murmelten einige leise.
Sie mu?ten nicht lange auf die Antwort warten.
Bevor irgend jemand etwas tun konnte, fegte ein Tornado aus der au?eren Realitat in den Saal. Er brullte, ri? und zerrte an der Festhalle, begleitet von einem schweren Regengu?. Den alteren Damonen und Engeln wurden die mit viel Muhe verfa?ten Redemanuskripte aus den Handen gerissen und in alle Richtungen zerstreut. Als nachstes regneten Tausende und Millionen von Froschen herab. Die Wande begannen Blut zu schwitzen, und unangenehme Lichterscheinungen machten sich breit. Und uber allem schwebte ein leises damonisches Gelachter – Azzies Gelachter –, wahrend er den Festsaal mit Gefahren, Scheu?lichkeiten und Schrecken heimsuchte.
Alles in allem war es ein hochst denkwurdiger Nachtisch.
KAPITEL 7
Brigitte spielte gerade mit ihrem Puppenhaus, als sie ein Gerausch hinter sich horte. Sie drehte sich langsam um und wollte schon eine Frage stellen, die aber sofort einem freudigen Quietschen Platz machte, als sie sah, wer dort stand, gro?, mit rotem Pelz und einem grausamen Lacheln auf den Lippen.
»Oh, hallo, Azzie! Wie geht es dir?«
»Sehr gut, Brigitte, danke«, erwiderte Azzie. »Und du siehst auch gut aus. Ich kann das Kratzen eines Stifts in einem der oberen Zimmer horen. Deshalb schatze ich, da? Thomas Scrivener seinem Namen gerecht wird und etwas von den Ereignissen aufschreibt, die ihm in letzter Zeit widerfahren sind.«
»Das macht er tatsachlich«, bestatigte Brigitte. »Aber er hat mir auch gesagt, da? er das Ende der Geschichte noch nicht kennt.«
»Es konnte ihn durchaus uberraschen«, sagte Azzie. »Ich glaube sogar, da? das Ende uns alle uberraschen konnte. Ha, ha, ha.«
»Du kicherst aber finster, Azzie«, stellte Brigitte fest. »Warum bist du gekommen?«
»Um dir ein Geschenk zu bringen, Kind«, antwortete Azzie.
»Ohhh! Zeig es mir!«
»Da ist es.« Azzie zog eine Schachtel aus wertvoller Pappe hervor, offnete sie und zeigte dem Madchen die kleine Guillotine.
»Oh, wie schon!« rief Brigitte freudig aus. »Es sieht wie das richtige Gerat aus, um meinen Puppen die Kopfe abzuhacken.«
»Das ist es auch«, versicherte Azzie. »Aber das solltest du wirklich nicht tun, weil du deine Puppen doch liebst und bestimmt furchtbar traurig warst, wenn sie keine Kopfe mehr hatten.«
»Du hast recht«, sagte Brigitte und begann, uber die Vorstellung dieses Verlusts zu schniefen. »Aber wie soll ich denn mit meiner neue Guillotine spielen, wenn ich meinen Puppen nicht die Kopfe abschneiden kann?« Sie sah sich um. »Vielleicht konnte ich einen der frischgeborenen Welpen nehmen…«
»Nein, Brigitte«, fiel ihr Azzie ins Wort. »Ich bin bose, aber ich bin nicht grausam zu Tieren. Fur Tierqualer ist eine ganz besondere Holle reserviert. Siehst du, mein Schatz, diese Spielzeuge mussen sehr vorsichtig und mit dem notigen Ernst behandelt werden.«
»Es macht aber keinen Spa?, wenn ich niemandem damit den Kopf abhacken kann«, beschwerte sich Brigitte.
Bisher entwickelte sich sein Plan perfekt, der auf der Spielart des Bosen beruhte, die man als niedertrachtig bezeichnet.
»Hor auf zu plarren«, sagte Azzie. »Ich werde dir etwas ganz Besonderes bringen.«
»Was denn?«
»Etwas, dem du den Kopf abhacken kannst.«
»Oh, Onkel Azzie!« Brigitte rannte zu ihm und umarmte ihn sturmisch. »Wann bekomme ich das?«
»Bald, mein Liebes, schon sehr bald. Und jetzt sei ein braves Madchen und spiel weiter. Es wird nicht lange dauern, dann bringt dir Onkel Azzie dein neues Geschenk.«
KAPITEL 1
Der Marchenprinz und Prinzessin Rosenrot richteten sich in einem bescheidenen Schlo? ein, das Aschenbrodel ihnen empfohlen hatte. Es lag in einer Gegend von gro?er Naturschonheit am Rhein. Wilde Rosen rankten sich um die Mauern. Der Marchenprinz verwandelte seinen Schild in eine Blumenschale fur duftende Krauter. Geister des Guten tanzten um ihren Herd. Erotische Geister wohnten in ihrem Schlafzimmer.
»Liebling?« klang Rosenrots Stimme auf. »Konntest du mal kurz kommen?«
Der Prinz blickte von seinem Garten auf, in dem er sich um das biologisch gezogene Gemuse kummerte.
»Wo bist du, Liebste?«
»Im Schlafzimmer.«
»Bin schon unterwegs.«
Hoch oben in der nordwestlichen Ecke des Zimmers offnete sich verstohlen ein Auge und sah zu, wie der Prinz seine Prinzessin in die Arme schlo?, sie ku?te und liebkoste. Und als sie auf das gro?e Daunenbett sanken, bewacht von sanftmutigen Geistern des Guten, die ihren Beitrag der glorreichen Jahrtausendwende feierten, beobachtete das Auge die Liebenden noch eine Weile. Es schlo? sich erst, als der Prinz Rosenrots Bluse aufschnurte und sie ihr uber den Kopf streifte.
KAPITEL 2
In seinem Anwesen in Augsburg schaltete Azzie sein allsehendes Auge ab, einen der letzten Gegenstande, den er sich aus der Abteilung fur Ausrustung und Zubehor besorgt hatte.
Plotzlich horte er drau?en ein Gerausch. Als er aus dem Fenster sah, erblickte er ein Namenloses Grauen, das die Auffahrt entlangging. Es hatte annahernd menschliche Gestalt, trug einen Arm in einer Schlinge und eine Augenklappe.
»Heil, Azzie«, gru?te das Namenlose Grauen.
»Heil auch dir, Namenloses Grauen«, erwiderte Azzie. »Du hast ungefahr funf Sekunden Zeit, mir zu sagen, warum du mich in meiner ehrfurchtgebietenden Einsamkeit storst, bevor ich dich mit einem Tritt in deinen formlosen Arsch hier raus befordere.«
In den Augenhohlen der Erscheinung gluhte es. Ihr Mund verzog sich zu der Annaherung eines Lachelns.
»Ah, ehrwurdiger Azzie, Sie sprechen genau so, wie ich es erwartet hatte! Wie sehr ich mich danach gesehnt habe, Sie kennenzulernen!«
»Was, zum Teufel, soll das alles?« wollte Azzie wissen.
»Ich bin Ihr gro?ter Bewunderer«, sagte das Grauen, »und ich hoffe, gro?e Taten in der Welt vollbringen zu konnen. Im Augenblick bin ich blo? ein einfacher Damonenlehrling, der namenlos grauenhafte Hilfsarbeiten verrichten mu?, aber ich wei?, da? diese Zeit vorbeigehen und mir der Status eines Volldamons verliehen werden wird. Und dann hoffe ich, genau wie Sie zu sein!«
»Das ist ja wohl ein Witz«, knurrte Azzie. Er lachte sardonisch, obwohl er sich gegen seinen Willen geschmeichelt fuhlte. »Ausgerechnet ich, der Versager, der Verlierer.«
»Sie sind nicht mehr ganz auf dem laufenden«, widersprach das Ding und verfestigte sich ein wenig, um seine Aussprache zu verbessern. »Die Machte der Finsternis haben beschlossen, Ihnen einen Sonderpreis zu verleihen.« Es ubergab Azzie eine kleine Schachtel. Der Damon offnete sie und entdeckte darin die kleine stilisierte Statuette eines Damons, die in scheu?lichem Orangerot angefertigt war. Nur die Augen waren grun gefarbt.
»Was fur ein Stuck Schrott soll das sein?« fragte er.
»Es ist der Sonderpreis fur die Beste Bose Tat des Jahrtausends.«
»Aber wofur?«
Das Namenlose Grauen zog eine Schriftrolle irgendwo aus den Tiefen seiner formlosen Kleidung hervor und begann vorzulesen: »Dieser Preis wird als Anerkennung fur eine meisterhafte Leistung wahrend des Banketts zum Anla? der Jahrtausendpreisverleihung vergeben, mit der besagter Azzie Elbub den Ablauf der Feierlichkeiten durch Abscheuliche Heimsuchungen storte und durcheinander brachte und so bewies, da? er trotz des verlorenen Hauptpreises, namlich des Rechts, die Geschicke der Menschheit wahrend der nachsten tausend Jahre zu bestimmen, die Unverfrorenheit und Dreistigkeit besitzt, die den wahren Arbeiter in den Weinbergen des Bosen auszeichnen.«