begeht.«

Einen Moment noch verharrte die Priesterin schweigend, dann endlich gab sie ein Zeichen zu gehen, und Philippos war froh, sich auf sein Zimmer zuruckziehen zu konnen. Es war ihm unheimlich mitanzusehen, wie Samu ihre Magie ausubte, und in Momenten wie diesen fragte er sich, ob er uberhaupt nach Agypten wollte, denn dort in der Heimat dieser seltsamen tierkopfigen Gotter wurde die Priesterin gewi? noch viel machtiger sein.

Im Atrium trennten sich die beiden. Es wurde nicht mehr lange bis zum Morgengrauen dauern, und als Philippos sich endlich auf seiner Kline ausstreckte, schlief er fast sofort ein.

Das letzte, woran er dachte, war der prachtige Spiegel aus Gold und Silber. Hatte er ihn nur schon im Zimmer von Buphagos an sich genommen! Mochten die Gotter wissen, wer sich dies kostbare Kleinod jetzt aneignete. 

5. KAPITEL

Heller Rauch wand sich in Spiralen aus dem Feuerbek-ken der Decke entgegen. Breite Bahnen aus goldenem Licht durchschnitten das gro?e Zimmer der Hetaire. Kein Luftchen regte sich drau?en, und dumpfe, brutende Hitze lag uber dem Land. Der Himmel war klar und wolkenlos. Selbst die sonst allgegenwartigen Mowen waren verschwunden und hatten irgendwo Schutz vor der Sonne gesucht. 

Der Rauch der Krauter, die in der kleinen Kohlenpfanne schwelten, war zwar wurzig und angenehm, doch hatte er in der Hitze des Nachmittags auch etwas Erstickendes. Samu atmete schwer. Die Lichtbalken, die durch die Fenster schossen, schienen wie goldene Speere um sie herumzutanzen.

Hei?er Schwei? tropfte ihr von den Achseln. Die wei?e Flache der Wand ihr gegenuber veranderte sich. Es schien, als wurde sie kippen und zu einer Ebene werden. Die Priesterin hatte gehort, da? es irgendwo, weit im Westen, eine Wuste geben sollte, wo der Sand so wei? war, da? es schmerzte, ihn im hellen Sonnenlicht anzusehen. So erschien ihr jetzt auch die wei?e Ebene, die sich in der Wand geoffnet hatte. Samu blinzelte die Tranen fort, die ihr in die Augen getreten waren. Kleine Punkte bewegten sich in dem Wei?. Sie kamen ihr entgegen.

Einer der Flecken zog sich in die Lange. Die Konturen wurden scharfer ... Schlie?lich erkannte sie eine Frauengestalt. Sie war hochgewachsen und schon. Sieben kleine Katzen waren um sie herum. Die Tiere wirkten ernst, so als hatten sie eine wichtige Aufgabe. Wachsam blickten sie in alle Richtungen, fast so wie Krieger, die ihren Pharao in der Schlacht beschutzen sollten.

Plotzlich begannen die Katzen zu maunzen. Ein riesiger, schwarzer Schatten war auf die Ebene gefallen. Er sah ein wenig aus wie ein gro?er Hundekopf. Die Katzen sturzten tot zu Boden. Drohend erhob die Frauengestalt ihre Faust zum Himmel, dorthin, wo irgendwo das Ungeheuer sein mu?te, das seinen Schatten auf die Ebene warf. Die Bilder verschwommen Samu vor den Augen. Die Frau loste sich ... Der Schatten verlor seine Form. Sie sah nur noch schwarz und wei?, schwarz und wei? . Hell und dunkel schienen wie in Spiralen miteinander verwoben.

Wieder horte sie eine Katze maunzen. Die Vision war verflogen. Die kleine, graue Katze, die Thais gehort hatte, kauerte neben dem Leichnam ihrer toten Herrin und blickte Samu mit gro?en, grunen Augen an. Wieder miaute das Tier, als wolle es der Priesterin etwas sagen.

»Was ist denn, meine Kleine?« Samu wollte sich vorbeugen, doch richtete sie sich sofort wieder auf. Ihr war ubel, und mit jeder Bewegung wurde es schlimmer. Was mochte die Vision bedeutet haben? Die Priesterin war sicher, da? die Frauengestalt Isis gewesen war. Doch die Katzen . Es gab eine Geschichte, in der die Gottin von sieben Skorpionen begleitet in die Wuste floh und sich vor Seth versteckte, der ihren Gefahrten Osiris getotet hatte.

Doch Katzen hatten mit dieser Geschichte nichts zu tun! Es gab keine Erzahlung von sieben Katzen. Der Schatten des Hundekopfes, das mochte vielleicht Seth gewesen sein oder auch der schakalkopfige Anubis, doch Katzen .

Traurig blickte die Priesterin auf die nackte Tote hinab. Sie wurden sie verbrennen! Samu hatte um Thais gekampft und hatte verloren. Wieder einmal war es Potheinos gewesen, der sich durchgesetzt hatte. Die Vernunft war auf seiner Seite.

Manchmal hatte die Priesterin das Gefuhl, da? diese Vernunft etwas zutiefst Griechisches war. Der Eunuch war fur all ihre Einwande taub gewesen. Samu war sicher, da? Thais gewunscht hatte, nach dem alten Ritus einbalsamiert und in ein Felsgrab gelegt zu werden. Es ware auch moglich gewesen, ein Felsgrab zu bekommen. Berge gab es genug um Ephesos, und wenn Ptolemaios Thais tatsachlich so geliebt hatte, wie er behauptete, dann waren die Kosten fur ein solches Grab mit Sicherheit kein Hinderungsgrund gewesen. Er hatte so viele Schulden bei den Romern und selbst bei dem Megabyzos, dem Verwalter der Schatze des Artemisions, gemacht, da? das Gold fur ein Grab nicht ins Gewicht gefallen ware.

Potheinos war taktvoll oder verschlagen genug gewesen, in seiner Argumentation nicht von Gold zu sprechen. Er sagte, die Priesterinnen der Artemis wurden die Kunst des Einbalsamierens nicht guthei?en. Also konnte man von ihnen auch nicht erwarten, da? sie diesbezuglich Schritte unternahmen.

Da es aber dem gesamten Hofstaat des Pharaos verboten war, das Gelande des Tempels zu verlassen, gab es auch niemanden, den man in die Stadt schicken konnte, um einen Einbalsamierer zu suchen. Nicht einmal einen Sklaven konnte man als Boten senden, denn die Tempelsklaven, die Ptolemaios zu Diensten standen, lie?en sich nicht dazu uberreden, eine solche Aufgabe zu ubernehmen.

Samu hatte vorgeschlagen, einen der Besucher des Heiligtums mit einer Botschaft in die Stadt zu schicken, doch war Potheinos zu stolz, diesen Weg zu gehen. Nach seinen Worten durfte ein Gott nicht zu einem Bittsteller vor einem dahergelaufenen Bauern werden.

Fur Samu war all dies nur leeres Gerede. In ihren Augen unterwarf sich der Neue Osiris der Jagerin Artemis. Indem der Pharao duldete, da? Thais verbrannt wurde, brachte er der Gottin ein Opfer und hoffte vielleicht, auch sie vergessen zu machen, zu welchem Anla? die Liebesdiene-rin das Gewand einer jungfraulichen Priesterin angelegt hatte. Er verdammte Thais auf diese Weise dazu, im jenseitigen Leben ohne Korper zu sein. Ja, er zerstorte das, was er an ihr am meisten geliebt hatte! Ob er sich wohl schuldig am Tod der Tanzerin fuhlte? Wollte er, da? sie auf immer vernichtet wurde, damit er ihr auch im Reich des Westens nicht mehr begegnen mu?te? Man wurde sie auch bei Hof schneller vergessen, wenn Thais morgen verbrannt wurde. Die Einbalsamierung hatte neunzig Tage gedauert, und erst nach dieser Frist ware die Tote feierlich in ihr Grab gebettet worden.

Naturlich hatte Potheinos auch fur die schnelle Verbrennung einen ganz pragmatischen Grund nennen konnen. Es war die Hitze. Seiner Meinung nach war es nicht schicklich, einen Toten bei diesen Temperaturen langer als zwei Tage unbestattet zu lassen. Samu schnaubte verachtlich. Sie wu?te, da? der erste Eunuch schon vor einigen Jahren ein prachtiges Grabmal fur sich errichtet hatte. Es lag in der Nekropole ostlich von Alexandria. Er wollte nicht, da? man seinen Leib verbrannte!

Samu stellte den Tiegel auf den Boden, den sie die ganze Zeit uber in der Hand gehalten hatte, und musterte den nackten Leichnam der Tanzerin. Sie hatte all die Amulette auf den Korper aufgemalt, die man unter anderen Bedingungen beim Einbalsamieren zwischen den Leinenbinden angebracht hatte.

Samu war entschlossen, jene Zauber, die der Totenritus vorschrieb, zu wirken, jedenfalls soweit sie diese kannte. Vielleicht hatten die Gotter Agyptens ja auch hier genugend Macht, um ein Wunder geschehen zu lassen. Womoglich wurden sie den Leib der Toten vor den Flammen schutzen oder ihn entrucken.

Jeder Teil des menschlichen Korpers hatte seinen eigenen Schutzgott, und Samu wurde sie alle beim Namen nennen und um Hilfe bitten. Sie schlo? die Augen und versuchte, sich an den Wortlaut des langen und komplizierten Zauberspruches zu erinnern.

Neben der Kline stand das niedrige Feuerbecken, in dem Samu Weihrauch und anderes Raucherwerk verbrannt hatte.

Die Wohlgeruche sollten ihr helfen, ihren Geist fur die Kraft der Magie zu offnen.

»Dein rechtes Auge ist die Nachtbarke, dein linkes Auge ist die Tagesbarke, und deine Augenbrauen sind die Gotterneunheit.

Dein Scheitel ist Anubis, dein Hinterkopf ist Horus, deine Finger sind Thot, deine Haarlocke ist ...«

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