Azzie nahm den Preis entgegen und wendete ihn hin und her. Er war wirklich sehr hubsch. Zwar war es nicht der Hauptpreis, den die Machte des Guten trotz des Fiaskos mit ihrer Kathedrale au?er Konkurrenz gewonnen hatten, aber er wurde sich sehr gut auf seinem Kaminsims machen.
»Also, vielen Dank, junger Damon«, sagte Azzie. »Ich nehme an, es ist so eine Art Trostpreis, aber ich freue mich trotzdem. Und du bewunderst mich tatsachlich?«
»Das ist richtig«, bestatigte das Namenlose Grauen, und dann sang es ein paar Strophen einer vollkommen uberzogenen Lobeshymne, die jedem anderen Geschopf peinlich gewesen ware. Azzie jedoch, der sich nicht von Selbstzweifeln storen lie? – nur von den Unzulanglichkeiten anderer –, war daruber sehr erfreut.
»Ich danke dir, Namenloses Grauen«, sagte er. »Ich nehme den Preis an. Bitte richte dem Komitee aus, da? ich mich geschmeichelt fuhle. Und nun geh und tu Boses!«
»Ich habe gehofft, da? Sie das sagen wurden«, erwiderte das Ding und machte sich auf den Weg.
KAPITEL 3
Es war sehr schon, den Preis verliehen bekommen zu haben, aber das sollte noch nicht alles gewesen sein. Kurz darauf begann das Licht um das Anwesen in Augsburg heller zu strahlen.
»Was, zur Holle, ist das nun schon wieder?« murmelte Azzie. Er war gar nicht glucklich uber all diese Storungen, die ihn daran hinderten, sich in eine wirklich miese Stimmung zu versetzen.
Die Erscheinung lie? sich Zeit damit, Gestalt anzunehmen. Azzie mu?te ziemlich lange warten, bis sie sich schlie?lich zu Babriel verfestigte.
»Heil, Azzie!« rief Babriel. Er war noch genauso gro? und blond und sah nicht weniger damlich als bei ihrer letzten Begegnung aus.
»Ja, ja, Heil und so weiter und so fort«, erwiderte Azzie. »Ich nehme an, Sie wollen noch ein bi?chen auf der Sache rumreiten, richtig?«
»Ganz und gar nicht. Wir sind nie schadenfroh.«
»Stimmt«, sagte Azzie, »und das macht Sie um so unausstehlicher.«
»Sie sind ein gro?er Witzbold«, gab Babriel zuruck. »Aber lassen Sie mich Ihnen erklaren, warum ich hier bin.«
»Wenn Sie wollen«, knurrte Azzie. »Das ist mir allerdings ziemlich egal.«
»Auf Grund der mir vom Komitee der Machte des Lichtes ubertragenen Vollmacht«, begann Babriel, der den Text von einer Schriftrolle ablas, die er aus den Falten seines wei?en Gewandes hervorgezogen hatte, »verleihen wir hiermit einen Sonderpreis der Machte des Lichtes an Azzie Elbub, seines Zeichens Damon, aber nicht endgultig verdammt, fur die guten Dienste, die er den Machten des Lichtes geleistet und mit denen er dazu beigetragen hat, da? wir das Recht erringen konnten, die Geschicke der Menschheit wahrend der nachsten tausend Jahre zu bestimmen.«
Mit diesen Worten zog er eine kleine Abbildung eines Engels von seiner Brust, die einen kranklichen wei?gelben Farbton, glitzernde blaue Augen und niedliche kleine Flugel hatte.
»Tja«, sagte Azzie, gegen seinen Willen geruhrt, »das ist sehr nett von den Machten des Lichtes. Wirklich sehr nett.« Er muhte sich redlich ab, noch irgend etwas Widerwartiges hinzuzufugen, doch dazu war er im Augenblick viel zu uberwaltigt. Er hatte Preise von den Machten des Lichtes und der Finsternis bekommen, und er war sich ziemlich sicher, da? er der erste war, dem gleich beide Seiten Auszeichnungen verliehen hatten.
Nachdem Babriel wieder verschwunden war, begann Azzie zu grubeln. Er stellte seine beiden Preise auf einen Tisch und betrachtete sie. Sie
Was er jetzt brauchte, war ein wenig Ruhe und – merkwurdig, da? ausgerechnet ihm so ein Gedanke kommen sollte – Hauslichkeit, bevor er seine Feinde einschrumpfte und sie Brigitte und ihrer Guillotine ubergab. Seine Gedanken wanderten weiter zu Ylith. Er hatte sie in letzter Zeit ziemlich vernachlassigt, weil er so sehr damit beschaftigt gewesen war, seinen Beitrag fur den Wettkampf zu organisieren. Aber der war jetzt vorbei.
Azzie dachte nach. Er konnte einen Urlaub vertragen. Es gab da einen hubschen Flecken in Indien, an den er sich erinnerte, wo Generationen von Meuchelmordern gearbeitet und jedes Jahr tausende Opfer getotet hatten. Ihr Trick bestand darin, sich unter die gro?en Pilgerzuge zu mischen. Die Meuchelmorder hatten einen besonderen Freizeitpark auf dem flachen Gipfel eines niedrigen Berges irgendwo nordlich des Ganges eingerichtet. Azzie war uberzeugt davon, ihn wiederfinden zu konnen. Es wurde Spa? machen, dort mit Ylith hinzufahren. Er erinnerte sich an das Freizeitangebot, das dort beim letzten Mal gemacht worden war: Kegeln mit Menschenschadeln, Krocket mit Giraffenhalsen, Tischtennis mit Augapfeln.
Ja, es wurde Zeit, da? er Ylith etwas Gutes tat.
KAPITEL 4
Genau in diesem Moment lautete die Turglocke. Es war der Postbote. Er lieferte einen riesigen Sack aus Pferdeleder ab, der etwa einen Meter lang war. Der Sack bewegte sich, und ein mitleiderregendes Stohnen drang aus ihm hervor.
»Wer ist das?« fragte Azzie.
»Ich bin es, Gebieter«, erklang Frikes erstickte Stimme aus dem Sack. »Meister, ich ware Euch wirklich sehr dankbar, wenn Ihr mich wieder zusammensetzen konntet.«
»Das werde ich auch tun«, versprach Azzie, »aber vorher habe ich noch etwas zu erledigen. Hast du Ylith gesehen?«
»Ich kann von hier drinnen aus uberhaupt nichts sehen«, erwiderte Frike. »Konntet Ihr mich – bitte – wiederherstellen?«
Irgend jemand sang in den oberen Stockwerken.
»Alles zu seiner
Er eilte die Treppe hinauf. Ja, Ylith sang ein Hexenlied, das schon beim Baubeginn der Pyramiden alt gewesen war. »Bist du da, Ylith?« rief er.
»Am Ende des Flurs!« rief sie zuruck.
Azzie lief zum zweiten Schlafzimmer, aus dem ihre Stimme gekommen war, und trat ein. Ylith war dabei, ihren Koffer zu packen. Sie sah blendend aus, aber irgend etwas an ihr schien sich verandert zu haben. Vielleicht ihr Teint? Ja, sie war eindeutig blasser geworden. Und ihre Augen, bisher schwarz wie die Nacht und kostlich finster, waren jetzt kornblumenblau.
»Ylith, was ist dir zugesto?en?« rief Azzie. »Hast du dich an etwas Gutem infiziert? Ich kenne mehrere Zauber und Mittel, um es zu heilen…«
»Mit mir ist alles in Ordnung, Azzie«, erwiderte Ylith. »Was du siehst, sind die sichtbaren Auswirkungen von Gluckseligkeit.«
»Aber was hat dich so glucklich gemacht?«
»Mein Lieber, ich wei? nicht, wie ich dir das erklaren soll…«
»Dann tu es lieber nicht«, sagte Azzie. »Wenn jemand mit diesen Worten anfangt, bedeutet das mit Sicherheit schlechte Nachrichten, und ich habe vorlaufig mehr als genug schlechte Nachrichten gehabt.«
»Was haltst du da in den Handen?« wollte Ylith wissen.
»Oh, das sind zwei Preise. Die eine von den Machten des Lichtes, die andere von den Machten der Finsternis. Man war wohl der Meinung, ich hatte sie verdient.«
»Azzie, das ist wunderbar!«
»Ja, sehr nett. Aber hor mir zu, Ylith. Ich habe nachgedacht. Ich habe dich in letzter Zeit nicht besonders gut behandelt, aber du wei?t ja, wie das ist, wenn man sich ernsthaft bemuht, Boses zu tun. Standig im Stre?. Also, ich habe dich zu lange links liegen lassen. Deshalb mochte ich jetzt mit dir in ein sehr schones kleines Hotel in Indien fahren. Zu dieser Jahreszeit ist es herrlich in Indien. Wir konnten faulenzen, uns vergnugen und eine gro?artige Zeit miteinander verbringen. Was sagst du dazu?«
»Ach, Azzie«, hauchte Ylith. »Wenn du wu?test, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, so etwas von dir zu horen.«
»Schon, jetzt hast du es gehort. Gut, da? du schon packst. Wir konnen sofort aufbrechen.«
»Schatz, ich sage es dir nicht gerne, aber ich liebe einen anderen.«
»Autsch!« stie? Azzie hervor und setzte sich, stand aber gleich wieder auf. »Nun, wer auch immer es ist, ich