anderer brach jedes Mal bei ihrem Anblick zusammen… und niemand sonst horte im Kopf den Widerhall der Schreie von sterbenden Verwandten…
Denn Harry wu?te jetzt, wessen Stimme es war, die er gehort hatte. Er hatte sich ihre Worte wiederholt, immer und immer wieder in den nachtlichen Stunden im Krankenflugel, in denen er wach lag und auf die hellen Streifen starrte, die das Mondlicht an die Decke warf. Wenn sich die Dementoren naherten, horte er die letzten Momente im Leben seiner Mutter, ihre Versuche, ihn, Harry, vor Lord Voldemort zu schutzen, und Lord Voldemorts Gelachter, bevor er sie ermordete… Harry doste ein und schreckte immer wieder hoch, sank in Traume voll feuchtkalter, verrotteter Hande und grauenerfullten Flehens, er schreckte auf und kam nicht von der Stimme seiner Mutter los und wollte sie sich immer wieder in Erinnerung rufen.
Es war eine Erleichterung, am Montag ins larmende Getriebe der Schule zuruckzukehren, wo er gezwungen war, an andere Dinge zu denken, selbst wenn er Draco Malfoys Hanseleien uber sich ergehen lassen mu?te. Malfoy war ganz entzuckt vor Schadenfreude uber die Niederlage der Gryffindors. Endlich hatte er sich die Bandagen abgenommen und er feierte diesen Anla?, indem er Harrys Sturz vom Besen beschwingt nachspielte. Zudem verbrachte er einen Gro?teil ihrer nachsten Zaubertrankstunden mit Auftritten als Dementor im Kerker. Ron verlor schlie?lich die Nerven und warf ein gro?es, glitschiges Krokodilherz auf Malfoy, das ihn im Gesicht traf; daraufhin zog Snape den Gryffindors funfzig Punkte ab.
»Wenn Snape wieder Verteidigung gegen die dunklen Kunste gibt, melde ich mich krank«, sagte Ron nach dem Mittagessen auf dem Weg zu Professor Lupins Klassenzimmer.»Sieh erst mal nach, wer drin ist, Hermine.«
Hermine offnete die Tur einen Spaltbreit und spahte hinein.
»Du kannst kommen!«
Professor Lupin war wieder da. Deutlich mitgenommen sah er aus. Sein alter Umhang hing ihm noch schlaffer um die Schultern als sonst und er hatte dunkle Schatten unter den Augen; dennoch lachelte er sie an, als sie ihre Platze einnahmen, und die ganze Klasse brach sofort in einen Sturm von Beschwerden uber Snapes Verhalten wahrend Lupins Krankheit aus.
»Das ist nicht fair, er macht nur Vertretung, warum mu? er uns Hausaufgaben aufgeben?«
»Wir wissen doch nichts uber Werwolfe -«
»- zwei Rollen Pergament!«
»Habt ihr Professor Snape gesagt, da? wir Werwolfe noch nicht behandelt haben?«, fragte Lupin in die Runde und runzelte leicht die Stirn.
Das Gebrabbel brach wieder los.
»Ja, aber er sagte, wir seien weit zuruck -«
»- er wollte nichts davon horen -«
»- zwei Rollen Pergament!«
Professor Lupin lachelte angesichts der Entrustung auf den Gesichtern.
»Macht euch keine Sorgen, ich spreche mit Professor Snape. Den Aufsatz mu?t ihr nicht schreiben.«
»O nein«, sagte Hermine enttauscht.»Meiner ist schon fertig!«
Sie hatten eine recht vergnugliche Stunde. Professor Lupin hatte einen Glaskasten mit einem Hinkepank mitgebracht, einem kleinen einbeinigen Geschopf, das aussah, als bestunde es aus Rauchschwaden und ware recht schwachlich und harmlos.
»Der Hinkepank lockt Reisende in die Sumpfe«, sagte Professor Lupin, und die Klasse schrieb eifrig mit.»Seht ihr die Laterne, die er in der Hand hat? Er hupft voraus – die Leute folgen dem Licht – und dann -«
Der Hinkepank machte ein furchterlich quietschendes Gerausch am Glas.
Als es lautete, packten alle ihre Sachen ein und gingen zur Tur, auch Harry, doch -
»Wart einen Moment, Harry«, rief Lupin,»ich mochte kurz mit dir sprechen.«
Harry kam zuruck und sah Professor Lupin zu, wie er den Glaskasten des Hinkepanks mit einem Tuch abdeckte.
»Ich hab von dem Spiel gehort«, sagte Lupin, wandte sich zum Pult um und steckte die Bucher in seine Mappe,»und es tut mir Leid wegen deines Besens. Gibt es eine Moglichkeit, ihn zu reparieren?«
»Nein«, sagte Harry.»Der Baum hat ihn zu Kleinholz verarbeitet.«
Lupin seufzte.
»Sie haben die Peitschende Weide in dem Jahr gepflanzt, als ich nach Hogwarts kam. Wir haben damals aus Jux versucht ihr so nah wie moglich zu kommen und den Stamm zu beruhren. Schlie?lich hat ein junge namens Davey Gudgeon fast ein Auge verloren und wir durften dann nicht mehr in ihre Nahe. Wird Zeit, da? sie ausgerissen wird… Ich werd mal mit Professor Dumbledore reden…«
»Haben Sie auch von den Dementoren gehort?«, uberwand sich Harry zu fragen.
Lupin warf ihm einen raschen Blick zu.
»Ja, hab ich. Ich glaube, keiner von uns hat Professor Dumbledore jemals so wutend gesehen. Sie sind schon seit einiger Zeit ungehalten… verargert, weil er sich weigert, sie auf das Gelande zu lassen ich vermute, da? du ihretwegen abgesturzt bist?«
»Ja«, sagte Harry. Er zogerte, und dann brach die Frage, die ihm auf der Zunge lag, unwillkurlich aus ihm heraus.»Warum? Warum bin ich so anfallig fur sie? Bin ich schlicht und einfach -?«
»Es hat nichts mit Schwache zu tun«, sagte Professor Lupin scharf, als ob er Harrys Gedanken lesen konnte.»Die Dementoren greifen dich starker an als die andern, weil es schreckliche Ereignisse in deiner Vergangenheit gibt, die die andern nicht erlebt haben.«
Ein Strahl der Wintersonne fiel ins Klassenzimmer und beleuchtete Lupins graue Haare und die Furchen auf seinem jungen Gesicht.
»Dementoren gehoren zu den ubelsten Kreaturen, die auf der Erde wandeln. Sie bruten an den dunkelsten, schmutzigsten Orten, sie schaffen Zerfall und Verzweiflung, sie saugen Frieden, Hoffnung und Gluck aus jedem Menschen, der ihnen nahe kommt. Wenn sie konnen, nahren sie sich so lange von ihm, bis er ahnlich wie sie selbst wird… seelenlos und bose. Selbst Muggel spuren ihre Anwesenheit, auch wenn sie sie nicht sehen konnen. Wenn du einem Dementor zu nahe kommst, saugt er jedes gute Gefuhl, jede gluckliche Erinnerung aus dir heraus. Und dir bleiben nur die schlimmsten Erfahrungen deines Lebens.
Und das Schlimmste, was dir passiert ist, Harry, wurde jeden anderen ebenfalls vom Besen hauen. Du brauchst dich dessen nicht zu schamen.«
»Wenn sie mir nahe kommen -«, Harry starrte mit zugeschnurter Kehle auf Lupins Pult,»kann ich horen, wie Voldemort meine Mutter ermordet.«
Lupin machte eine jahe Bewegung mit dem rechten Arm, als wollte er Harry an der Schulter packen, doch er besann sich. Einen Augenblick schwiegen beide, dann -
»Warum mu?ten sie ausgerechnet zum Spiel kommen?«, sagte Harry verbittert.
»Sie werden langsam hungrig«, sagte Lupin kuhl und verschlo? mit einem Klicken seine Mappe.»Dumbledore will sie nicht in die Schule lassen, also sind ihre Vorrate an menschlicher Beute aufgebraucht… Ich vermute mal, sie konnten der gro?en Menschenmenge um das Quidditch-Feld nicht widerstehen. All die Aufregung… die aufgepeitschten Gefuhle… so stellen sie sich ein Festessen vor.«
»Askaban mu? schrecklich sein«, murmelte Harry.
Lupin nickte grimmig.
»Die Festung ist auf einer kleinen Insel gebaut, weit drau?en im Meer, doch sie brauchen keine Mauern und kein Wasser, um die Gefangenen an der Flucht zu hindern, nicht, wenn sie alle in ihren Kopfen gefangen sind, unfahig, einen zuversichtlichen Gedanken zu fassen. Die meisten werden nach ein paar Wochen verruckt.«
»Aber Sirius Black ist ihnen entkommen«, sagte Harry langsam.»Er ist