„Was es mir ratsam erscheinen la?t“, sagte Barlennan nachdenklich, „da? wir etwas von dem verlorenen Boden zuruckzugewinnen versuchen sollten. Sobald die Kwembly fahrtuchtig ist, soll sie einen geeigneten Platz ausfindig machen und eine neue Zweitbasis errichten. Dons Wissenschaftlern durfte es nicht schwer fallen, eine gute Stelle zu finden; Dhrawn ist offenbar reich an Metalladern.“

„Wir werden mehr Luftschiffe bauen mussen, vor allem, um die Kommunikation zu beschleunigen; aber vermutlich werden wir auch gro?ere brauchen.“

„Mit diesem Problem habe ich mich schon beschaftigt“, erklarte ein Techniker, der bis dahin geschwiegen hatte. „Haltet ihr es fur machbar, aus den Menschen — hoflich, versteht sich — mehr Informationen uber Luftschiffe herauszuholen? Das haben wir noch nie mit ihnen diskutiert. Wir wissen nicht einmal, ob die Menschen jemals Luftschiffe benutzt haben. Unter Umstanden erweist es sich als gar nicht so nachteilig, da? wir in kurzer Zeit zwei von dreien verloren haben; vielleicht hat die Konstruktion einen grundsatzlichen Fehler.“

Der Commander machte eine Gebarde der Ungeduld. „Dummes Zeug. Ich habe niemals eine vollstandige wissenschaftliche Ausbildung von den Fremden verlangt, weil eine solche zu lang dauern wurde; aber mir war von Anfang an klar, da? ihre Wissenschaften auf der Kenntnis weniger, einfacher Gesetzma?igkeiten beruhten. Bai- Ions, mit oder ohne Antrieb, sind simple Konstruktionen; ich verstehe das Prinzip restlos. Ein Motor an Bord andert nicht das Gesetz, das sich auswirkt.“

Der Techniker musterte den Commander gedankenvoll — vorubergehend standen im Mittelpunkt seiner Gedanken namlich Transistoren und TV-Schaltkreise —, bevor er antwortete. „Ich nehme an, da? ein Zelt, das der Sturm fortrei?t, und ein Schiff, in dessen Segel der Wind blast, ebenfalls Beispiele fur die Wirksamkeit einer Gesetzma?igkeit sind.“

Barlennan enthielt sich einer Entgegnung, da er keine andere als eine zustimmende zu finden vermochte.

Er grubelte noch immer uber der Bemerkung des Technikers und versuchte sie herunterzuspielen, nur mit dem Erfolg, da? immer mehr Zweifel ihn heimzusuchen begannen, als ihn — etwa zwanzig Stunden spater — ein Bote in den Kommunikationsraum rief. Guzmeen sprach gerade in ein Mikrofon, als der Commander eintrat; eine Minute spater erschien ein menschliches Gesicht auf dem Bildschirm, das keiner der beiden kannte.

„Ich bin Ib Hoffman, Easys Lebensgefahrte und Benjs Vater“, erklarte der Fremde ohne Umschweife. „Ich spreche ungestort zu euch beiden, Barlennan und Dondragmer, denn das gesamte ubrige Kommunikationspersonal konzentriert sich gerade auf die Notsituation eines der Fahrzeuge. Ich bediene mich eurer Sprache, so gut ich es vermag, unterstutzt von meiner Frau; sie wei? Bescheid, und sie wird mich korrigieren, falls ich zu sehr ausrutsche. Ich nenne sehr ungern jemand einen Lugner, gleichwohl in welcher Sprache… Zunachst, Barlennan, meine herzlichen Gluckwunsche. Ich bin nahezu sicher, da? wir, als wir die Raumbarke mesklinitischen Piloten uberlie?en, einen deiner vorrangigsten Plane erfullten, wahrscheinlich lange bevor du es erwartet oder vorgesehen hattest. Das ist gut. Ich wollte es so. Ich glaube, da? du gerne interstellare Fluge unternehmen willst, und das ist auch recht; ich werde dir helfen. Du allerdings hegst anscheinend die Auffassung, da? viele oder gar die meisten Menschen dich davon fernzuhalten wunschen, und ich gestehe, da? manche es so haben mochten; doch ich schatze, die Entwicklung nimmt nun einen anderen Verlauf. Wie viel von meinen Worten du glaubst, vermag ich nicht zu beurteilen; du bist eigenwillig genug, um auch von allen anderen alle moglichen Tricks zu erwarten — zu dumm, aber ich mu? dir dennoch sagen, was ich zu sagen habe. Ich wei? nicht, in welchem Umfang du die Ausgangssituation konstruiert hast, aber ich bin beinahe uberzeugt, da? der Ausfall der Esket ein Tauschungs manover war. Unklarheit besitze ich uber die wirkliche Verfassung der Kwembly.

Wahrscheinlich wei?t du viel mehr uber die Verhaltnisse auf Dhrawn, als den Berichten zu entnehmen ist. Wir sind hier, um moglichst viel uber Dhrawn zu erfahren, und was immer du uns verschweigst, ist ein Verlust fur uns. Ich verfuge uber keine Beweise und bin obendrein nicht kompetent genug, um dir mit Strafen wegen Vertragsbruch zu drohen, aber ich mochte dich davon uberzeugen, da? beiden Seiten besser gedient ist, wenn es zwischen uns keine Geheimnisse gibt. Das Projekt ist in eine Phase getreten, in der ein Verzicht auf vollstandige Ehrlichkeit uns sehr viel und dich alles kosten konnte. Um das zu erlautern, will ich eine Geschichte erzahlen… Ihr wi?t, da? wir Menschen Sauerstoff atmen so wie ihr Wasserstoff; aber weil wir wesentlich gro?er sind, besitzen wir ein weitaus komplizierteres Atem- und Kreislaufsystem als ihr, dessen Beschaffenheit erfordert, da? wir ausreichend gasformigen Sauerstoff innerhalb bestimmter, recht eng begrenzter Druckverhaltnisse inhalieren. Mehr als drei Viertel der Erde sind von Wasser bedeckt. Unter Wasser konnen wir ohne technische Hilfsmittel nicht atmen, aber das Tauchen unter Wasser ist eine beliebte menschliche Sportart. Das Tauchgerat besteht hauptsachlich aus einem Tank voller komprimierter Atemluft und einem Schlauchsystem, das den Tank mit unseren Atemorganen verbindet; sehr einfach also, ganz verstandlich und eindeutig. Vor sechs Erdjahren nun, als mein Sohn Benj elf Jahre alt war, baute er sich ein solches Gerat; er entwarf es — mit meiner Unterstutzung — und stellte Druckbehalter, Schlauche, Ventile, was eben dazu gehort, selbst her. Gemeinsam testeten wir seine Konstruktion; sie funktionierte perfekt. So gut wie jenes handelsubliche Tauchgerat. Dann testete Benj das Gerat unter Wasser… Sicherlich seid ihr mit den Grundlagen der Hydrostatik und den Gesetzma?igkeiten des Gaszustands vertraut, und so werdet ihr begreifen, da? in einer bestimmten Tiefe eine Atemorganfullung nur noch das halbe Volumen besitzt wie an der Oberflache; das wu?te auch Benj, aber er dachte, eine Tankfullung fur eine Stunde sei — unabhangig von der Tiefe — wirklich fur eine Stunde ausreichend, solange der Tankdruck uber dem des Wasserdrucks liege. Kurz gesagt, so war es aber nicht. Nach einem Drittel der kalkulierten Zeitspanne ging ihm die Atemluft aus, und ich mu?te ihn retten. Infolge des raschen Druckwechsels und einiger menschlicher Eigenarten, die ihr Meskliniten anscheinend nicht mit uns teilt, kam er beinahe ums Leben. Um eine ausreichende Sauerstoffversorgung unserer Atemorgane zu gewahrleisten, mussen wir normale Luftmengen inhalieren, ganz abgesehen von Sauerstoffgehalt oder Gesamtdruck, da sonst die Abfallprodukte, vorwiegend Kohlendioxid, uberwiegen… Ich mochte beileibe niemandes Intelligenz anzweifeln, wenn ich nun frage, ob man mich verstanden hat, aber ich hatte gerne von euch beiden eine Stellungnahme zu dieser Geschichte.“

Die Antworten waren aufschlu?reich, sowohl ihrem Inhalt nach wie auch aufgrund der Zeitspanne, die bis zu ihrem jeweiligen Eintreffen verstrich. Barlennans Kommentar erreichte den Satelliten fast unmittelbar nach Ablauf der Ubermittlungsverzogerung; Dondragmers Antwort traf sehr viel spater ein, so spat, da? sie sich mit der Durchsage des Commanders nicht uberschnitt.

„Die Lehre aus dieser Geschichte lautet wohl“, sagte Barlennan, „da? unvollstandiges Wissen zu schweren Fehlern verfuhren kann, aber ich begreife den Zusammenhang mit der Gegenwart nicht. Wir wissen, da? unsere Kenntnisse unvollstandig sind und unsere Tatigkeit auf Dhrawn deshalb gefahrlich ist. Wir wu?ten es seit jeher. Warum willst du diese Tatsache jetzt besonders betonen?

Aufrichtig gesagt, ich wurde nun lieber Informationen uber das Fahrzeug horen, das sich deinen Worten zufolge in Schwierigkeiten befindet.

Du gibst mir Anla? zu dem Verdacht, da? du mich behutsam auf den Verlust eines weiteren Fahrzeugs vorbereiten willst; eine solche Haufung von Ausfallen la?t wohl darauf schlie?en, da? eure Konstrukteure Fehler begangen haben. Beunruhige dich nicht, ich werde dir keine Vorwurfe machen.

Niemand konnte alles voraussehen.“

Ib lachelte sauerlich. „In diese Richtung wollte ich unser Gesprach keineswegs lenken, Commander, doch deine Antwort enthalt einige einleuchtende Aspekte. Dennoch wurde ich gerne Dondragmers Antwort horen, bevor ich mich weiter au?ere.“

Noch eine volle Minute verstrich, bevor die Stimme des Captains der Kwembly den Satelliten erreichte. „Deine Worte waren absolut unmi?verstandlich“, versicherte Dondragmer, „aber du hattest dich wohl kurzer gefa?t, ware deine Aussage nicht tiefschurfender gedacht. Wie ich vermute, liegt die Kernfrage weniger darin, da? dein Sohn einmal durch Unwissenheit in Schwierigkeiten geriet, sondern eher darin, da? ihm dies trotz der Unterstutzung eines uberlegenen Erwachsenen widerfuhr. Ich denke, deine Au?erung ist so aufzufassen, da? wir uns wahrend der Erforschung Dhrawns, obwohl ihr Menschen unseren Kenntnissen voraus seid und uns deshalb Unterstutzung leisten konnt, zusatzlichen Gefahren aussetzen, sobald wir nach eigenem Gutdunken handeln.“

„Richtig, genau so habe ich es gemeint“, sagte Ib.

„Ich…“

„Einen Moment“, unterbrach Easy. „Solltest du nicht Dondragmers Antwort zunachst an Barlennan weiterleiten?“

„Selbstverstandlich.“ Ihr Mann gab dem Commander eine gestraffte Wiederholung von Dondragmers Durchsage, dann erganzte er die eigenen Worte. „Ich kann dir nichts aufzwingen, Barlennan, und konnte ich es, wurde ich wahrscheinlich darauf verzichten. Ich mochte auch keineswegs eine Enthullung aller Ereignisse, die sich

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