»Nun, ich spiele eine ziemlich traditionelle Rolle in diesem Stuck«, erklarte Frike, »die des verkruppelten Dieners, der eine recht mitfuhlende Seele, aber auch einen fatalen Hang zum Bosen hat. Es ist nichts Personliches, aber wir mussen die Sache mit dem Schwert ausfechten.«

»Mist, also gut«, sagte der Marchenprinz. »Warte hier. Ich hole mein Schwert.«

»Ich werde warten«, versicherte Frike und ging zum Bufett, um die Appetithappchen zu probieren.

Nachdem fast eine halbe Stunde verstrichen und der Prinz immer noch nicht zuruckgekommen war, machte sich Rosenrot auf die Suche nach ihm. Sie fand ihn in den noch verbliebenen Uberresten des Stalls. Er war gerade damit fertig geworden, die schnellste Ziege zu satteln, die er auftreiben konnte.

»Was fallt dir eigentlich ein?« fragte Rosenrot. »Wo willst du hin?«

»Ich wei? nicht, wie ich dir das erklaren soll«, erwiderte der Marchenprinz, »aber ich glaube, ich mu? von hier verschwinden.«

»Feigling!« zischte Rosenrot.

»Flittchen!« fauchte der Marchenprinz.

»Aber unser neues gemeinsames Leben hat kaum begonnen!«

»Was habe ich von einem neuen Leben, wenn ich viel zu tot bin, um es genie?en zu konnen?«

»Vielleicht kannst du Frike besiegen!«

»Das glaube ich nicht«, sagte der Prinz. »Aber ganz ehrlich, ich bin auch nicht glucklich daruber, einfach so wegzulaufen. Ich brauchte jetzt wirklich dringend den Rat eines weisen Geistes.«

Es gab einen Lichtblitz.

»Ich dachte schon, du wurdest niemals fragen«, klang eine Stimme auf.

Es war Hermes Trismegistus.

KAPITEL 3

Der Halbgott hatte nie attraktiver ausgesehen. Sein dunkler Umhang, den er kunstvoll um seinen kraftigen marmorwei?en Korper geschlungen hatte, war uberirdisch schon. Jede Strahne seines hyazinthfarbenen Haars sa? perfekt. Seine Augen, die einen leichten orientalischen Einschlag aufwiesen, vervollkommneten die Herrlichkeit seiner Erscheinung und verliehen ihm eine Aura unaussprechlicher Weisheit, wozu sein leerer Blick – seine Augen besa?en der klassischen Mode gema? keine Pupillen – nicht unma?geblich beitrug. Selbst seinen Sandalen haftete die Ausstrahlung von Weisheit an.

»O Hermes«, klagte der Marchenprinz, »was Azzie tut, ist nicht fair! Frike auszuschicken, um meinen Kopf zu holen, und das alles nur, weil sein Plan, mich von Prinzessin Rosenrot ermorden zu lassen, fehlgeschlagen ist.«

»Das erscheint allerdings unfair«, bestatigte Hermes. »Aber wer hat jemals behauptet, Damonen waren fair?«

»Hat er denn nach den ubernaturlichen Gesetzen uberhaupt das Recht, seinen Diener damit zu beauftragen, meinen Kopf zu holen?«

»Mal sehen«, sagte Hermes. Er zog eine umfangreiche Schriftrolle aus den Falten seines Umhangs hervor und warf sie in die Luft. Sie entrollte sich, wahrend sie weiter in die Hohe stieg.

Hermes schnippte mit den Fingern. Eine kleine gefleckte Eule erschien.

»Such mir die entsprechende Passage uber die Gesetze heraus, die das Verhalten von Damonenassistenten regeln«, befahl er.

»Wird gemacht«, erwiderte die Eule und flatterte uber die endlos lange Schriftrolle. Schlie?lich scho? sie auf einen bestimmten Abschnitt zu, packte ihn mit dem Schnabel und brachte ihn Hermes.

Der Halbgott las den Eintrag und schuttelte bedauernd den Kopf. »Es ist, wie ich es befurchtet habe. Da er dich erschaffen hat, darf Azzie mittels eines Dieners alles mit dir machen, was er will. Genaugenommen hat er dich zwar nicht erschaffen, sondern dich zusammengebastelt, aber das lauft auf das gleiche hinaus.«

»Und wieso gibt ihm das das Recht, uber mein Leben und meinen Tod zu entscheiden?«

»So lauft das nun mal im Erschaffungsspiel. Aber du brauchst es dir nicht tatenlos gefallen zu lassen.«

»Was kann ich tun?«

»Tote Frike.«

»Glaubt Ihr, da? ich eine Chance hatte? Er scheint mir furchtbar stark zu sein.«

»Ja, aber du bist ein Held. Vielleicht, wenn du ein gutes Schwert hattest…«

»Ich hatte Excalibur, aber wir haben uns getrennt. Es wollte mich toten.«

»Du mu?t es dir wiederbesorgen. Es bedarf eines magischen Schwertes, um den mit ubernaturlichen Kraften versehenen Assistenten eines Damons zu toten.«

»Ich glaube, ich sollte vielleicht noch erwahnen, da? ich mich au?erdem sehr furchte«, sagte der Marchenprinz.

»Das liegt daran, da? Azzie dir das Herz eines Feiglings gegeben hat. Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Alle Menschen furchten sich.«

»Alle?«

»Diejenigen, die zu mutig sind, um sich zu furchten, sterben zu fruh, als da? man sich ihrer erinnern wurde. Feigheit ist nichts, weswegen man sich schamen mu?te, Prinz. Sie ist wie die Masern – die meisten Menschen erwischt es mindestens einmal im Leben. Ignorier sie einfach, und sie wird verschwinden. Mach ohne sie weiter. Die Metapher ist vielleicht etwas unklar, deine Pflicht dagegen nicht. Mach dich auf den Weg und finde das Schwert. Befiehl deinem feigen Herz, nicht mehr zu zittern, vernichte diesen Schurken namens Frike und bleib fur immer bei deiner Prinzessin. Sie ist ubrigens sehr hubsch.«

»Ja, das ist sie«, sagte der Marchenprinz. »Aber ich furchte, sie ist etwas zickig.«

»Das sind die guten Frauen immer«, erwiderte Hermes. »Komm, la? uns das Schwert holen.«

KAPITEL 4

Dem Marchenprinzen und Hermes blieb nicht viel Zeit, Excalibur zu finden. Ihr erster Weg fuhrte sie in das Amt fur verschollene Schwerter auf dem Planeten Oaqsis IV. Dort gab es ein Zentralregister mit den Schwingungsabdrucken samtlicher jemals geschmiedeter Schwerter. Hermes entdeckte eine Spur von Excalibur und verfolgte sie zuruck auf die Erde, den Marchenprinzen im Schlepptau.

Dort fand sich der Prinz in einer Taverne wieder. Er folgte Hermes in eine Kuche, wo er ein Schwert voller Kerben und Scharten erblickte, das aber unverkennbar sehr scharf war und von einem Kuchenjungen dazu benutzt wurde, Rettiche und Ruben zu enthaupten, Kohlkopfe auszuweiden, Karotten niederzumetzeln und all die anderen unwurdigen Arbeiten zu erledigen, die im Leben von hauslichem Stahl so anfallen. Und trotzdem erkannte das Schwert den Marchenprinzen auf den ersten Blick wieder.

»Gebieter, ich bin hier!« rief es mit brechender Stimme. »Euer verlassenes Schwert!«

»Was ist mit dir geschehen?« fragte der Prinz. »Mu?test du wirklich Gemuse schneiden?«

»Das ist nicht meine Schuld«, verteidigte sich das Schwert. »Wie kann ich mich gegen die Aufgaben wehren, die man von mir verlangt? Nehmt mich wieder bei Euch auf, Gebieter, und ich werde Euch gute Dienste leisten.«

»Dann komm«, sagte der Marchenprinz, Das Schwert hechtete in seine Hand. Ein Tavernenknecht erweckte den Eindruck, als wolle er einen Streit vom Zaum brechen, aber ein fluchtiger Blick auf den schimmernden Stahl in der Hand des Marchenprinzen genugte, ihn eines Besseren zu belehren. Und so geschah es, da? der Prinz durch Hermes’ magische Hilfe mit Excalibur in der Hand in das verwunschene Schlo? zuruckkehren konnte.

Als Frike ihn erblickte, legte er ein mit gehackter Huhnerleber bestrichenes Platzchen beiseite, an dem er herumgeknabbert hatte, um sich die Wartezeit zu verkurzen, wischte sich den Mund mit dem Hemdsarmel ab und fragte: »Bist du bereit?«

»Aye, das bin ich!«

»Dann nichts wie los!«

Die Schwerter klirrten aufeinander, der Kampf entbrannte.

KAPITEL 5

Excalibur achzte unter der Wucht von Frikes Hieb. Die Klinge bog sich wie ein Weidenzweig zuruck und peitschte dann vor. Sie fuhr hart auf Frikes Helm hinab und zwang ihn zum Ruckzug. Frike machte zwei Ausfallschritte, dann hatte er das Gleichgewicht wiedergefunden, sturmte erneut vor, und sein Schwert vollfuhrte einen verwirrenden Wirbel aus Angriffsschlagen und Finten. Excalibur erwiderte die Hiebe und Sto?e mit der gleichen Vehemenz und mit unerschrockener Geschicklichkeit. Die Gaste, die sich auf der Treppe und der Balustrade versammelt hatten, um den Kampf zu verfolgen, keuchten und hielten den Atem an.

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