zahlreichen Beine in die transparenten Hullen steckten, den Sitz pruften und die Zufuhr von Wasserstoff und Argon kontrollierten. Schlie?lich winkte er sie zufrieden in die Schleusenkammer und begann ebenfalls einen Schutzanzug anzulegen. Als er aus dem Fahrzeug kam, hatten die anderen beim Aufstellen ihrer Apparaturen schon gute Fortschritte gemacht.

Er warf ihnen nur einen kurzen Blick zu, wahrend er fur einen Moment auf dem Absatz der Rampe zogerte, die von der Schleuse hinab zum Boden fuhrte. Er wu?te, was sie taten, und konnte sich auf sie verlassen, aber dergleichen galt keineswegs fur das Wetter. Noch wahrend er die au?ere Schleusenpforte hinter sich schlo?, blickte er zu dem kleinen Stuck Himmel auf, das zu sehen die sich uber ihm wolbende Hulle des Fahrzeugs gestattete.

Die Dunkelheit vertiefte sich sehr, sehr langsam, wahrend Dhrawns zwei Monate dauernde Rotation die schwache Sonne weiter unter den Horizont trug.

Wie daheim schien auch hier der Horizont rundum etwas oberhalb seiner Sichthohe zu liegen. Die schwerkraftbelastete Atmosphare, die diesen optischen Verzerrungseffekt verursachte, pflegte die Sterne, sofern man sie uberhaupt sah, zu heftigem Blinken zu bringen. Dondragmer blickte zum sudlichen Himmelspol, aber das Zwillingsgestirn Fomalhaut und Sol, das dort Wache hielt, war noch unsichtbar.

Einige rasch nach Westen treibende Zirruswolken zeigten sich.

Offensichtlich wehten die Winde in zweihundert oder dreihundert Meter Hohe in die entgegengesetzte Richtung der Oberflachenwinde, was am Tage zumeist der Fall war. Dondragmer wu?te, da? sich das kurzfristig andern konnte; im nur wenige tausend Meilen westlicher liegenden Land loste der Sonnenuntergang starkere Temperaturschwankungen als hier aus, und womoglich schlug das Wetter innerhalb der nachsten Stunden um. Welcher Art ein solcher Wetterumschlag sein konnte, vermochte er mit seinen auf Mesklins Ozeanen gewonnenen Erfahrungen, obwohl er sie mit fremder Meteorologie und Physik erganzt hatte, allerdings nicht vorauszusehen.

Doch im Moment wirkte die Wetterlage vielversprechend. Er setzte seinen Weg uber die Rampe fort — die Schleuse lag an der Steuerbordseite — und marschierte durch den Schnee etwa einhundert Meter ostwarts, teilweise, um den Rest des Himmels begutachten zu konnen, zum Teil, um einen allgemeinen Uberblick des Fahrzeugs zu erhalten, bevor er sich seinen Zustand naher ansah.

Im Westen wirkte der Himmel nicht bedrohlicher als in den anderen Richtungen, und er schenkte ihm nur einen kurzen Blick.

Die Kwembly sah unverandert aus. Einen Menschen hatte sie wahrscheinlich an eine gro?e, unregelma?ige Zigarre auf einer niedrigen Tischplatte erinnert. Sie war ungefahr vierundzwanzig Meter lang, zwischen funf und sechs Meter dick und erhob sich an ihrem hochsten Punkt etwa funf Meter uber den Schnee.

Tatsachlich gab es zwei solche Stellen; die obere Wolbung der Hulle und die Kommandobrucke.

Letztere war ein funf Meter durchmessender, kreuzformiger Aufsatz, dessen fast kantige Umrisse die sanften Kurven des Hauptkorpers ein wenig storten. Die Brucke befand sich dicht hinter dem Bug, so da? es dem Steuermann, dem Kommandanten und den im Bruckenbereich tatigen Mannschaften moglich war, den Untergrund wahrend der Fahrt bis fast vor die Bugwalzen zu beobachten.

Zwischen der Bodenplattform des Fahrzeugs und der Schneeschicht lag etwa ein Me ter. Die Plattform ruhte auf einem Satz dicht aneinandergereihter, bereifter Walzen, deren Einzelaufhangung es uber das verwirrende Netz von Trossen gestattete, die Kwembly in au?erst engem Radius zu wenden, ohne da? die Kontrolle uber das Fahrzeug wesentlich eingeschrankt wurde.

Die Walzen waren von der Hulle durch eine Art pneumatische Matratze getrennt, die die Trossenspannung sicherte und durch kleinere Bodenunebenheiten hervorgerufene Erschutterungen auffing.

Eine raupenahnliche Gestalt bewegte sich langsam uber die dem Captain zugewandte Seite des Fahrzeugs, vermutlich Beetchermarlf, der mit der Inspektion der Trossen fortfuhr. Etwa zwanzig Meter neben dem Fahrzeug war der niedrige Bohrturm errichtet worden. Daruber, uber die mit Klammereisen besetzte Hulle, kletterten andere Mannschaftsmitglieder und pruften die Fugen. Fur einen Meskliniten war dies eine nervenaufreibende Aufgabe. Akrophobie war eine normale psychische Eigenschaft bei Geschopfen von einem Planeten, dessen Polgravitation mehr als den sechshundertfachen Wert der Erde betrug, und selbst die ihnen gewohnte Schwerkraft machte noch ein Drittel davon aus. Dhrawns vergleichsweise schwache Anziehungskraft, knapp dreihundert Meter per Sekundenquadrat, erleichterte das Klettern ein bi?chen, doch die Inspektion der Hulle blieb die unbeliebteste Pflicht.

Dondragmer kroch zuruck uber das verhartete Bodengemisch aus wei?en Kristallen und braunem Sand, nur da und dort von durrem Gestrupp unterbrochen, und erklomm das Fahrzeug, um die Mannschaften bei ihrer Tatigkeit zu unterstutzen.

Die gro?en, gewolbten Platten der Hulle bestanden aus Borfasern, die eine Sauerstoff- und fluorhaltige Verbundmasse zusammenhielt. Sie waren auf einer Welt hergestellt worden, die keiner der Meskliniten jemals gesehen hatte, obwohl die meisten Mannschaftsmitglieder zu ihren Bewohnern Beziehungen pflegten. Die menschlichen Chemotechniker hatten die Einzelteile der Hulle so konstruiert, da? sie jedem voraussehbaren korrosiven Agens widerstehen sollten, in dem Bewu?tsein, da? Dhrawn einer der wenigen Orte des Universums war, an dem es in dieser Hinsicht wahrscheinlich noch schlimmer stand als auf ihrer eigenen Sauerstoff-Wasser- Welt.

Sie kannten die Schwerkraftverhaltnisse nur zu gut.

Sie hatten alle diese Faktoren berucksichtigt, als sie die Rumpfplatten und die Verbundmasse synthetisierten, sowohl die losbare Verbundmasse, die man wahrend der Tests auf Mesklin verwendet hatte, wie auch die vermu tlich endgultige, mit der das Fahrzeug auf Dhrawn montiert worden war.

Dondragmer hegte volles Vertrauen in die Fertigkeit jener Manner, aber er verga? nicht, da? sie die Bedingungen, gegen die ihr Produkt ankampfen mu?te, niemals personlich erfahren hatten und auch erwarten konnten, es nie tun zu mussen. Mit anderen Worten, die Fallschirmp acker wurden niemals zum Springen aufgefordert — aber dieser paradoxe Witz ware an einen Meskliniten nur vergeudet gewesen.

So sehr der Captain die Theorie respektierte, so genau wu?te er jedoch um die Kluft zwischen ihr und der Praxis, und daher begutachtete er die Nahtstellen zwischen den Rumpfplatten mit au?erordentlicher Sorgfalt.

Als er sich davon uberzeugt hatte, da? die Rumpfplatten noch dicht und fest aneinander hafteten, hatte der Himmel sich merklich verfinstert. Auf ein Klopfen gegen die Wand der Brucke und einige Gesten hatte Kervenser mehrere Au?enscheinwerfer eingeschaltet. In ihrem Licht beendeten die Mannschaften ihre Arbeit und kletterten hinab auf das Schneefeld.

Beetchermarlf tauchte von unterhalb des Rumpfes auf und meldete, da? die Ruderleinen in ausgezeichnetem Zustand seien. Das am Bohrturm beschaftigte Personal hatte inzwischen Proben mehrerer Erdschichten gewonnen und sie — in Anbetracht der Au?entemperatur — Stuck fur Stuck unverzuglich ins Laboratorium gebracht. Wie es schien, kam beinahe das gesamte Wasser der Oberflache in Form von Schnee vor, also jedenfalls unterhalb der Schmelztemperatur, aber niemand war sicher, ob dies auch fur tiefere Schichten galt.

Die kunstliche Beleuchtung verschlechterte die Sicht gegen den Himmel. Als erste Warnung vor einem Wetterumschlag kam ein plotzlicher Windsto?. Die Kwembly schaukelte ein wenig auf ihren Radern, und die Ruderleinen bega nnen zu singen, als der Wind sie packte. Die Meskliniten waren nicht verunsichert. Sie unter Dhrawns Schwerkraftverhaltnissen fortzublasen, ware eine Aufgabe fur einen beachtlichen Tornado gewesen.

Sie wogen etwa das gleiche, was ein lebensgro?es Abbild von ihnen aus Gold auf der Erde gewogen hatte. Dondragmer, der reflexartig seine Klauen in die harschige Schneeschicht grub, lie? sich vom Wind nicht beeindrucken; allerdings argerte er sich uber seinen Fehler, die Wolken, die den Wind begleiteten, nicht rechtzeitig bemerkt zu haben.

Aus den flockigen Zirruswolken, die zuvor in ungefahr dreihundert Meter Hohe trieben, hatte sich in halber Hohe das typische stratospharische Windgewolk gebildet. Noch gab es keinen Niederschlag, aber keiner der Matrosen bezweifelte, da? es bald dazu kommen mu?te. Es lie? sich jedoch nicht vorhersehen, welche Form er annehmen oder wie heftig er sein werde. Nach menschlichem Zeitma? befanden sie sich nun eineinhalb Jahre auf Dhrawn, aber das war beileibe nicht lange genug, um alle Eigenheiten einer Welt kennenzulernen, die weitaus gro?er als ihre eigene war. Sogar der vierfache Zeitraum, der etwa einem Bahnumlauf von Dhrawn — also einem „Jahr“ — entsprach, hatte dazu nicht ausgereicht, und Dondragmers Mannschaft wu?te es.

Der Captain hob die Stimme, so da? sie den Wind ubertonte. „Alles an Bord. Berjendee, Reffel und

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