weiten Strecken, nur leicht im Schlaf beirrt, zusammenkehrt, scheint einem der Schlaf besonders tief und die Unruhe drau?en besonders laut zu sein.

Auch die Schaffner, die ich ofters an meiner getrubten Fensterscheibe voruberlaufen sah, und die niemanden wecken, sondern nur ihre Pflicht erfullen wollten, riefen in der Leere der Bahnhofsraume uberlaut eine Silbe des Stationsnamens zu uns herein und weiterhin die andern. Dann lockte es meine Reisegenossen sich den Namen zusammenzusetzen oder sie erhoben sich, um durch die immer wieder abgewischte Scheibe den Namen selbst zu lesen; mein Kopf aber fiel schon zuruck aufs Holz.

Wenn man aber schon einmal so gut im Fahren schlafen kann wie ich - Samuel durchsitzt die ganze Nacht mit offenen Augen, wie er behauptet - dann sollte man auch erst bei der Ankunft erwachen durfen, um sich nicht im Augenblick des Aufwachens aus gesundem Schlaf mit fettigem Gesicht, nassem Korper, kreuz und quer gedruckten Haaren, in Wasche und Kleidern, die 24 Stunden, ohne geputzt und geluftet zu werden, im Eisenbahnstaub bestanden habend, in einen Winkel des Koupees gekrummt zu finden und in diesem Zustand weiterfahren zu mussen. Hatte man jetzt die Kraft dazu, wurde man den Schlaf verfluchen, so aber beneidet man nur im Stillen Leute, die wie Samuel, vielleicht nur weilchenweise geschlafen haben, aber dafur auch besser auf sich achten konnten, fast die ganze Fahrt mit Bewu?tsein gemacht haben und die durch die Unterdruckung des Schlafes, dessen sie schlie?lich auch fahig gewesen waren, bei ununterbrochenem klarem Verstande geblieben sind. Ich war ja Samuel am Morgen ausgeliefert. Wir standen nebeneinander beim Fenster, ich nur seinetwegen, und wahrend er mir zeigte, was von der Schweiz zu sehen war und von dem erzahlte, was ich verschlafen hatte, nickte ich und bewunderte, wie er wollte. Es ist noch ein Gluck, da? er solche Zustande an mir entweder nicht merkt oder nicht richtig beurteilt, denn gerade zu solchen Zeiten ist er freundlicher zu mir, als dann, wenn ich es besser verdiene. Ernsthaft aber dachte ich damals nur an die Lippert. Ein wahres Urteil uber neue kurze Bekanntschaften, besonders mit Frauen, kann ich mir ja nur schwer bilden. In der Zeit namlich, in der die Bekanntschaft im Gange ist, beaufsichtige ich lieber mich selbst, weil da viel zu tun ist, und so habe ich auch an ihr nur einen lacherlichen Teil von dem bemerkt, was ich fluchtig und gleich verloren an ihr ahnte. In der Erinnerung wiederum nehmen diese Bekanntschaften sofort gro?e anbetungswurdige Formen an, da sie dort stumm sind, nur ihrer eigenen Beschaftigung nachgehn und durch ihr volliges Vergessen unserer Person ihre Mi?achtung unserer Bekanntschaft zeigen. Doch war noch ein anderer Grund, weshalb ich mich nach Dora, dem nachsten Madchen meiner Erinnerung, so sehnte. Samuel genugte mir an diesem Morgen nicht. Er wollte als mein Freund eine Reise mit mir machen, aber das war nicht viel. Das bedeutete nur, da? ich an allen Tagen dieser Reise einen angezogenen Mann neben mir haben werde, dessen Korper ich nur im Bade sehen kann, ohne auch nach diesem Anblick das geringste Verlangen zu haben. Samuel wurde ja schlie?lich meinen Kopf an seiner Brust dulden, wenn ich dort weinen wollte, aber konnen mir beim Anblick seines mannlichen Gesichts, seines knapp wehenden Spitzbartes, seines zusammengeklappten Mundes - da hore ich schon auf - konnen mir denn ihm gegenuber die erlosenden Tranen in die Augen kommen?

(Fortsetzung folgt)

Gro?er Larm

Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Larms der ganzen Wohnung. Alle Turen hore ich schlagen, durch ihren Larm bleiben mir nur die Schritte der zwischen ihnen Laufenden erspart, noch das Zuklappen der Herdture in der Kuche hore ich. Der Vater durchbricht die Turen meines Zimmers und zieht im nachschleppenden Schlafrock durch, aus dem Ofen im Nebenzimmer wird die Asche gekratzt, Valli fragt, durch das Vorzimmer Wort fur Wort rufend, ob des Vaters Hut schon geputzt ist, ein Zischen, das mir befreundet sein will, erhebt noch das Geschrei einer antwortenden Stimme. Die Wohnungsture wird aufgeklinkt und larmt, wie aus katarrhalischem Hals, offnet sich dann weiterhin mit dem Singen einer Frauenstimme und schlie?t sich endlich mit einem dumpfen, mannlichen Ruck, der sich am rucksichtslosesten anhort. Der Vater ist weg, jetzt beginnt der zartere, zerstreutere, hoffnungslosere Larm, von den Stimmen der zwei Kanarienvogel angefuhrt. Schon fruher dachte ich daran, bei den Kanarienvogeln fallt es mir von neuem ein, ob ich nicht die Ture bis zu einer kleinen Spalte offnen, schlangengleich ins Nebenzimmer kriechen und so auf dem Boden meine Schwestern und ihr Fraulein um Ruhe bitten sollte.

Aus Matlarhaza. In Matlarhaza ist gegenwartig eine kleine Ausstellung von Tatra-Bildern von Anton Holub zu sehen, die lebhafte Aufmerksamkeit findet und verdient. Unter den Aquarellen scheinen uns jene aus abendlichen Stimmungen mit ihrem dusteren Ernst den Vorzug zu verdienen, wahrend die Ansichten aus sonnigen Tagen bei aller Feinheit der Tone eine gewisse Erdenschwere noch nicht uberwinden konnen. Vor allem aber gefallen die Federzeichnungen. Mit ihrem zarten Strich, ihrem perspektivischen Reiz, ihrer wohlbedachten bald holzschnittma?igen, bald mehr der Radierung angenaherten Komposition sind es erstaunlich achtungswerte Leistungen. Gerade solche treue, dabei personlich betonte Bilder sind mehr als alles andere imstande, den Blick fur die Schonheit unserer Berge zu offnen. Wir wurden uns freuen, wenn von diesen Arbeiten bald eine gro?ere und auch einem gro?eren Publikum zugangliche Ausstellung veranstaltet wurde.

Der Kubelreiter

Verbraucht alle Kohle; leer der Kubel; sinnlos die Schaufel; Kalte atmend der Ofen; das Zimmer vollgeblasen von Frost; vor dem Fenster Baume starr im Reif; der Himmel, ein silberner Schild gegen den, der von ihm Hilfe will. Ich mu? Kohle haben; ich darf doch nicht erfrieren; hinter mir der erbarmungslose Ofen, vor mir der Himmel ebenso; infolgedessen mu? ich scharf zwischendurch reiten und in der Mitte beim Kohlenhandler Hilfe suchen. Gegen meine gewohnlichen Bitten aber ist er schon abgestumpft; ich mu? ihm ganz genau nachweisen, da? ich kein einziges Kohlenstaubchen mehr habe und da? er daher fur mich geradezu die Sonne am Firmament bedeutet. Ich mu? kommen, wie der Bettler, der rochelnd vor Hunger an der Turschwelle verenden will und dem deshalb die Herrschaftskochin den Bodensatz des letzten Kaffees einzuflo?en sich entscheidet; ebenso mu? mir der Handler, wutend, aber unter dem Strahl des Gebotes „Du sollst nicht toten!“ eine Schaufel voll in den Kubel schleudern.

Meine Auffahrt schon mu? es entscheiden; ich reite deshalb auf dem Kubel hin. Als Kubelreiter, die Hand oben am Griff, dem einfachsten Zaumzeug, drehe ich mich beschwerlich die Treppe hinab; unten aber steigt mein Kubel auf, prachtig, prachtig; Kameele, niedrig am Boden hingelagert, steigen, sich schuttelnd unter dem Stock des Fuhrers, nicht schoner auf. Durch die fest gefrorene Gasse geht es in ebenma?igem Trab; oft werde ich bis zur Hohe der ersten Stockwerke gehoben; niemals sinke ich bis zur Hausture hinab. Und au?ergewohnlich hoch schwebe ich vor dem Kellergewolbe des Handlers, in dem er tief unten an seinem Tischchen kauert und schreibt; um die ubergro?e Hitze abzulassen, hat er die Tur geoffnet.

„Kohlenhandler!“ rufe ich mit vor Kalte hohl gebrannter Stimme, in Rauchwolken des Atems gehullt, „bitte Kohlenhandler, gib mir ein wenig Kohle. Mein Kubel ist schon so leer, da? ich auf ihm reiten kann. Sei so gut. Bis ich kann, bezahl ichs.“

Der Handler legt die Hand ans Ohr. „Hor ich recht?“ fragt er uber die Schulter weg seine Frau, die auf der Ofenbank strickt, „hor ich recht? Eine Kundschaft.“

„Ich hore gar nichts“, sagt die Frau, ruhig aus- und einatmend uber den Stricknadeln, wohlig im Rucken gewarmt.

„O ja“, rufe ich, „ich bin es; eine alte Kundschaft; treu ergeben; nur augenblicklich mittellos.“

„Frau“, sagt der Handler, „es ist, es ist jemand; so sehr kann ich mich doch nicht tauschen; eine alte, eine sehr alte Kundschaft mu? es sein, die mir so zum Herzen zu sprechen wei?.“

„Was hast du, Mann?“ sagt die Frau und druckt, einen Augenblick ausruhend, die Handarbeit an die Brust, „niemand ist es; die Gasse ist leer; alle unsere Kundschaft ist versorgt; wir konnten fur Tage das Geschaft sperren und ausruhn.“

„Aber ich sitze doch hier auf dem Kubel“, rufe ich und gefuhllose Tranen der Kalte verschleiern mir die Augen, „bitte seht doch herauf; Ihr werdet mich gleich entdecken; um eine Schaufel voll bitte ich; und gebt Ihr

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