Atem an.
Der Blitz hatte ihnen das Gesicht des Mannes als scharfes Relief gezeigt, und es war ein Gesicht, wie Harry noch nie eines gesehn hatte. Es wirke, als ware es aus einem Stuck verwitterten Holzes geschnitzt, von jemandem, der nur eine ganz dunkle Ahnung von einem menschlichen Gesicht hatte und nicht allzu kunstfertig mit dem Breitel umgehen konnte. Jeder Zentimeter seiner Haut schien vernarbt zu sein, Der Mund war eine klaffende Wunde, die sich schrag uber das Gesicht zog, und ein gro?es Stuck der Nase fehlte. Doch es waren die Augen des Mannes, die einem wirklich Angst einjagten.
Das eine war eine kleine, dunkle Perle. Das andere war gro?, rund wie eine Munze und von einem leuchtend stahlernen Blau. Das blaue Auge bewegte sich unablassig, ohne Lidschlag, rollte nach oben, nach unten, zur Seite, ganz unabhangig vom normalen Auge – und dann drehte es sich ganz nach hinten und blickte in den Kopf des Mannes hinein, so da? sie nur noch das Wei?e des Augapfels sehen konnten.
Der Fremde trat nun vor Dumbledore. Er streckte die Hand aus, die genauso schwer vernarbt war wie sein Gesicht, Dumbledore schuttelte sie und murmelte ein paar Worte, die Harry nicht verstand. Er schien den Fremden nach etwas zu fragen, der jetzt ohne ein Lacheln den Kopf schuttelte und mit gedampfter Stimme antwortete. Dumbledore nickte und bot dem Mann den leeren Platz neben sich an.
Der Fremde setzte sich, warf die grauwei?en Haare aus dem Gesicht, zog einen Teller Wurste zu sich her, hob sie zum Rest seiner Nase hoch und beschnuffelte sie. Dann zog er ein kleines Messer aus der Tasche, spie?te damit eine Wurst auf und begann zu essen. Sein normales Auge ruhte auf den Wursten, doch das blaue Auge huschte immer noch ruhelos in seiner Hohle umher und musterte die Halle und die Schuler.
»Ich mochte euch euren neuen Lehrer fur Verteidigung gegen die dunklen Kunste vorstellen«, sagte Dumbledore strahlend in das Schweigen hinein.»Professor Moody.«
Normalerweise wurden neue Lehrer mit Beifall begru?t, doch kein Lehrer und auch kein Schuler ruhrte die Hand, mit Ausnahme von Dumbledore und Hagrid. Beide klatschten, doch in der Stille klang es klaglich, und sie horten schnell wieder auf. Alle anderen schienen so gebannt von Moodys au?ergewohnlicher Erscheinung, da? sie ihn nur anstarren konnten.
»Moody?«, wisperte Harry Ron zu.»Mad-Eye Moody? Dem dein Dad heute Morgen zu Hilfe gekommen ist?«
»Das mu? er sein«, sagte Ron mit leiser, beeindruckter Stimme.
»Was ist denn mit dem los?«, flusterte Hermine.»Was ist mit seinem Gesicht passiert?«
»Keine Ahnung«, flusterte Ron, der Moody immer noch fasziniert anstarrte.
Moody schien sein wenig uberschwanglicher Empfang nicht im Mindesten zu storen. Ohne den Krug mit Kurbissaft vor sich zu beachten, steckte er die Hand abermals in seinen Reiseumhang, zog einen Flachmann heraus und nahm einen kraftigen Schluck. Als er den Arm hob, um zu trinken, verrutschte sein Umhang ein wenig, und Harry sah unter dem Tisch einige Zentimeter seines geschnitzten Holzbeines, das in einem Klauenfu? endete. Dumbledore rausperte sich erneut.
»Wie ich eben erwahnte«, sagte er und lachelte dem Meer von Schulern zu, die immer noch gebannt Mad-Eye Moody anstarrten,»werden wir in den kommenden Monaten die Ehre haben, Gastgeber einer sehr spannenden Veranstaltung zu sein, eines Ereignisses, das seit uber einem Jahrhundert nicht mehr stattgefunden hat. Mit allergro?tem Vergnugen teile ich euch mit, da? dieses Jahr in Hogwarts das Trimagische Turnier stattfinden wird.«
»Sie machen Witze!«, sagte Fred Weasley laut.
Die Spannung, welche die Halle seit Moodys Ankunft erfullt hatte, entlud sich mit einem Schlag. Fast alle lachten und Dumbledore gluckste zufrieden.
»Ich mache keine Witze, Mr Weasley«, sagte er,»obwohl, da fallt mir ein, im Sommer habe ich einen kostlichen Witz gehort; ein Troll, eine Vettel und ein irischer Kobold gehen zusammen in die Kneipe -«
Professor McGonagall rausperte sich vernehmlich.
»Ahm – aber vielleicht ein andermal… nein…«, sagte Dumbledore.»Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, das Trimagische Turnier… nun, einige von euch werden nicht wissen, worum es bei diesem Turnier geht, und ich hoffe, da? die anderen mir verzeihen, wenn ich es kurz erklare, sie konnen ja inzwischen weghoren.
Das Trimagische Turnier fand erstmals vor etwa siebenhundert Jahren statt, als freundschaftlicher Wettstreit zwischen den drei gro?ten europaischen Zaubererschulen -Hogwarts, Beauxbatons und Durmstrang. Jede Schule wahlte einen Champion aus, der sie vertrat, und diese drei mu?ten im Wettbewerb drei magische Aufgaben losen. Die Schulen wechselten sich alle funf Jahre als Gastgeber des Turniers ab, und alle fanden, dies sei der beste Weg, personliche Bande zwischen jungen Hexen und Magiern verschiedener Lander zu knupfen – bis allerdings die Todesrate so stark zunahm, da? das Turnier eingestellt wurde.«
»Todesrate?«, flusterte Hermine mit alarmierter Miene. Doch ihre Beklemmung schien von der Mehrheit der Schuler in der Halle nicht geteilt zu werden; viele von ihnen tuschelten aufgeregt miteinander, und auch Harry wartete gespannt darauf, mehr uber das Turnier zu horen, und hatte keine Lust, sich uber Hunderte von Jahren zuruckliegende Todesfalle Gedanken zu machen.
»Es gab im Laufe der Jahrhunderte mehrere Versuche, das Turnier wieder einzufuhren«, fuhr Dumbledore fort,»doch keiner davon war sehr erfolgreich. Nun allerdings hat unsere Abteilung fur Magische Spiele und Sportarten beschlossen, da? die Zeit reif ist fur einen neuen Versuch. Den ganzen Sommer uber haben wir uns alle Muhe gegeben, dafur zu sorgen, da? diesmal kein Champion in todliche Gefahr geraten kann.
Die Schulleiter von Beauxbatons und Durmstrang werden mit ihren Kandidaten engerer Wahl im Oktober hier eintreffen und der Ausscheidungskampf fur die drei Champions wird an Halloween stattfinden. Ein unparteiischer Richter wird entscheiden, welche Schuler geeignet sind, im Trimagischen Turnier fur den Ruhm ihrer Schule anzutreten und das ausgesetzte Preisgeld von tausend Galleonen zu gewinnen.«
»Ich mach mit!«, zischte Fred Weasley, so da? es alle am Tisch horten, und er strahlte schon begeistert bei der Vorstellung so viel Ruhm und Reichtum ernten zu konnen. Er war offenbar nicht der Einzige, der sich bereits als Hogwarts-Champion sah. An jedem Haustisch sah Harry Schuler, die entweder traumverloren Dumbledore anstarrten oder fieberhaft mit ihren Nachbarn flusterten. Doch dann erhob Dumbledore erneut die Stimme, und die Halle verstummte.
»Zwar wei? ich, wie begierig ihr alle darauf seid, den Trimagischen Pokal fur Hogwarts zu holen«, sagte er,»doch die Leiter der teilnehmenden Schulen haben gemeinsam mit dem Zaubereiministerium beschlossen, in diesem Jahr eine Altersbegrenzung fur die Bewerber festzusetzen. Nur Schuler, die volljahrig sind – das hei?t siebzehn Jahre oder alter -, erhalten die Erlaubnis, sich am Wettbewerb zu beteiligen. Dies ist ein Schritt«- und Dumbledore sprach ein wenig lauter, denn bei diesen Worten hatten einige Schuler emport aufgeschrien und die Weasley-Zwillinge schienen plotzlich machtig zornig zu sein -»dies ist ein Schritt, den wir fur notwendig halten, denn die Turnieraufgaben sind schwierig und trotz aller Vorkehrungen nur unter Gefahr zu losen, und es ist hochst unwahrscheinlich, da? Schuler unterhalb der sechsten Klassenstufe damit zurechtkommen. Ich personlich werde dafur sorgen, da? kein minderjahriger Schuler unseren unparteiischen Schiedsrichter hinters Licht fuhrt, um Hogwarts-Champion zu werden.«Seine hellblauen Augen huschten zwinkernd uber Freds und Georges rebellische Mienen.»Ich bitte euch daher, eure Zeit nicht mit einer Bewerbung zu verschwenden, wenn ihr noch nicht siebzehn seid.
Die Abordnungen aus Beauxbatons und Durmstrang werden im Oktober eintreffen und den gro?ten Teil des Jahres bei uns bleiben. Ich wei?, da? ihr unsere auslandischen Gaste mit gro?ter Herzlichkeit empfangen und den HogwartsChampion mit Leib und Seele unterstutzen werdet, sobald er oder sie ausgewahlt ist. Und nun ist es spat und ich wei?, wie wichtig es ist, da? ihr alle wach und ausgeruht seid, wenn ihr morgen in die Klassen geht. Schlafenszeit! Husch, husch!«
Dumbledore setzte sich und begann mit Mad-Eye Moody zu sprechen. Unter lautem Stuhlbeinscharren und Tischerucken erhoben sich die Schuler und schwarmten auf die Flugelturen der Eingangshalle zu.
»Das konnen sie nicht machen!«, sagte George Weasley, der sich dem Strom zur Tur nicht angeschlossen hatte, sondern nur da stand und Zornfunkelnd zu Dumbledore hochstarrte.»Im April werden wir siebzehn, warum durfen wir es nicht probieren?«
»Ich trete jedenfalls an, daran werden die mich nicht hindern«, sagte Fred verbissen und starrte ebenfalls mit finsterer Miene in Richtung Dumbledore.»Der Champion darf sicher alles Mogliche anstellen, was wir sonst nie tun durfen. Und tausend Galleonen Preisgeld!«
»Jaah!«, sagte Ron mit abwesendem Blick.»Jaah, tausend Galleonen…«
»Kommt jetzt«, sagte Hermine,»sonst sind wir noch die Letzten hier.«