiges Verstehen, Entgegenkommen. Warum das alles so geworden ist? Lieber Ernst, wenn ich das erklaren konnte, sa?e ich jetzt nicht hier. «Er hob hilflos die Hand.»Man sollte es nicht fur moglich halten. Ich habe eine schone Frau.«

«Die hast du wirklich.«»Und ich liebe sie. Das ist keine billige Redensart. Aber irgend etwas ist da zwischen uns, das wie eine Wand ist, wie eine glaserne Wand, durch die wir uns zwar sehen und horen, aber die verhindert, da? wir uns die Hande reichen. Wir haben uns einfach nichts mehr zu sagen.«

Dr. Portz schob ein paar Aktenstucke zur Seite, um Platz fur seine breiten Ellenbogen zu bekommen. Auf ihnen lehnte er sich weit vor und starrte Peter Sacher ins Gesicht.

«Willst du einen Rat horen? Den honorarlosen Rat eines erfahrenen Scheidungsanwaltes?«

«Honorarlos ist bei dir immer kritisch.«

«Euch beiden fehlt nur eins: eine Wiege mit einem schreienden Bundel und zweimal taglich Windelwaschen.«

«Danke. «Peter schlug resignierend die Beine ubereinander.»Erstens hast du das schon einmal gesagt.«

«Steter Tropfen, mein Lieber!«

«Und zweitens stehen solche Ratschlage in jeder Wochenzeitung unter >Sprich dich aus — Tante Emma antwortet.««

«Hor auf Tante Emma!«meinte Dr. Portz sarkastisch.

«Zu einem schreienden Bundel in der Wiege gehoren immer zwei Menschen. Soviel solltest du von Biologie wissen.«

«Zahlenma?ig konntet ihr diese Bedingung erfullen.«

«Aber auch nur zahlenma?ig!«

Dr. Portz schuttelte wieder den Kopf. Wie kompliziert, dachte er. Da sind nun zwei Menschen, nett, modern, liebenswert. Die Frau, man mu? schon poetisch bei Vergleichen werden. Der Mann, ein Kerl, der etwas im Leben erreichte. Durch Konnen, durch Flei?. Ein bi?chen verruckt ist er ja, aber welcher kunstlerische Mensch hat nicht seinen verzeihlichen Spleen? Zwei Menschen also, die sich wie nichts auf der Welt erganzen mu?ten, die ein ideales Paar abgeben mu?ten. Und da kommt einer von ihnen nach sieben Jahren Ehe daher und sagt zerknirscht: Alles war nur eine schillernde, muhsam am Leuchten erhaltene Seifenblase. Nun ist sie zerplatzt, und von der ganzen Schonheit ist nichts zuruckgeblieben.

«Du glaubst, da? diese sechs Wochen getrennte Ferien ein Heilmittel seien?«fragte er langsam. Man sah und horte ihm an, da? er dies sehr bezweifelte.

«Sabine meint es. Sie hat diesen ganzen Quatsch in der New York Times gelesen. Von irgendeinem Psychologen, der etwas Propaganda fur sich machte. Und sie glaubt daran wie an ein Wunderheilmittel.«

«Ferien vom Ich sind doch eine alte Sache.«

«Aber Ferien von der Ehe? Das durfte nicht gebrauchlich sein. Nicht in unseren Breitengraden. Uber diesen Ferien liegt wie eine unmoralische Wolke der Reiz des Nichtwissens, des Unbekannten, des Ratsels, der verborgenen Abenteuer, kurz: Man fuhlt bei dem Gedanken an diese Ferien den Stachel der Eifersucht. Stell dir vor, diese Gedanken: Sie liegt irgendwo am Strand und flirtet mit einem anderen. Er ist hubsch, der Kerl, so ein Frauentyp mit gelacktem oder gewelltem Haar und einem Zahnpastagebi?. Und sie vergi?t, da? sie Sacher hei?t, sie findet das Leben schon, viel schoner als in Dusseldorf am Rhein, sie findet, da?…«Peter sprang auf. Es war ein

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