Das gleiche gilt auch fur euch und alle anderen Mitglieder des Hofstaates. Bei Serapis, was halt das Schicksal noch fur Schlage fur uns bereit? Wir, der rechtma?ige Herrscher beider Agypten, sind eingesperrt und der Gnade eines Weibes ausgeliefert! Dabei haben meine Ahnen einst sogar uber diese stolze Stadt geherrscht.«

»Sollen wir Ephesos verlassen und an einem anderen Ort Asyl suchen, Gottlicher?«

Der Herrscher blieb stehen und hob seine Hande zum Himmel.

»An einen anderen Ort gehen? Wohin denn? Wo sind wir denn vor den Meuchlern unserer treulosen Tochter sicher? Selbst die Gotter haben sich doch gegen uns verschworen. So wie die Dinge stehen, ware es sogar gefahrlich, vom Artemision bis zum Hafen zu gehen. Die Hohepriesterin behauptet, das Volk der Stadt sei au?er sich wegen des Frevels, den Buphagos begangen hat, als er die Prozession storte. Diese Priesterin hat die Orakel befragt und glaubt nicht, da? die Gottin es war, die den Mundschenk gerichtet hat. Zu guter Letzt glaubte uns dieses respektlose Weib sogar die Warnung mit auf den Weg geben zu mussen, dafur zu sorgen, da? die Machtkampfe des Hofes nicht an diesem heiligen Ort ausgetragen werden sollen. Angeblich wurden wir das Asylrecht der Gottin durch unser schandliches Treiben verhohnen. Was denkst du dazu, Potheinos? Gibt es jemanden, der das Asylrecht verletzt und weitere Morde plant?« Die Stimme des Pharao hatte bei den letzten beiden Satzen einen drohenden Ton angenommen.

»Nein, Gottlicher! Es war Artemis, die den Frevler gerichtet hat. Daran kann nicht der mindeste Zweifel bestehen.«

»Und Thanatos?« Samu blickte von einem zum anderen. Die beiden Manner schwiegen. Schlie?lich machte der Pharao eine wegwerfende Geste. »Was wissen wir schon von den Gottern dieses Landes. Du bist Priesterin, Samu. Es ist deine Aufgabe, dich um uns zu kummern. Wenn du glaubst, wir sind durch Thanatos in Gefahr, dann rufe Isis zu unserem Schutz an!«

»Die Zauberreiche beschutzt nur jene, die ihr Respekt erweisen. Einen Gott zu verhohnen, ist eine gefahrliche Sache. Ich hoffe, Ihr wi?t dies, Gottlicher.«

Ptolemaios schnaubte verachtlich. »Wir sind selbst ein Gott, Sterbliche. Vergi? das nicht! Fur uns gelten deine Gesetze nicht!«

Dunkle Wolken verfinsterten den Himmel. Es wurde nicht mehr lange dauern, bis es zu regnen anfing. Die drei beschleunigten ihre Schritte, wahrend von der See her Donnergrollen ertonte.

3. KAPITEL

Mit klammen Fingern hielt Philippos den warmen Wollumhang, den er um die Schultern geschlungen hatte.

Er atmete tief die kuhle Meeresluft ein. Es war leicht gewesen, die Tempelwachen zu tauschen. Das war bisher sein einziger Erfolg an diesem lausigen Tag. Sie hatten ihn fur einen Romer oder Griechen gehalten. Jedenfalls wurde er nicht mit den Hoflingen des Ptolemaios in Verbindung gebracht und hatte ungehindert den Asylbezirk des Artemisions verlassen konnen.

Den ganzen Tag uber hatte eine gedruckte Stimmung auf der Villa gelastet. Die Sache mit der Enthauptung des Mundschenks machte den meisten Hoflingen angst. Man horte kein Lachen mehr im Palast. Die Sklaven schlichen mit gesenktem Haupt durch die langen Flure. Selbst das lautstarke Larmen der Prinzessin und ihrer Bruder war verstummt. Philippos hatte nicht gedacht, da? er es eines Tages einmal vermissen wurde. Die Nachforschungen uber Buphagos hatten keinen Hinweis auf eine Verschworung ergeben. Der eitle Kerl war nur deshalb in den Palast zuruckgekehrt, um seine verwischte Schminke zu erneuern. Eine Sklavin hatte ihm dabei geholfen. Danach war er sofort wieder zu den Stufen des Artemisions zuruckgeeilt.

Philippos trat gegen einen Stein, der ein Stuck weit uber die schlammige Stra?e hupfte und dann leise platschend in einer Pfutze verschwand. Was hatte er auch von einem Langeweiler wie Buphagos anderes erwarten sollen? Es gab zwar Geruchte, er habe eine Affare mit Thais gehabt, doch ahnliche Geschichten erzahlte man sich uber jeden zweiten Mann bei Hof. Dem nachzugehen ware reine Zeitverschwendung.

Uberhaupt war der Arzt froh, wenn er dieser arroganten, kleinen Hetaire in nachster Zeit nicht mehr begegnen mu?te.

Er hatte ihre Worte noch nicht vergessen, und sie brannten in seinem Herzen wie Salz in einer offenen Wunde. Heute nacht wurde er sich beweisen, da? es noch mehr als genug Frauen gab, die mit Freuden sein Lager teilten.

Mit langen Schritten eilte er die Stra?e entlang, bis sich vor ihm der gewaltige Schatten des Koressischen Tores erhob. Auf dem Wehrgang neben der Toranlage flackerte das Licht einer einsamen Fackel. Die schweren, bronzebeschlagenen Flugel des Stadttores waren verschlossen. Philippos trat mit seinen genagelten Caligae gegen die dicken Holzbohlen. Dumpf hallte der Klang seiner Tritte im Torgewolbe wider.

Eine Boe traf den Arzt von hinten, zerrte an seinen Kleidern und brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Gehetzt blickte Philippos uber seine Schulter. In Nachten wie diesen waren die Erinnyen auf der Jagd. Das Wetter war viel zu schlecht fur diese Jahreszeit. Die Gotter zurnten!

Eine kleine Pforte offnete sich im Tor, und undeutlich erkannte Philippos ein ovales, blasses Gesicht. »Was willst du hier nach Sonnenuntergang, Fremder?«

»Den Sold eines Torwachters aufbessern und ein paar Stunden dieser gra?lichen Nacht an die zarte, warme Haut einer jungen Hetaire geschmiegt verbringen.« Der Arzt zog eine Kupfermunze aus dem Geldbeutel an seinem Gurtel und reichte sie dem Soldaten. Das Gesicht verschwand. Hinter den dicken Torbohlen erklang ein knirschendes Gerausch. Dann offnete sich eine kleine Mannpforte, und der Wachter winkte Philippos herein.

»Wenn du gehst, mu?t du noch einmal zahlen.«

»Du willst wohl als reicher Mann sterben!«

Der blasse Soldat spuckte gegen die dunkle Wand des Torgewolbes. »Unsinn! Ich habe die Halfte meiner Einnahmen an den Hauptmann der Wache abzufuhren. Ein Kupferstuck kann man schlecht teilen. Wenn du wiederkommst, wirst du noch einmal zahlen.«

»Und wenn ich bis zum Morgengrauen warte?«

Der Soldat lachte heiser. »Du kommst doch vom Tempel. Ich kenne deinesgleichen. Ihr wollt immer vor Morgengrauen wieder im Heiligtum sein, um so zu tun, als hattet ihr die ganze Nacht euer Lager nicht verlassen. Mach mir also nichts vor, Mann.« Das Gelachter des Wachters im Rucken machte Philippos sich davon. Dieser Bastard kannte seine Kunden!

Argerlich vor sich hinbrummend durchquerte er das Torgewolbe, folgte dem langen Bau des Stadions und bog dann nach links ab. Hier hatten die machtigen Handelsherren der Stadt ihre Villen errichtet. Prachtige Hauser mit reich gegliederten, marmornen Fassaden, in denen jetzt Tausende unheilverkundender Schatten zu nisten schienen. Philippos mu?te an die Geschichte des Thanatos denken, die man sich uberall erzahlte, wie er als Marmorbild zum Leichnam des Mundschenks geflogen war. Auch hier gab es uberall marmornes Schmuckwerk. Flache Reliefs an Giebeln, die Gotter und Heroen zeigten. Nervos blickte Philippos uber seine Schultern.

Der Wind fing sich an Saulenvorsprungen und Schmuckgiebeln. Allenthalben war ein Pfeifen und Heulen zu horen, als hatten sich die Pforten des Hades geoffnet.

Der Grieche beschleunigte noch einmal seinen Schritt. Fast schon laufend eilte er die Stra?e entlang, bis er das gro?e, aus dem Felsen gehauene Theater erreichte. Dort bog er auf die lange, gerade Hafenstra?e ab. Hier waren Menschen! Gelbes Licht leuchtete durch die Ritzen holzerner Fensterladen. Hier und da huschte ein spater Gast dicht an die Hauserwande gedruckt von einer Taverne in die nachste.

Keuchend verharrte der Arzt, um wieder zu Atem zu kommen.

Was fur ein Bild ware es auch, wenn er hechelnd in der Tur seiner Gespielin fur diese Nacht auftauchen wurde.

Als er sich wieder gefa?t hatte, schlenderte Philippos gelassen die Stra?e hinab. Es gab Dutzende Laden

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