seinen Entschlu? schon gefa?t – es war an der Zeit, seinen Stolz zu vergessen und herauszufinden, ob Cedrics ratselhafter Hinweis irgend etwas taugte.

Das Ei und das Auge

Da Harry keine Ahnung hatte, wie lange er baden mu?te, um das Geheimnis des goldenen Eis zu luften, beschlo? er, nachts zu gehen, wenn er sich so viel Zeit nehmen konnte, wie er brauchte. Es widerstrebte ihm zwar, einem weiteren Ratschlag von Cedric zu folgen, doch er entschied sich, das Bad der Vertrauensschuler zu benutzen. Nur wenige durften dort rein und so wurde er eher ungestort bleiben.

Harry plante seine Unternehmung mit Sorgfalt, denn schon einmal hatte ihn Filch, der Hausmeister, mitten in der Nacht aufgegriffen, als er sich verbotenerweise im Schlo? herumgetrieben hatte, und er hatte nicht das Bedurfnis, dies noch einmal zu erleben. Naturlich wurde der Tarnurnhang entscheidend sein, und als zusatzliche Vorkehrung wollte er die Karte des Rumtreibers mitnehmen, die neben dem Umhang das nutzlichste Werkzeug furs Regelbrechen war, das Harry besa?. Die Karte zeigte ganz Hogwarts, auch die vielen Abkurzungen und Geheimgange, und vor allem zeigte sie die Leute im Schlo? als winzige, beschriftete Punkte, die sich durch die Gange bewegten, so da? Harry gewarnt sein wurde, wenn sich jemand dem Badezimmer naherte.

Am Dienstagabend stahl sich Harry hoch in den Schlafsaal, warf sich den Tarnurnhang uber, schlich mach unten und wartete, wie in jener Nacht, als Hagrid ihn zu den Drachen gefuhrt hatte, bis sich das Portratloch offnete. Diesmal war es Ron, mit dem er sich abgesprochen hatte; er stand auf der anderen Seite des Portratlochs, sagte der fetten Dame das Pa?wort (»Bananeneis«), stieg in den Gemeinschaftsraum, murmelte Harry»viel Gluck«zu, und Harry schlupfte hinaus.

Heute Abend fiel es ihm schwer, sich mit dem Tarnurnhang zu bewegen, denn er trug das schwere Ei unter dem einen Arm und hielt sich mit dem anderen die Karte vor die Augen. Die mondbeschienenen Gange waren jedoch ausgestorben und still, und indem Harry gelegentlich anhielt und die Karte vorsorglich prufte, gelang es ihm, unliebsame Begegnungen zu vermeiden. Als er die Statue von Boris dem Bekloppten erreichte, einem ratlos in die Gegend schauenden Zauberer mit Handschuhen, bei denen er links und rechts verwechselt hatte, sah er die richtige Tur, neigte sich zu ihr und murmelte das Pa?wort»Pinienfrisch«, wie Cedric ihm gesagt hatte.

Knarrend offnete sich die Tur. Harry glitt hinein, schob den Riegel vor, zog den Tarnurnhang vom Kopf und sah sich um.

Sein erster Eindruck war, da? es sich durchaus lohnen wurde, Vertrauensschuler zu werden, nur um dieses Badezimmer benutzen zu durfen. Ein stattlicher kerzenbestuckter Kronleuchter tauchte das Bad in sein warmes Licht. Es war ganz aus Marmor, auch das in der Mitte des Raums eingelassene rechteckige Becken, das eher wie ein leerer Swimmingpool aussah. Rund hundert goldene Wasserhahne ragten aus den Seitenwanden des Beckens und in jedem Drehknopf war ein andersfarbener Juwel eingelassen. Auch ein Sprungbrett gab es hier. An den Fenstern hingen lange, wei?e Leinenvorhange; in einer Ecke fand sich ein gro?er Stapel flaumig weicher wei?er Badetucher, und an der Wand hing ein einzelnes, goldgerahmtes Gemalde. Darauf war eine blonde Meerjungfrau zu sehen, die tief schlafend auf einem Felsen lag und deren langes Haar bei jedem Schnarcher uber ihr Gesicht flatterte.

Harry legte seinen Umhang, das Ei und die Karte auf den Boden und ging, sich umsehend, auf das Becken zu, wobei seine Schritte von den Wanden widerhallten. Gewi?, dieses Bad war herrlich – und er hatte gro?e Lust, ein paar von diesen Wasserhahnen auszuprobieren -, doch nun, da er hier war, kam ihm der unangenehme Gedanke, da? Cedric ihn vielleicht auf den Arm genommen hatte. Wie um alles in der Welt sollte ihm dieses Bad helfen, das Geheimnis des Eis zu losen? Trotz allem legte er eines der flaumigen Tucher an den Rand des swimmingpoolgro?en Beckens, legte den Umhang, die Karte und das Ei dazu, kniete sich nieder und drehte ein paar Wasserhahne auf.

Sofort war ihm klar, da? jeder Wasserstrahl eine andere Sorte Schaumbad enthielt, aber es war Schaumbad, wie Harry es noch nie erlebt hatte. Aus einem Hahn blubberten rosa und blaue Blasen von Fu?ballgro?e, aus einem anderen quoll eiswei?er Schaum, so dicht und fest, da? Harry sicher war, er wurde ihn uber das Wasser tragen; aus einem dritten Hahn spruhten schwer parfumierte purpurne Wolken, die uber dem Wasser schweben blieben. Harry drehte eine Weile nach Lust und Laune an den Hahnen, und besonders einer gefiel ihm, dessen Strahl auf der Wasseroberflache abprallte und in gro?en Bogen daruber hinweghupfte. Als das tiefe Becken mit hei?em Wasser, feinem Schaum und machtigen Blasen gefullt war (was bei seiner Gro?e doch schnell gegangen war), drehte Harry alle Hahne zu, zog Morgenrock, Pyjama und Badeschlappen aus und lie? sich ins Wasser gleiten.

Es war so tief, da? seine Fu?e kaum den Boden beruhrten, und so schwamm er tatsachlich ein paar Runden, dann lehnte er sich an den Beckenrand, planschte ein wenig im Wasser und nahm das Ei unter die Lupe. So toll es auch war, im hei?en und schaumigen Wasser durch wabernde bunte Dampfwolken zu schwimmen, es hatte ihn kein Geistesblitz getroffen, noch war ihm plotzlich etwas wie Schuppen von den Augen gefallen.

Harry streckte die Arme aus, hob das Ei mit nassen Handen hoch und offnete es. Das klagende, kreischende Larmen erfullte das Bad und hallte zitternd von den Marmorwanden wider, doch es klang so unbegreiflich wie immer, und im Gewirr der Echos vielleicht noch ratselhafter. Aus Sorge, der Larm konnte Filch auf den Plan rufen, wie es Cedric vielleicht sogar beabsichtigt hatte, lie? er das Ei wieder zuschnappen – und dann schrak er so heftig zusammen, da? er das Ei fallen lie?. Scheppernd rollte es uber den Marmorboden davon. Jemand sprach.

»Ich wurde es einfach mal ins Wasser legen, wenn ich du ware.«

Harry hatte vor Schreck eine betrachtliche Menge Seifenblasen geschluckt. Prustend richtete er sich auf und sah den Geist eines sehr verdrossen aussehenden Madchens mit ubergeschlagenen Beinen auf einem der Wasserhahne sitzen. Es war die Maulende Myrte, die man normalerweise im Abflu?rohr eines Klos drei Stockwerke weiter unten schluchzen horen konnte.

»Myrte!«, sagte Harry emport.»Ich – ich hab uberhaupt nichts an!«

Der Schaum war so dicht, da? es kaum eine Rolle spielte, aber er hatte das unangenehme Gefuhl, da? Myrte ihn aus einem der Hahne heraus beobachtet hatte, schon seit er hereingekommen war.

»Ich hab die Augen geschlossen, als du reinkamst«, sagte sie und blinzelte ihn durch ihre dicken Brillenglaser an.»Du hast mich schon ewig nicht mehr besucht.«

»Jaah… nun…«, sagte Harry und ging ein wenig in die Knie, nur um vollkommen sicher zu sein, da? Myrte nichts als seinen Kopf sehen konnte,»ich darf doch eigentlich gar nicht in dein Klo. Es ist doch nur fur Madchen.«

»Fruher hat dich das nicht gestort«, schmollte Myrte.»Fruher bist du standig gekommen.«

Das stimmte, allerdings nur, weil Harry, Ron und Hermine festgestellt hatten, da? Myrtes kaputtes Klo der beste Platz war, um insgeheim einen Vielsaft-Trank zu brauen – einen verbotenen Zaubertrank, der Harry und Ron fur eine Stunde in lebende Abbilder von Crabbe und Goyle verwandelt hatte, als die sie sich dann in den Gemeinschaftsraum der Slytherins schmuggeln konnten.

»Ich hab Arger gekriegt, weil ich dort rein bin«, sagte Harry, was nur die halbe Wahrheit war; nur Percy hatte ihn einmal erwischt, wie er aus Myrtes Klo kam.»Danach dachte ich, ich la? es lieber bleiben.«

»Oh… verstehe…«, sagte Myrte und fingerte mit gramlicher Miene an einem dunklen Punkt auf ihrem Kinn herum.»Ja… wie auch immer… ich wurde das Ei mal ins Wasser legen. Das hat Cedric Diggory namlich getan.«

»Hast du den auch schon bespitzelt?«, sagte Harry entrustet.»Was treibst du hier eigentlich – schleichst dich abends einfach rein und siehst zu, wie die Vertrauensschuler baden?«

»Manchmal«, sagte Myrte verschmitzt,»aber bisher bin ich noch nie aus dem Versteck gekommen, um mit jemandem zu sprechen.«

»Das ehrt mich aber«, sagte Harry mit finsterer Miene.»Halt dir jetzt blo? die Augen zu!«

Er vergewisserte sich, da? Myrte ihre Brille gut verdeckt hatte, bevor er sich aus dem Wasser zog, das Badetuch fest um sich wickelte und dann das Ei holen ging.

Sobald er wieder im Wasser war, spahte Myrte durch ihre Finger hindurch und sagte:»Nun mach schon… offne es unter Wasser.«

Harry druckte das Ei unter die schaumige Wasseroberflache und offnete es… und diesmal war kein Klagen zu horen. Ein gegurgeltes Lied ertonte, ein Lied, dessen Text er durch das Wasser nicht verstehen konnte.

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