Doch als er das Geschopf mit zitternden Fingern beruhren wollte, verschwand es.
Harry blieb mit ausgestreckter Hand stehen. Dann – und schon wollte ihm das Herz zerspringen – horte er hinter sich Hufgetrappel. Er wirbelte herum und sah Hermine auf ihn zuspringen, Seidenschnabel im Schlepptau.
»Was hast du getan?«, sagte sie und schaumte vor Wut.»Du wolltest doch nur Ausschau halten!«
»Ich hab gerade unser aller Leben gerettet…«, sagte Harry.»Komm – hinter diesen Busch – ich erklar's dir.«
Er schilderte, was geschehen war, und Hermine lauschte abermals mit offenem Mund.
»Hat dich jemand gesehen?«
»Ja, hast du denn nicht zugehort? Ich hab mich gesehen! Es ist gut jetzt!«
»Harry, ich kann's nicht glauben… du hast einen Patronus heraufbeschworen, der all diese Dementoren verjagt hat! Das ist sehr weit fortgeschrittene Zauberei…«
»Ich wu?te, da? ich es diesmal schaffen wurde«, sagte Harry,»weil ich es schon einmal geschafft hatte… red ich Unsinn?«
»Ich wei? nicht – Harry, da druben ist Snape!«
Sie lugten hinter dem Busch hervor auf die andere Seite. Snape war zu sich gekommen. Er zauberte Tragen herbei und hievte die leblosen Gestalten von Harry, Hermine und Black hoch. Eine vierte Trage, zweifellos mit Ron, schwebte bereits neben ihm. Dann, mit ausgestrecktem Zauberstab, lie? er sie zum Schlo? emporschweben.
»Gut, bald ist es so weit«, sagte Hermine angespannt und warf einen Blick auf ihre Uhr.»Wir haben eine drei viertel Stunde, bis Dumbledore die Tur zum Krankenflugel abschlie?t. Wir mussen Sirius retten und im Krankensaal zuruck sein, bevor jemand merkt, da? wir fehlen…«
Beim Warten sahen sie den Wolken zu, die sich im See spiegelten, wahrend der Busch vor ihnen in der Brise wisperte. Seidenschnabel langweilte sich und stocherte wieder nach Wurmern.
»Meinst du, er ist schon dort oben?«, sagte Harry und sah auf die Uhr. Er sah hoch zum Schlo? und zahlte die Fenster rechts vom Westturm ab.
»Schau!«, flusterte Hermine.»Wer ist das? Da kommt jemand aus dem Schlo?!«
Harry spahte durch die Nacht. Der Mann eilte uber das Gelande auf einen der Eingange zu. Etwas Metallenes schimmerte an seinem Gurtel.
»Macnair!«, sagte Harry.»Der Henker! Er holt die Dementoren! Wir mussen los, Hermine!«
Hermine legte die Hande auf Seidenschnabels Rucken und Harry half ihr, sich aufzuschwingen. Dann stellte er den Fu? auf einen niedrigen Ast und kletterte selbst hoch. Er zog Seidenschnabel die Leine um den Hals und befestigte sie wie Zugel oben am Kummet.
»Fertig?«, flusterte er Hermine hinter ihm zu.»Du haltst dich am besten an mir fest -«
Mit den Fersen stie? er Seidenschnabel sanft in die Seiten.
Seidenschnabel flatterte muhelos hoch in den dunklen Himmel. Harry pre?te die Knie gegen seine Flanken und spurte, wie sich die gro?en Flugel neben ihnen kraftvoll spannten. Hermine klammerte sich fest um Harrys Hufte; er konnte sie murmeln horen,»O nein – das ist nichts fur mich – o nein, das ist wirklich nichts fur mich -«
Harry trieb Seidenschnabel zur Eile. Sie schwebten leise hinauf zu den oberen Stockwerken des Schlosses… Harry zog die Leine heftig nach links und Seidenschnabel folgte ihm. Harry versuchte die vorbeifliegenden Fenster zu zahlen -
»Oha!«, sagte er und ri? mit aller Kraft an der Leine.
Seidenschnabel flog langsamer und dann blieben sie in der
Luft stehen, wenn man davon absah, da? sie auf- und abhupften, weil Seidenschnabel mit den Flugeln schlagen mu?te, um oben zu bleiben.
»Er ist da!«, sagte Harry, der Sirius gesehen hatte, als sie vor seinem Fenster auftauchten. Er streckte die Hand mit dem Zauberstab aus und konnte beim nachsten Flugelschlag gegen das Glas schlagen.
Black blickte auf Harry sah, wie ihm die Kinnlade herunterfiel. Black sprang vom Stuhl, sturzte zum Fenster und wollte es offnen, doch es war verschlossen.
»Zurucktreten!«, rief ihm Hermine zu. Mit der linken Hand klammerte sie sich an Harrys Umhang fest, mit der rechten zuckte sie den Zauberstab.
»Alohomora!«
Das Fenster sprang au?
»Wie… wie?«, fragte Black erschopft und starrte den Hippogreif an.
»Steig auf Wir haben keine Zeit zu verlieren«, sagte Harry und packte Seidenschnabel fest an der einen Seite seines schlanken Halses, um ihn ruhig zu halten.»Du mu?t fliehen – die Dementoren kommen – Macnair holt sie.«
Black hielt sich an beiden Seiten des Fensters fest und zog Kopf und Schultern ins Freie. Ein Gluck, da? er so mager war. In Sekundenschnelle gelang es ihm, ein Bein uber Seidenschnabels Rucken zu schwingen und sich hinter Hermine auf den Hippogreif zu ziehen.
»Gut gemacht, Seidenschnabel, und jetzt hoch -«, sagte Harry und schlackerte mit der Leine.»Hoch zum Turm – mach schon!«
Mit einem Schlag seiner machtigen Flugel rauschten sie davon, hoch bis zur Spitze des Westturms. Seidenschnabel landete hufklappernd auf den Zinnen und Harry und Hermine lie?en sich sofort heruntergleiten.
»Sirius, du verschwindest am besten, schnell«, keuchte Harry.»Sie werden jeden Moment in Flitwicks Buro kommen und sehen, da? du fort bist.«
Seidenschnabel scharrte auf dem Boden und warf seinen scharfen Kopf hin und her.
»Was ist mit dem anderen Jungen passiert? Mit Ron?«, krachzte Sirius.
»Er wird sich wieder erholen – ist immer noch au?er Gefecht, aber Madam Pomfrey sagt, sie wird ihn schon wieder hinkriegen – schnell – flieh -«
Doch Black starrte Harry unverwandt an.
»Wie kann ich dir jemals danken -«
»Flieh!«, riefen Harry und Hermine aus einem Mund.
Black warf Seidenschnabel herum und sah in den offenen Himmel.
»Wir sehen uns wieder«, sagte er.»Du bist – ganz der Sohn deines Vaters, Harry…«
Er druckte die Fersen in Seidenschnabels Seiten; Harry und Hermine sprangen zuruck, und die gewaltigen Flugel hoben sich von neuem… der Hippogreif stieg in den Nachthimmel… Harry sah ihnen nach, wie sie kleiner und kleiner wurden… dann schob sich eine Wolke vor den Mond… fort waren sie.
Noch einmal Eulenpost
»Harry!«
Hermine zupfte ihn am Armel und starrte auf die Uhr.»Wir haben genau zehn Minuten, um in den Krankenflugel runterzukommen, bevor Dumbledore die Tur schlie?t – und keiner darf uns sehen!«
»Okay«, sagte Harry und wandte sich widerwillig vom Nachthimmel ab,»gehen