Satz, als sprange er den Unbekannten an.»Teufel noch mal, Ernst, verstehst du das?! Man mu? wissend beide Augen zudrucken, man darf nicht fragen, man soll nichts wissen, man soll alles wehrlos auf sich zukommen lassen. Ich halte das einfach nicht aus!«

Dr. Portz nickte ernst.

«Klarer Fall von Liebe!«

«Quatsch! Es geht um die Mannesehre!«wich Peter aus. Er schamte sich, die Wahrheit einzugestehen.

«Wenn Sabine auch so denkt wie du«, sagte Dr. Portz salomonisch,»ist es besser, ihr verlebt eure Eheferien sechs Wochen auf dem Balkon eures Schlafzimmers. Das ist billiger und uberzeugender.«

«Nein!«Peter Sacher klopfte mit den Fingern auf den Rauchtisch.»Sabine soll ihren Wunsch erfullt bekommen. Oder soll ich von dem Widersinn allein sprechen und die Schlacht um meine Vorrangstellung als Mann verlieren?«

«Von Gleichberechtigung hast du noch nichts gehort, was?«»Sie ist im siebten Jahr einer Ehe wie ein Infarkt.«

Dr. Portz legte den Kopf in beide Hande und sah Peter Sacher traurig an.»Mit billigen Bonmots rettet man keine Ehe.«

«Darum komme ich ja zu dir. Du mu?t mir helfen.«

«Ich?«

«Du mu?t Sabine beobachten!«

«Was soll ich?«Dr. Portz begriff nicht sofort. Er blinzelte mit den Augen, als starre er in grelles Sonnenlicht.

«Du sollst Sabine >beschatten<, wie man wohl in deiner Fachsprache sagt. Ich will wissen, wohin sie fahrt, mit wem sie sich dort trifft, was sie die sechs Wochen treibt, was sie erlebt, kurz: Ich will Sabine auf gar keinen Fall durch dieses dumme Experiment verlieren.«

Dr. Portz nickte schwer und mitleidig. Er griff zum Telefon und drehte eine Hausnummer. Seine Kanzlei meldete sich. Hubert Bornemeyer war am Apparat.

«Bornemeyer? Gut!«rief Dr. Portz mit ernster Miene.»Rufen Sie bitte die nachste Schilderfabrik an. Wir bestellen ein neues Schild. Wir firmieren um. Gro?! In Emaille. Zweifarbig. Eilauftrag! Text: Ernst Portz — Detektei verruckter Ehemanner. Haben Sie verstanden? Nein? Ich auch nicht! Ende. «Er legte den Horer zuruck und sah zu Peter, der wutend an dem breiten Bucherschrank stand.»Mein Assessor ist restlos erschuttert. Er begreift es einfach nicht.«

«La? bitte die dummen Witze. «Sacher rauchte nervos und zerdruckte fast die Zigarre zwischen den Fingern.»Es mu? doch nicht so schwer sein, Sabine bewachen zu lassen.«

«Auch noch bewachen! Es wird ja immer frohlicher! Lege ihr doch einen Keuschheitsgurtel um.«

«Wenn du gemein wirst, sind wir geschiedene Leute!«Sacher tupfte die Zigarre im Aschenbecher aus.»Irgend etwas mu? geschehen! Die Welt kennt keine moralischen Hemmungen mehr.«

«Wie erschutternd das gerade aus deinem Mund klingt!«

«Und ich lasse Sabine in diesen Sumpf nicht allein fahren. Es mu? etwas geschehen!«wiederholte er erregt.

«Fuhrt endlich eine vernunftige Ehe. Das ist alles! Habt Zeit fur-einander. Lernt euch verstehen. Auch au?erhalb des Schlafzimmers!«Dr. Portz schlug die Hande uber dem Kopf zusammen.»Als ob man Sauglinge vor sich hatte, denen man das Windelnassen abgewohnen will.«

«Hast du nichts anderes auf Lager als die Mottenkiste?! Ich brauche ehrlich deine Hilfe! Und wenn dir als Junggeselle auch alles noch so blod vorkommt, es ist mir bitterer Ernst! Mit Sabine mu? etwas geschehen. Sie kann nicht in diesem, diesem seelisch depressiven Zustand allein reisen oder gar allein gelassen werden.«

Dr. Portz sah das Problem ernster, als es nach au?en hin den Anschein hatte. Er kratzte sich den Kopf. Manner, die sich beim Nachdenken den Kopf kratzen, bruten gro?e Probleme aus. Als sich Caesar nachdenklich den Kopf gekratzt hatte, so sagt man, entschlo? er sich, bei Cleopatra zu bleiben. Vielleicht ware ein ganzer Teil Weltgeschichte anders verlaufen, wenn sich Caesar nicht gekratzt hatte.

«Gut«, sagte Dr. Portz nach einer Weile Kratzen, bei der ihn Peter Sacher nicht storte.»Ich werde Hubert Bornemeyer auf die Fahrte deiner Frau setzen. Fur gutes Essen wandert er bis Feuerland. «Er machte sich einige Notizen auf einem gro?en Block und blickte dann plotzlich hoch.»Ubrigens — wohin willst du denn fahren?!«

«Nach Paris.«

«Mir scheint, es wird notiger sein, dich beobachten zu lassen! Du nimmst die Eheferien aber ernst.«

«Bitte, damme deine Fantasie ein. «Sacher hob abwehrend die Hand.»Ich will endlich einmal Heinz wieder besuchen.«

«Unseren Heinz v. Kletow?«

«Genau den.«

Dr. Portz legte den Bleistift hart auf den Block zuruck.»Ist es nicht besser, ich reiche die Scheidung gleich ein? Schuldiger Teil: der Ehemann! Unkomplizierter Fall. Beweise werden in vier dicken Aktenbundeln geliefert.«

«Du bist heute ausgesprochen blod!«Peter warf sich wieder in den Ledersessel.»Am 8. Juli fahrt Sabine, am 10. fahre ich. Vorher komme ich noch einmal vorbei.«

«Hoffentlich geistig entrumpelt.«

«In spatestens drei Tagen mochte ich wissen, wo Sabine ihren Urlaub verbringt.«

«Auch die Kragenweite der Herren ihrer Begleitung?«

Ohne Antwort ergriff Peter seinen Hut, stulpte ihn auf den Kopf und verlie? unter Zurucklassung einer zuknallenden Tur das Buro. Drau?en in der Kanzlei winkte er dem Assessor Bornemeyer zu und zeigte zum Chefzimmer.»Herr Dr. Portz mochte ein Glas Milch haben.«

«Milch?«Hubert Bornemeyer sah entgeistert aus.»Wirklich Milch?«

«Ja. Ihm ist irgendwie unwohl.«

Eine vollig fassungslose Kanzlei verlassend, ging Peter Sacher die Treppen hinunter. Der Lehrling uberholte ihn mit gro?en Sprungen. Bornemeyer hatte ihn losgehetzt, eine Flasche Milch zu besorgen. Der Buchhalter mit dem Gallengesicht holte aus seinen Taschen einige Medikamentenschachteln und — rollen und baute sie auf seinem Tisch auf. Er war fur alle inneren Gebrechen versorgt. Es war immerhin moglich, da? der Chef irgendeine Pille brauchte. Das ganze Anwaltsburo wartete auf ein Zeichen von Dr. Portz. Als der Lehrling mit der Milch kam, warmte eines der Tippfrauleins sie etwas in einem Kessel hei?en Wassers an. Warme Milch ist fur einen Magen immer besser.

Unterdessen ging Peter Sacher die Alleestra?e entlang, bog in die Konigsallee ein und traf dort Sabine. Sie stand vor einem Modegeschaft und betrachtete blumengemusterte Bademantel. In der Hand trug sie einen neuen wei?en Koffer.

Er stellte sich hinter sie, beugte sich ein wenig uber ihre Schulter und flusterte ihr mit verstellter Stimme ins Ohr.

«Entzuckende Dame, darf ich Ihren Koffer tragen?!«

«Was erlauben Sie sich?!«Sabine schnellte herum. Ihre Augen spruhten vor Beleidigung.»Das ist…«Dann lachelte sie, als sie Peter erkannte, und hielt ihm den Koffer hin.»Aber bitte, mein Herr! Mich erschreckte nur das In-den-Nacken-Blasen Ihrer Stimme.«

Peter atmete tief auf.»Ich wollte dich nur an kommende, veranderte Situationen gewohnen«, sagte er gepre?t.»In wenigen Tagen wird man dir ganz andere Dinge sagen. Mein Gott, wird man dich belugen! Du solltest dich in den richtigen Antworten uben. «Er nahm den wei?en Koffer und schwenkte ihn betrachtend durch die Luft.»Du willst an die See fahren?«

«Wieso denn See?«Ihre gro?en, dunklen Augen waren voll Geheimnis.

Sie sind mir sechs Jahre lang nicht mehr so aufgefallen, dachte Peter Sacher. Damals waren es zuerst ihre Augen, die mir auffielen. Sie stand in der modernen Gemaldegalerie und betrachtete ein abstraktes Gemalde. Als er sich rausperte, hatte sie ihn kurz angeblickt, und dabei waren ihm ihre Augen aufgefallen.»Konnen Sie sich etwas dabei denken?«hatte sie gefragt und auf das abstrakte Bild gedeutet. Er hatte nur ihre Augen gesehen und ernsthaft genickt.»Jetzt ja«, hatte er geantwortet.»Es hat jetzt einen Sinn bekommen.«

Peter schuttelte die Gedanken ab. Jetzt standen sie auf der Konigsallee, Sabine hatte einen wei?en Koffer gekauft, sie wollte anscheinend an die See fahren, allein, weg von ihm. So wandeln sieben Jahre die Betrachtungsweise.

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