Und dann huschte ein Grinsen uber Frikes Gesicht, denn er kannte Excaliburs Schwachstelle. Es war ein wahnsinniges Damonenschwert, das auf ein bestimmtes Signal eines hollischen Meisters hin diesem gehorchte. Frike, auf den diese Bezeichnung mittlerweile hundertprozentig zutraf, wartete, bis sich die Schwerter wieder gekreuzt hatten, und rief dann: »Komm zu deinem Herrn und Meister, o machtiges Excalibur! Komm zu mir!«
»Ich denke nicht daran!« knurrte Excalibur und schlug ihm den rechten Arm ab.
»Ich befehle es dir!« schrie Frike, der in seiner berserkerhaften Raserei keinen Schmerz verspurte und mit seiner intakten – oder besser gesagt, mit seiner noch verbliebenen – Hand, der linken und finsteren, eine Streitaxt uber seinen Kopf wirbeln lie?.
»Aber Ihr habt es nicht auf Runisch gesagt«, erwiderte Excalibur und hackte, der kuhnen Ausholbewegung des Marchenprinzen gehorsam folgend, Frike auch den anderen Arm ab.
»Erspar mir diese damlichen Spitzfindigkeiten!« brullte Frike, der jetzt mit beiden Fu?en angriff, die mit tuckisch scharfen, sichelformig gebogenen Klingen bewehrt waren. »Im Namen der Alten Bosen beschwore ich dich, komm jetzt zu mir, und zwar auf der Stelle und ohne jedes weitere Palaver!«
»Nun, wenn es das ist, was Ihr begehrt«, rief Excalibur, »dann soll es so geschehen!« Und das gro?e schimmernde Schwert sprang dem Marchenprinzen aus der Hand, beschrieb einen kunstvollen Bogen durch die Luft, scho? mit der Spitze voran auf Frike zu und hielt erst wieder inne, als es seine Rustung durchbohrt hatte und auf der anderen Seite wieder hervorgetreten war. , »O weh, ich bin erledigt«, seufzte Frike.
Der Marchenprinz wirbelte herum, sah die Prinzessin mit flammenden Augen an und beschlo?, alle Zweifel endgultig aus der Welt zu schaffen.
»So gib mir denn noch einen letzten Ku?!« rief er. »Und dann erdolche mich nach Herzenslust, wenn du noch immer diesen Wunsch in dir verspurst. Denn kein Tod kann su?er sein als der, den die Geliebte bringt im Augenblick, der hochstes Gluck versprechen wurde, wenn das Geschick nur einen anderen Verlauf genommen hatte.«
»Ich werde dich mit Kussen uberschutten und dann mit tausend Kussen mehr, um dich fur alle Kusse zu entschadigen, die wir bisher getauscht!« erwiderte Rosenrot. »Sprich nicht vom Tod. Das ist vergangen und vorbei. Jetzt werden wir fur immer glucklich sein.«
Und so geschah es.
KAPITEL 6
Mondtau war ein junger Geist, dessen Sexualitat noch nicht erwacht war. Auch wenn man ihn als »er« bezeichnete, war er in geschlechtlicher Hinsicht ein Neutrum. Agrippa dagegen war ein alter Geist, der schon ziemlich viel erlebt hatte und mehr als nur ein bi?chen ausgelaugt war. Allerdings mochte er junge Geister, und vielleicht war es ein wenig sportlicher Ehrgeiz gewesen, der ihn dazu veranla?t hatte, Mondtau einzuladen. Ihm gefiel die naive Art, wie junge Geister reagierten. Das gab ihm so etwas wie ein Gefuhl der Uberlegenheit.
Sie erreichten den Nordeingang des Limbus’ punktlich zum Beginn der Jahrtausendpreisverleihungsfeier. Gemeinsam stiegen sie die Wolkentreppe empor, die zu dem Gebaude fuhrte, in dem das Bankett stattfand. Es ist nicht einfach, auf Wolken zu gehen, nicht einmal fur einen Damon. Schon nach kurzester Zeit begann Mondtau, sich zu beklagen.
»Ich habe die Lauferei satt«, sagte er. »La? uns fliegen.«
»Das ist nicht gestattet«, erwiderte Agrippa.
»Aber wir fliegen doch immer! Erinnerst du dich noch an dieses Flugspiel, das du mir beigebracht hast?«
»Bitte, la? uns hier nicht davon sprechen. Es hei?t, da? wir heute zu Ehren Adams, des Urahnen unserer Opfer, zu Fu? gehen sollen.«
»Adam, Schmadam«, norgelte Mondtau. »Ich mochte meine neuen Klamotten nicht verschwitzen.«
»Hor auf, dich zu beschweren«, sagte Agrippa.
Vor ihnen lag eine gro?e Wolkenwiese, die sich endlos wie eine Metapher auszudehnen schien. Korinthische Saulen unterstrichen das klassische Aussehen.
Die beiden Geister traten vor das Eingangstor. Ein Damon mit einer wei?en Perucke und beigen Seidenstrumpfen uberprufte Agrippas Einladung, indem er sie gegen das Licht hielt, um sich zu vergewissern, da? sie auch das richtige Wasserzeichen hatte. Die Jahrtausendpreisverleihung war ein derart wichtiges gesellschaftliches Ereignis, da? viele spirituelle Wesen versuchten, sich mit Lugen und gefalschten Papieren hineinzuschmuggeln. Zum Gluck besa? Agrippa hervorragende Verbindungen zum Hohen Damonenrat, fur dessen Mitglieder er Parties schmi? und literarische Soireen veranstaltete, und so hatte er fur sich und seinen Freund Platze fur das Bankett organisieren konnen.
Der Tursteher hatte sich von Gultigkeit der Einladung uberzeugt und lie? die beiden passieren.
Im Bankettsaal kamen sie zu einem Tisch, der so lang war, da? sein Anfang und Ende au?er Sichtweite lagen. Glucklicherweise befanden sich ihre Platze halbwegs in der Mitte, durch kleine Namensschilder in Form von Papierfahnchen gekennzeichnet, die in Pampelmusen steckten.
Sie setzten sich und nickten ihren Tischnachbarn zu. Die Ansprachen hatten bereits begonnen. Agrippa sa? neben einem nubischen Engel mit einem ebenholzschwarzen Heiligenschein. Mondtau blickte sich um, noch immer ziemlich uberwaltigt, und sah, da? Speisen herumgereicht wurden.
»Darf ich jetzt essen?« fragte er Agrippa leise.
»Ja, aber benimm dich nicht wie ein Schwein.«
Mondtau knurrte etwas Unverstandliches und spie?te eine Truthahnkeule von einem Tablett auf, das die Runde machte. Dazu schnappte er sich ein Glas Meskaljauche. Ein Drachenembryo auf dem Grund des Glases burgte fur die Echtheit des Getranks. Mondtau kaute, lie? seine Blicke wandern und starrte das hochgewachsene blonde Geschopf mit den gro?en blauen Augen an, das ihm schrag gegenubersa?. »Verdammt hei?«, sagte er zu Agrippa. »Das nenne ich sexy.«
»Schlag dir das aus dem Kopf«, erwiderte Agrippa. »Das ist ein Engel und nichts fur deinesgleichen.«
Es war allgemein bekannt, da? Damonen standig scharf auf Engel waren, die sich, wie behauptet wird, von der ihnen entgegengebrachten Aufmerksamkeit geschmeichelt fuhlten. Die Bankette im Rahmen der Preisverleihungen gehorten zu den wenigen Gelegenheiten, bei denen beide Seiten die Moglichkeit hatten, ungehindert miteinander zu verkehren.
Kellner eilten geschaftig mit Tabletts voller Speisen und Getranke hin und her. Viele von ihnen trugen ethnische Masken, die in himmlischen Kreisen so beliebt waren. Die Masken pa?ten zu den servierten Speisen. Italienische Engel brachten winzige Pizzae, vietnamesische Engel Eierteigrollen und Phosuppe, und arabische Geister trugen Silberteller, auf denen sich Kebabs turmten.
Das Essen war selbstverstandlich gut, aber Mondtau war mehr an starken Getranken interessiert. »Reich mir mal die Jauche ruber«, bat er einen gro?en durren Geist, der auf der anderen Seite des Tisches sa?. Auch Agrippa kam allmahlich in Stimmung. Mondtau uberlegte, ob er sich zu einer Gruppe von Teufeln gesellen sollte, die sich in eine Ecke zuruckgezogen hatten, wo sie einander unter unablassigem Kichern Jauche aus ihren Schuhen einflo?ten. An einem anderen Abschnitt des Tisches zerteilte ein dicker Damon in einem Clownskostum eine riesige Torte, aus der 24 Amseln emporstiegen, die uber den Kopfen der Gaste herumflatterten.
»Amusierst du dich gut?« erkundigte sich Agrippa bei Mondtau.
»Es ist nicht schlecht«, gab Mondtau zuruck. »Wer ist denn das dort druben, der so mit den Handen herumfuchtelt?«
»Das ist Asmodeus«, sagte Agrippa. »Er ist fur diese Sektion des Banketts verantwortlich.«
»Und die dunkle Dame neben ihm?«
»Das ist Hekate, die Konigin der Nacht. Falls sie in deine Richtung sehen, dann lachle nur und heb dein Glas. Sie sind sehr wichtige Personlichkeiten.«
»Du brauchst mir nicht vorzuschreiben, wie ich mich benehmen mu?. Was macht Asmodeus da? Er scheint etwas zu lesen. Ich wu?te gar nicht da? Damonenfursten lesen konnen.«
»Sehr witzig«, sagte Agrippa. »Wenn er dich solche Spruche klopfen hort, wirst du schon herausfinden, wie lustig er das findet.« Er sah genauer hin. »Anscheinend liest er die Notizen zu seiner Rede.«
»Was fur eine Rede?« wollte Mondtau wissen. »Du hast mir nichts von Reden erzahlt.«
»Ich dachte, du hattest begriffen, worum es hier geht.«
»Nur um irgendeine gro?e Feier, oder?«
»Es ist sehr viel mehr als das«, erklarte Agrippa. »Heute wird der Gewinner des Jahrtausendwettkampfs bekanntgegeben, der festlegt, welche Seite die Geschicke der Menschheit wahrend der nachsten tausend Jahre