»Auf welche Weise?«

»Durch einen Ku?.«

Nachdem sie ihren Fragekatalog vervollstandigt hatten, zogen sich die Ritter auf einen Abschnitt des Feldes zuruck, wo sie ungestort waren, und berieten, was als nachstes zu tun sei. Sie lie?en den Marchenprinzen an Handen und Fu?en mit einem Seidenstrick gefesselt unter einer Hecke liegen.

Der Marchenprinz hatte mittlerweile den Eindruck gewonnen, da? es sich bei den Mannern nicht um gewohnliche Ritter handelte. Die Art der Befragung war anders ausgefallen, als er es erwartet hatte. Ihre Gesichter, knochern, bleich und halb hinter verrottenden Helmen aus Eisen und Holz verborgen, waren nicht sehr ansprechend. Der Prinz konnte einen Teil ihrer Unterhaltung verfolgen, als sie sich entfernten.

»Was sollen wir mit ihm machen?«

»Ihn essen«, lautete eine Antwort.

»Das versteht sich von selbst. Aber wie?«

»Frikassee ware nicht schlecht.«

»Wir hatten erst letzte Woche Ritterfrikassee.«

»Dann la?t uns zuerst das Pony essen.«

»Wie?«

»Wie ware es mit feinen Krautern gewurzt und gegrillt? Hat irgend jemand in der Nahe feine Krauter entdeckt?«

Der Marchenprinz kam augenblicklich zu dem Schlu?, da? (a) Ritter entweder ganz anders redeten, als er es vermutet hatte, oder aber da? dies hier (b) uberhaupt keine Ritter, sondern Damonen waren, die sich als Ritter verkleidet hatten.

Man einigte sich mehrheitlich auf Frikassee, aber die Ritter hatten Schwierigkeiten, ein Feuer zu entfachen. In diesem Teil des Waldes hatte es erst kurzlich geregnet, und es gab kaum trockenes Holz.

Schlie?lich fing einer der Ritter einen Feuersalamander. Nachdem sie feuchte Spane uber dem Tier aufgeschichtet und ihm einen heftigen Nasenstuber versetzt hatten, als es davon kriechen wollte, brachten sie ein munteres Feuer zustande. Zwei Ritter widmeten sich der Zubereitung der So?e, und zwei andere kummerten sich um die Marinade, wahrend der Rest sang.

Dem Marchenprinzen war klar, da? er in Todesgefahr schwebte.

KAPITEL 5

Azzie war wieder unterwegs, nachdem er die Siebenmeilenstiefel zugunsten seiner eigenen damonischen Flugfahigkeiten abgelegt hatte. Als er suchend uber den Wald flog, erblickte er in der Ferne ein Feuer. Er steuerte darauf zu, umkreiste es, stellte seine Augen auf die Lichtverhaltnisse ein und entdeckte den Marchenprinzen, verschnurt wie ein Kapaun, der darauf wartete, mit feinen Krautern zu Frikassee verarbeitet zu werden, wahrend das Pony bereits briet und schrie.

»Das konnt ihr mir doch nicht antun!« brullte es. »Ich habe ihn noch nicht vollstandig uber alles unterrichtet, was er wissen mu?!«

Die Damonenritter sangen weiter.

Azzie landete eilig in einem Gebusch in der Nahe. Er uberlegte gerade, wie er die Ritter ablenken und den Marchenprinzen befreien konnte, als Babriel unvermittelt neben ihm in seiner schimmernden wei?en Rustung mit flatternden blendendwei?en Flugeln auftauchte.

»Sind Sie gekommen, um mit Ihrer Kathedrale anzugeben?« erkundigte sich Azzie.

Babriel sah ihn streng an. »Ich hoffe, Sie haben nicht vor, sich hochstpersonlich unter diese Leute zu begeben, alter Freund.«

»Was denn sonst?« gab Azzie zuruck. »Glauben Sie etwa, ich werde zulassen, da? mein Held von abtrunnigen Damonen aufgefressen wird?«

»Ich will mich nicht einmischen, aber es ist meine Pflicht, Sie im Auge zu behalten. Wie ich sehe, steckt Ihr Prinz in Schwierigkeiten, aber Sie kennen die Regeln ebensogut wie ich. Sie durfen ihm nicht helfen, jedenfalls nicht direkt. Sie durfen die Geschichte nicht dadurch beeinflussen, indem Sie selbst in das Geschehen eingreifen.«

»Ich habe nur ein paar Dinge fur ihn mitgebracht«, sagte Azzie. »Einen Dolch und einen unsichtbaren Mantel.«

»Lassen Sie mich die Dinge sehen«, verlangte Babriel. »Hmm… Der Dolch scheint in Ordnung zu sein. Zu dem Mantel kann ich allerdings nicht viel sagen.«

»Das liegt daran, da? er unsichtbar ist«, erwiderte Azzie. »Aber Sie konnen ihn doch fuhlen, oder?«

Babriel tastete ihn von oben bis unten ab. »Ich denke, er fuhlt sich in Ordnung an«, meinte er schlie?lich.

»Und selbst wenn nicht, wer wurde es schon merken?« fragte Azzie.

»Ich«, sagte Babriel. »Und ich wurde es melden.«

Der Marchenprinz war wie ein Paket verschnurt und kam sich dumm vor. Warum hatte er nicht auf das geachtet, was das struppige Pony ihm zu erzahlen versucht hatte? Jetzt konnte es ihm keine weiteren Anweisungen mehr fur sein Abenteuer geben. Warum hatte er ihm nicht geglaubt? Wenn man einem weissagenden struppigen Pony nicht glauben will, wem wollte man dann uberhaupt glauben? Allerdings roch es gut…

Plotzlich horte er ein Gerausch. Es klang, als wurde ihm irgend jemand zuflustern: »He, du!«

»Wer ist da?« fragte er.

»Dein Onkel Azzie.«

»Ich bin froh, da? du hier bist, Onkel. Kannst du mich hier rausholen?«

»Nein, jedenfalls nicht direkt. Aber ich habe dir ein paar Sachen mitgebracht.«

»Was denn?«

»Zuerst einmal einen verzauberten Dolch. Er wird deine Fesseln durchtrennen.«

»Und sonst?«

»Einen Mantel, der unsichtbar macht. Mit ihm kannst du dich aus dem Schlamassel befreien, in dem du steckst.«

»Danke, Onkel. Ich wurde das gleiche fur dich tun.«

»Das bezweifle ich«, gab Azzie zuruck. Er zielte sorgfaltig und lie? den Dolch fallen. Die Klinge bohrte sich mit der Spitze in den Baumstamm, an dem der Prinz lehnte.

»Ich habe ihn«, sagte der Marchenprinz.

»Guter Junge. Jetzt kommt der unsichtbare Mantel. Du mu?t unbedingt die Gebrauchsanweisung lesen, und es ist unter Strafandrohung verboten, sie zu entfernen! Viel Gluck! Wir werden uns schon sehr bald wiedersehen.«

Der Marchenprinz horte, wie irgend etwas mit einem leisen Rauschen ganz in der Nahe zu Boden fiel. Das mu?te der Mantel sein. Nachdem die verzauberte Klinge seine Fesseln durchgeschnitten hatte, blickte er sich um, konnte den Mantel jedoch nicht entdecken. Das war auch nicht anders zu erwarten gewesen, erkannte er. Es wurde nicht leicht sein, einen unsichtbaren Mantel zu finden, erst recht nicht in einer dunklen Nacht.

KAPITEL 6

Die Damonenritter kehrten zuruck und sangen dabei ein Lied mit folgendem Text:

Fairne? stinkt und Brot ist schnuppe trankt sein Hirn mit Erbsensuppen stopft ihn voll mit Persimone bis man ihn halt fur Al Capone.

Niemand hatte jemals die Bedeutung dieses Verses erklart. Das Lied war sehr alt und stammte aus einer Zeit, als die Menschen Unverstandlichkeit noch fur eine bequeme Art gehalten hatten, das Leben zu meistern.

Nachdem sie gesungen hatten, legten sich die Ritter nieder, grunzten, streckten sich, rutschten hin und her und gahnten. Sie rulpsten, kratzten sich ausgiebig und kamen dann schnell zur Ruhe.

Der Marchenprinz suchte den Mantel. Er konnte ihn immer noch nicht sehen, aber dann entdeckte er das Etikett, ein kleines quadratisches Stoffstuck, auf dem in phosphoreszierender Schrift geschrieben stand: ES IST UNTER UBERNATURLICHER STRAFE VERBOTEN, DIESES ETIKETT ZU ENTFERNEN. BITTE DIE ANWEISUNGEN AUF DER RUCKSEITE BEACHTEN. Der Prinz versuchte, die Anweisungen auf der anderen Seite zu lesen, aber dort leuchtete die Schrift nicht.

Er wickelte sich, so gut er konnte, in den Mantel, und schlich vorsichtig durch die Reihen der liegenden Krieger. Eine kleine Unebenheit im Boden lie? ihn stolpern und einen der Ritter streifen.

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