Philippos schuttelte den Kopf. Das war nicht die Art, in der man im Krieg totete. Er hatte alle Arten von Hieb- und Stichwunden behandelt und hatte mitangesehen, wie die Soldaten zu Dutzenden an irgendwelchen Seuchen krepierten, doch mit Giftmorden hatte er sich nicht einmal in der Theorie beschaftigt. So etwas hatte keinen Platz in seinem Leben!

»Ich habe zweimal erlebt, wie jemand vergiftet wurde.« Samus Stimme war kaum mehr als ein Flustern. »Im Palast ist das keine seltene Art, aus dem Leben zu scheiden. Meistens haben die Opfer gro?e Schmerzen, bevor der Tod sie erlost.«

»Und wer sollte ein Interesse am Tod der Kleinen haben?«

Samu zog eine Grimasse. »Sie war jung, und der Pharao war vollig verruckt nach ihr. Was glaubst du, wie viele Hofdamen eine Trane um sie vergie?en werden? Ptolemaios hatte nur noch Augen fur sie! Vielleicht war sogar Potheinos eifersuchtig auf sie, weil sie mehr Einflu? auf den Neuen Osiris hatte als er.«

»Unsinn!« Philippos schuttelte den Kopf. »Buphagos ist auf die gleiche Art gestorben wie sie. Wo besteht der Zusammenhang? Welche Hofdame konnte ein Interesse daran haben, da? dieser Langweiler in den Hades geht?«

»Man erzahlt sich, da? dieser Langweiler, wie du ihn nennst, eine Affare mit Thais hatte.«

Philippos lachte laut auf. »Thais und Buphagos? Niemals! Was sollte er gehabt haben, das die Kleine interessieren konnte.«

»Beziehungen! Ich erinnere mich, da? er es war, der Thais an den Hof geholt hat. Das geschah, kurz bevor Ptolemaios aus Alexandria vertrieben wurde. Eigentlich war sie eine Tanzerin und Flotenspielerin. Ohne die Hilfe des Mundschenks ware sie wohl nie auch nur in die Nahe des Pharao gelangt.«

Der Grieche strich sich nachdenklich uber den Bart. Das alles ergab fur ihn keinen rechten Sinn. »Nehmen wir einmal an, Thais ware ihr alter Fursprecher lastig geworden, weil sie inzwischen hoher in der Gunst des Pharaos stand als ihr fruherer Schutzherr. Wenn Buphagos ihr lastig geworden ware, hatte sie vielleicht ein Interesse daran gehabt, ihn zu toten. Doch warum sollte sie sich anschlie?end auf die gleiche Weise umbringen?«

»Und wenn es einen Dritten gibt?«

»Wer sollte das sein? Ich glaube, du verrennst dich in . « Ein Gerausch lie? Philippos herumfahren. Etwas auf dem Tisch am Fenster war umgesturzt.

Samu hielt die Ollampe hoch. Ein Schatten huschte vom Tisch auf den Boden und verschwand unter der Kline. »Die Katze!«

Philippos nickte. Noch immer starrte er auf den Schminktisch. Zwei Spiegel reflektierten das Licht des Lampchens. »Kommst du mal heruber?«

Die Priesterin blickte ihn fragend an. »Was ist denn?«

»Der Tisch . ich mochte ihn mir gerne naher ansehen. Ich glaube, Thais war eine Diebin!«

Im Licht der Ollampe erkannte der Grieche den Spiegel, den er in der Kammer des Buphagos gesehen hatte. Daneben lag umgesturzt das holzerne Salbgefa?, das wie ein Lastkorb auf dem Rucken eines knienden Sklaven angebracht war. Philippos richtete die kleine Skulptur wieder auf und verschlo? den Deckel des Gefa?es. »Die Katze mu? das Ochsenfett in der Salbe gerochen haben. Sie wollte wohl davon naschen und hat es dabei umgesto?en.«

»Wie nachlassig von Thais, das Topfchen nicht zu schlie?en.«

Samu griff nach dem kostbaren Kleinod und betrachtete es bewundernd. »Was fur eine prachtige Arbeit! Es sieht aus, als sei es fur einen Pharao gemacht.«

»Und doch gehorte es nur einem Mundschenk . Ich habe es gestern in Buphagos’ Zimmer gesehen. Auch der Spiegel dort vorne mit der tierohrigen Frauengestalt und die beiden Schminktiegel daneben haben einmal dem Mundschenk gehort. Thais hat das alles gestohlen.«

»Vielleicht hat Buphagos sie auch zu seiner Erbin ernannt. Du wei?t doch, da? sie auch seine Geliebte war.«

»Eine solche Angelegenheit ware niemals ohne Pothei-nos abgewickelt worden. Als hochster Beamter bei Hofe ware er dafur zustandig gewesen.«

Samu lachelte. »Und was hatte er getan? Einen Teil des Erbes fur seine Muhen behalten. Vermutlich ein oder zwei der schonsten Stucke. Und es ware nichts weiter geschehen, als da? man die Habe des Toten unter seiner Aufsicht von einem Zimmer in ein anderes getragen hatte. Ich kann schon verstehen, wenn Thais diese Angelegenheit lieber ohne die Hilfe dieses Geiers erledigt hat.«

»Und was wird jetzt mit den Sachen geschehen?« Philippos blickte auf den kostbaren Spiegel aus Gold und Silber. Wahrscheinlich wu?te noch niemand, da? er zum Besitz der Hetaire gehorte. Folglich wurde ihn auch niemand vermissen ...

»Du denkst doch nicht etwa daran, etwas mitgehen zu lassen?«

Philippos verzog beleidigt das Gesicht. »Was denkst du von mir, Priesterin? Ich bin ein Mann von Ehre!«

Samu lachelte. »Ich kenne dich lange genug, um daruber keine Diskussion mit dir zu beginnen. Doch solltest du dir abgewohnen, Hathor, die goldene Himmelsgottin und Herrin des Fremdlandes, eine tierohrige Frau zu nennen. Sollte Ptolemaios tatsachlich eines Tages wieder in Alexandria herrschen, dann wirst du dir mit solchen Bemerkungen unter den Agyptern im Palast keine Freunde machen.«

»Ich werde es mir merken«, entgegnete der Arzt verargert.

Diese Priesterin war kaum zu ertragen! Wen hatte es schon gestort, wenn er den Spiegel an sich genommen hatte. Jetzt wurde ihn jemand anderes stehlen! Kurz uberlegte Philippos, ob er vielleicht noch einmal zuruckkommen sollte, wenn Samu gegangen war. Doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Er wurde sich nicht die Blo?e geben, da? die Priesterin vielleicht eines Tages Diebesgut unter seinem Besitz fand.

»Wollen wir gehen?« Samu hatte sich vom Schminktisch abgewandt und stand bereits neben der Tur.

Philippos folgte ihr. Noch einmal betrachtete er die schone Thais. Im gelben Licht der Ollampe wirkte sie nicht einmal bla?. Unter ihren Handgelenken hatte sich das Seidentuch, das uber ihre Kline gebreitet war, dunkel verfarbt. Was fur eine Verschwendung! Sie hatten sie auf den Stuhl setzen sollen.

Die Blutflecken wurde man nie wieder aus der Seide herauswaschen konnen, und das Tuch war mindestens sein Gewicht in Gold wert! Dicht neben dem Kopf der Toten kauerte die kleine graue Katze. Sie leckte Thais die Wange, so als wollte sie ihre Herrin wecken. Schlie?lich gab sie auf, rollte sich neben der Toten zusammen und legte ihren Kopf auf die rechte Schulter der Hetaire.

»Was sollen wir mit ihr machen?«

Samu zuckte mit den Schultern. »Lassen wir sie hier. Soll sie die Totenwache halten. Wir konnen nicht mehr bleiben. Falls irgendwelche neugierigen Sklaven das Zimmer beobachten, machen wir uns verdachtig, wenn wir noch langer verweilen.«

»Die Totenwache!« Philippos bi? sich auf die Lippen, um nicht laut zu fluchen. »Wir konnen Thais doch nicht einfach so liegen lassen! Du bist Priesterin, Samu! Du wei?t, was geschehen kann, wenn man die Toten ohne Ehrenwache sich selbst uberla?t!«

Die Priesterin zogerte einen Moment, dann nickte sie. »Du hast recht!« Mit flinken Schritten durchquerte Samu das Zimmer, kramte kurz zwischen den Schminktiegeln herum und kam dann mit einem kleinen Topfchen aus rotem Stein zuruck.

»Was hast du vor?«

»Wenn unsere Toten in das Reich des Westens gehen, dann ist es ublich, sie mit Amuletten gegen all die Widrigkeiten zu schutzen, die ihnen auf diesem Weg begegnen konnen. Eines der wichtigsten Amulette ist das Tel, das auch das Isis-Blut genannt wird. Es wird normalerweise aus Jaspis oder Karneol gefertigt, doch ich hoffe, ein wenig rote Schminke wird ausnahmsweise denselben Zweck erfullen.« Die Priesterin tauchte ihren Zeigefinger in das Schminktopfchen und malte dann ein seltsames Zeichen zwischen die Bruste der Toten.

»Dein Blut gehort Dir, Isis,

Deine Zaubermacht gehort Dir, Isis,

Deine Zauberkraft gehort Dir, Isis.

Das Amulett ist der Schutz dieser Gro?en und behutet sie vor dem, der Verbrechen an ihr

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату