worden.«

»Wer, habt Ihr gesagt, ist noch nicht erfunden worden? Anne wer?«

»Zerbrich dir daruber nicht den Kopf, und bei? die Zahne fest zusammen. Ich beginne jetzt zu schneiden.«

KAPITEL 2

Der Marchenprinz lehnte sich aus einem der hohen Fenster des verwunschenen Schlosses. Er war guter Laune, fuhlte sich entspannt und zufrieden. Das bewirkt die Liebe bei einem Mann, zumindest eine Zeit lang, und der Prinz erlebte gerade den ersten Taumel.

Trotzdem war es beunruhigend zu beobachten, wie Teile und Stucke des Zauberschlosses verschwanden.

Er betrachtete die Stalle. Sie waren zur Halfte verschwunden, wahrend er in die andere Richtung gesehen hatte. Er rief sich ins Gedachtnis zuruck, da? sie das Schlo? moglichst bald verlassen mu?ten. Es wurde nicht mehr lange existieren, wenn die Schutzzauber weiterhin so schnell nachlie?en.

»Liebling! Komm runter! Unsere Gaste mochten dich kennenlernen!«

Rosenrots Stimme schwebte die Treppe hinauf in das Schlafzimmer, wo der Prinz eigentlich seine Tunika anlegen sollte. Er wollte makellos gekleidet sein, denn er wu?te, da? dieses Fest ein gro?es Ereignis fur Rosenrot darstellte. Diesmal war sie es gewesen, die Aschenbrodel und andere Marchenfreunde hatte einladen konnen. Der Prinz war sich nicht ganz sicher, wie es ihm gefallen wurde, da? all seine Freunde fiktive Gestalten aus Marchenerzahlungen waren, aber bisher schien es sich ganz gut anzulassen.

Es interessierte ihn sehr, wie das verwunschene Schlo? funktionierte. Von seinem Fenster aus konnte er einen Abschnitt des Zufahrtwegs sehen, der zum Schutzwall fuhrte. Plotzlich verschwand ein Teil der Mauer. Ein steinerner Wasserspeier an einer der Zinnen loste sich ebenfalls in Nichts auf.

»Schatz!« rief Rosenrot wieder. »Wo bleibst du?«

Ein etwas ungehaltener und anma?ender Tonfall klang in ihrer Stimme mit… Dem Marchenprinzen wurde bewu?t, da? er seine Su?e nicht allzu gut kannte. Bisher war er davon ausgegangen, da? sich das ihnen im Marchen versprochene Gluck ganz von selbst einstellen wurde und er nichts dazu beitragen mu?te. Nun gut…

Er warf einen letzten prufenden Blick in den hohen Spiegel und stieg dann die Treppe hinab. Im gro?en Ballsaal unter ihm gab ein Orchester in schwarzen Krawatten und wei?en Perucken ein Potpourri verschiedener Melodien zum besten. Die Gaste standen unter gro?en Kristallustern herum, tranken Champagner und knabberten an belegten Schnittchen.

Da war Rosenrot, Arm in Arm mit Aschenbrodel, die ihre beste Freundin geworden war. Aschenbrodel hatte auch die Idee gehabt, ein Aufweckungsfest fur Rosenrot zu veranstalten, das gleichzeitig die Verlobungsfeier fur den Marchenprinzen und seine Prinzessin sein sollte.

Der Prinz erkannte zwei beruhmte Iren unter den Gasten, Cuchulain und Finn McCool. Als er sich umsah, entdeckte er weitere Helden aus Frankreich, Deutschland und dem Orient – Roland, Siegfried und Aladin.

Sie sahen ihn ebenfalls, und allgemeiner Applaus brandete auf. »Gut gemacht, Alter!« und ahnliche Spruche erklangen, was man immer gern horte, wenn man gerade eine Schlummernde Prinzessin aufgeweckt hatte. Die Gaste sangen lautstark: »For he’s a Jolly Good Hero.«

Ja, das Leben konnte gar nicht mehr viel besser werden, fand der Marchenprinz. Auch wenn ihm Teile seines verwunschenen Schlosses abhanden kamen, auch wenn Prinzessin Rosenrot etwas norglerischer war, als er es sich vorgestellt hatte, war der Augenblick des Triumphs doch su?.

Deshalb fuhlte er sich um so unbehaglicher, als ein lautes Klopfen am Hauptportal ertonte. Es hallte durch das ganze Schlo?. Alle Gaste blieben reglos stehen und starrten in Richtung des Eingangs.

Mist, sagte sich der Marchenprinz. Gute Ereignisse kundigten sich gewohnlich nicht mit so viel Nachdruck an.

»Wer ist da?« rief er.

»Jemand, der einen Gefallen erbittet«, erwiderte eine gedampfte Stimme.

Im ersten Moment wollte der Marchenprinz den Unbekannten abweisen, doch dann wurde ihm klar, da? er an diesem Tag des Triumphs fur alles offen sein mu?te. Sagenhelden, die im Begriff sind, eine Schlummernde Prinzessin zu heiraten, verweigern niemandem den Zutritt ins verwunschene Schlo?, wie schlecht die Vorzeichen auch sein mogen.

»Tja«, sagte er, »ich habe im Augenblick wirklich keine Zeit fur einen gro?en Gefallen, aber vielleicht ein kleiner Gefallen…«

Er entriegelte die Tur. Der Mann, der daraufhin eintrat, erinnerte ihn an irgend jemanden. Wo konnte er diesem gro?en Krieger mit dem grimmigen Gesicht und dem bis tief uber die Ohren gezogenen Bronzehelm schon einmal begegnet sein?

»Wer seid Ihr?« fragte er.

Der Krieger schob den Helm zuruck, und der Marchenprinz blickte in das bartige und halb wahnsinnige Gesicht Frikes.

»Frike!« rief er. »Du bist’s! Aber irgend etwas an dir hat sich verandert… La? mich einen Moment lang uberlegen… Ja, jetzt hab’ ich’s! Du warst fruher eher klein und bucklig, und jetzt bist du ziemlich gro?, muskulos und hinkst auch nicht mehr.«

»Ihr seid ein aufmerksamer Beobachter«, erwiderte Frike mit einem blutrunstigen Lacheln.

»Was verschafft mir das Vergnugen deines Besuchs?«

»Mein Gebieter, Azzie, hat mich geschickt«, antwortete Frike.

»Ich hoffe, es geht ihm gut.«

»Das tut es. Er hat mich geschickt, um etwas fur ihn zu besorgen, das ich hier hineinstecken soll.« Er offnete eine Ledertasche, der ein scharfer Geruch entstromte.

»Essig!« entfuhr es dem Marchenprinzen.

»Richtig erkannt«, bestatigte Frike.

»Und warum bringst du eine mit Essig gefullte Tasche in dieses verzauberte Schlo? mit?«

»Der Essig dient dem Zweck, das zu konservieren, was ich mitnehmen soll.«

Dem Marchenprinzen behagte der Verlauf,, den das Gesprach nahm, nicht sonderlich, aber er erkundigte sich trotzdem: »Und was sollst du, in Essig eingelegt, von hier zuruckbringen?«

»Ah, Bursche. Es ist dein Kopf, den zu holen ich gekommen bin.«

»Mein Kopf?« schrie der Marchenprinz. »Aber wieso sollte Onkel Azzie mir so etwas antun wollen?«

»Er ist wutend auf dich, Junge, weil Prinzessin Rosenrot dich nicht wie vorgesehen getotet hat. Dadurch hat er den Wettkampf verloren, der am Vorabend jeder Jahrtausendwende zwischen den Machten der Finsternis und des Lichtes ausgetragen wird. Er ist der Meinung, da? du verschlagen und unzuverlassig bist, und er fordert deinen Kopf.«

»Aber es war nicht mein Fehler, Frike! Und selbst wenn, warum sollte Azzie einen Groll gegen mich nur wegen des Versuchs hegen, mein Leben zu retten?«

»Es ist unlogisch, das gebe ich zu«, entgegnete Frike, »aber was kann ich tun? Er ist ein Damon, und er ist bose, sehr bose. Er will deinen Kopf, und ich bin hier, um ihn zu holen. Ich sage es dir nur au?erst ungern ausgerechnet an deinem Hochzeitstag, aber ich habe keinen Einflu? auf die Zeitplanung. Sag deiner Prinzessin Lebewohl. Hoffentlich hast du genie?en konnen, was sie zu bieten hat, denn du wirst keine weitere Gelegenheit mehr dazu bekommen, nachdem ich mir deinen Kopf geholt habe.«

»Du meinst das wirklich ernst, nicht wahr?« vergewisserte sich der Marchenprinz.

»Davon solltest du lieber ausgehen. Tut mir leid, Kleiner, aber so lauft das nun mal im Marchenland. Bist du bereit?«

»Warte!«

»Nein, ich werde auf gar nichts warten!«

»Aber ich habe kein Schwert!«

»Kein Schwert?« fragte Frike und lie? seine Waffe sinken. »Aber du brauchst ein Schwert! Wo ist es?«

»Ich mu? es erst holen.«

»Man erwartet von dir, jederzeit ein Schwert bei dir zu haben.«

»Sei ein bi?chen nachsichtig, schlie?lich ist es mein Hochzeitstag.«

»Na schon, dann hol dein Schwert, aber beeil dich.«

»Frike, du warst praktisch wie ein Vater zu mir. Wie kannst du so etwas tun?«

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