Um Viertel vor elf fuhren sie am Bahnhof King's Cross vor. Mr Weasley rannte uber die Stra?e und holte Gepackkarren und im Laufschritt sturmten sie in die Schalterhalle.
Harry war schon vor einem Jahr mit dem Hogwarts-Express gefahren. Der Trick dabei war, da? sie zu Gleis neundreiviertel kommen mu?ten, einem Gleis, das Muggelaugen nicht sehen konnten. Dazu war es notig, durch die Absperrung zu gehen, die die Bahnsteige neun und zehn trennte. Weh tat es nicht, aber sie mu?ten aufpassen, da? kein Muggel sie verschwinden sah.
»Percy geht als Erster«, sagte Mrs Weasley und blickte nervos auf die Uhr uber ihren Kopfen, nach der sie nur noch funf Minuten Zeit hatten, um lassig hinter der Absperrung zu verschwinden.
Percy marschierte unerschrocken los und verschwand. Mr Weasley ging als Nachster, Fred und George folgten ihm.
»Ich nehm Ginny mit und ihr beide folgt uns dann«, sagte Mrs Weasley zu Harry und Ron, nahm Ginnys Hand und machte sich auf den Weg. Einen Augenblick spater waren sie verschwunden.
»La? uns zusammen gehen, wir haben nur noch eine Minute«, sagte Ron zu Harry.
Harry vergewisserte sich, da? Hedwigs Kafig verschlossen und der Koffer sicher festgezurrt war, und drehte seinen Gepackwagen zur Absperrung hin. Er fuhlte sich vollig sicher; das war bei weitem nicht so beschwerlich wie die Sache mit dem Flohpulver. Beide beugten sich tief uber die Handgriffe ihrer Karren und schritten zielstrebig auf die Absperrung zu, langsam schneller werdend – ein paar Meter noch, sie begannen zu rennen -
SCHEPPER.
Beide Karren knallten gegen die Absperrung und prallten zuruck; mit lautem Krachen fiel Rons Koffer herunter, Harry verlor den Halt, der Kafig mit Hedwig purzelte auf den blank gewienerten Boden und emport kreischend schlitterte sie davon; die Leute um sie her starrten sie an und ein Wachmann in der Nahe rief.»Was zum Teufel denkt ihr euch eigentlich dabei?«
»Hatten die Karre nicht mehr im Griff«, keuchte Harry und richtete sich auf, die Hande an die Rippen gepre?t; Ron sturzte los, um Hedwig zu holen, die ein solches Theater veranstaltete, da? einige Umstehende von Tierqualerei zu munkeln begannen.
»Warum kommen wir nicht durch?«, zischelte Harry.
»Keine Ahnung -«
Ron blickte sich hastig um. Noch immer verfolgte sie ein Dutzend Neugierige mit ihren Blicken.
»Wir verpassen noch den Zug«, flusterte Ron,»ich wei? nicht, warum das Tor sich verschlossen hat -«
Harry sah mit einem flauen Gefuhl in der Magengegend zu der riesigen Uhr hoch. Zehn Sekunden… neun Sekunden…
Er schob seinen Karren vorsichtig weiter, bis er direkt vor der Absperrung stand, und druckte dann mit aller Kraft. Das Eisen gab nicht nach.
Drei Sekunden… zwei Sekunden… eine Sekunde…
»Er ist weg«, sagte Ron mit verbluffter Stimme.»Der Zug ist fort. Was ist, wenn Mum und Dad nicht zu uns zuruckkonnen? Hast du Muggelgeld?«
Von Harry kam ein holzernes Lachen.»Die Dursleys haben mir seit gut sechs Jahren kein Taschengeld mehr gegeben.«
Ron druckte ein Ohr gegen die kalte Barriere.
»Nichts zu horen«, sagte er angespannt.»Was sollen wir blo? machen? Ich wei? nicht, wie lange Mum und Dad brauchen, um zuruckzukommen.«
Sie sahen sich um. Noch immer wurden sie beobachtet, kein Wunder, denn Hedwig kreischte unablassig.
»Ich glaube, wir gehen lieber raus und warten beim Auto«, sagte Harry,»wir sind zu auffall…«
»Harry!«, sagte Ron mit leuchtenden Augen,»der Wagen?«
»Was ist damit?«
»Wir konnen mit dem Wagen nach Hogwarts fliegen«
»Aber ich dachte -«
»Wir stecken in der Klemme, oder? Und wir mussen doch zur Schule? Und selbst minderjahrige Zauberer durfen in einem echten Notfall zaubern, Abschnitt neunzehn oder so des Erlasses zur Beschrankung des Wei?ichnichtwas…«
Harrys Panik verwandelte sich jah in Begeisterung.
»Kannst du ihn fliegen?«
»Kein Problem«, sagte Ron und drehte seinen Karren in Richtung Ausgang.»Komm, la? uns gehen, wenn wir uns beeilen, konnen wir dem Hogwarts-Express folgen.«
Und sie marschierten los, mitten durch die Schar der neugierigen Muggel, hinaus aus dem Bahnhof und hinein in die Seitenstra?e, wo der alte Ford Anglia geparkt war.
Ron offnete den geraumigen Kofferraum mit ein paar sanften Stupsern seines Zauberstabs. Sie hievten ihre Koffer hinein, stellten Hedwig auf dem Rucksitz ab und stiegen ein.
»Pa? auf, da? niemand zuschaut«, sagte Ron und zundete den Motor mit einem weiteren leichten Stupser des Zauberstabs. Harry steckte den Kopf aus dem Fenster: uber die Hauptstra?e vorn rollte larmender Verkehr, doch ihre Stra?e war leer.
»Alles klar«, sagte er.
Ron druckte auf einen kleinen silbernen Knopf am Armaturenbrett. Der Wagen um sie her verschwand – und sie mit ihm. Harry spurte den Sitz unter sich erzittern, horte den Motor, fuhlte seine Hande auf den Knien und seine Brille auf der Nase, doch nach allem, was er sehen konnte, war er nur noch ein Augenpaar, das in einer schabigen Stra?e voll geparkter Autos einen Meter uber dem Boden schwebte.
»Los geht's«, sagte Rons Stimme zu seiner Rechten.
Und die Stra?e und die schmutzigen Gebaude versanken zu beiden Seiten, als der Wagen sich in die Lufte erhob; ein paar Sekunden spater lag die gro?e Stadt London glitzernd unter ihnen.
Dann horten sie ein lebhaftes Knattern und der Wagen, Harry und Ron tauchten wieder auf.
»O nein«, sagte Ron und hammerte auf den Knopf fur den Unsichtbarkeits- Servoantrieb ein,»er ist kaputt!«
Beide fummelten an dem Knopf herum. Der Wagen verschwand und kam gleich wieder flackernd zum Vorschein.
»Halt dich fest!«, rief Ron und druckte das Gaspedal durch; sie schossen hinein in die tief hangende flaumige Wolkendecke, und um sie her war nun alles trube und feucht.
»Was nun?«, fragte Harry und spahte verdutzt durch die dichte Wolkenmasse.
»Wir mussen den Zug finden, damit wir wissen, in welche Richtung wir fliegen sollen«, sagte Ron.
»Wieder runter, schnell«
Sie tauchten hinab unter die Wolkendecke und schauten durch die Fenster auf die Erde.
»Ich kann ihn sehen!«, rief Harry,»dort – direkt vor uns«
Der Hogwarts-Express glitt vor ihnen dahin wie eine scharlachrote