blo?en Sohlen uber den Lehmfu?boden, und durch eine Schie?scharte in der Wand sah er, wie sie, kaum da? sie zur Tur heraus waren, in eine riesige Pfutze sprangen, die sich im Laufe der letzten Tage angesammelt hatte. Nach allen Seiten hin stiebten Spritzer auf. Dann rief einer: „Da, ein Wurm!“ Die Kinder wollten ihn fangen, drangten sich zusammen, sein rosa Schwanz aber schob sich aus dem Wasser und peitschte ihre Fu?e. Die rothaarige Ruth, die Tochter von Thomas, jaulte auf — offenbar hatte der Wurm ihre Hand mit einem seiner Saugnapfe beruhrt, das aber brannte auf der Haut. Ihre Mutter schaute aus dem Fenster und rief: „Habt ihr den Verstand verloren! Einfach so ins Wasser zu springen, dabei konnt ihr die Hande einbu?en! Marsch nach Hause!“

Doch die Schuler wollten den Wurm unbedingt herausziehn, und Oleg wu?te auch, warum. Der Wurm wurde dann seine Farbe wechseln, ware mal rot, mal blau, und das interessierte sie. Allerdings nur sie, nicht aber die Mutter, die panische Angst vor den Wurmern hatten, obwohl diese im allgemeinen keinen Schaden anrichteten und feige waren.

Linda, die Frau von Thomas, stand am Rand der Pfutze und rief ihre Tochter.

Oleg, der Frage seiner Mutter zuvorkommend, sagte: „Ich bin gleich wieder da.“

Er trat aus der Tur und schaute zum Ende der Stra?e, wo am Zauntor Thomas stand, die Armbrust im Anschlag.

Seine Haltung verriet Anspannung.

Da stimmt was nicht, dachte Oleg, ich hab’s geahnt.

Dick hat sie Gott wei? wohin entfuhrt, und nun ist was passiert. Dick kommt gar nicht auf die Idee, da? sie ganz anders ist als er, ein Madchen noch, das man beschutzen mu?.

Die Kinder hatten den Wurm inzwischen aus dem Wasser gezogen, er war jetzt fast schwarz, konnte sich nicht damit abfinden, gefangen zu sein. Auch Ruth war gefangen, sie wurde von ihrer Mutter nach Hause geschleppt. Oleg rannte zum Zaun, obwohl ihm einfiel, da? er seine Armbrust vergessen hatte und somit kaum von Nutzen ware.

„Was ist los?“ erkundigte er sich bei Thomas.

Der andere erwiderte, ohne sich umzudrehen: „Ich glaube, die Schakale treiben sich wieder hier rum. Ein ganzes Rudel.“

„Das von heut nacht?“

„Keine Ahnung. Fruher haben sie sich tagsuber nicht blicken lassen. Wartest du auf Marjana?“

„Sie ist mit Dick in die Pilze.“

„Ich wei?, hab sie ja selbst durchgelassen. Hab keine Angst, mit ihm passiert ihr nichts. Er ist der geborene Jager.“

Oleg nickte. Die Worte klangen krankend, obwohl Thomas ihn keineswegs hatte beleidigen wollen. Auf Dick konnte man einfach mehr bauen. Er war Jager, Oleg nicht.

Als ob es, die hochste Errungenschaft der Menschheit ware, Jager zu sein!

„Ich versteh dich ja“, Thomas lachelte unvermittelt, lie? die Armbrust sinken und lehnte sich mit dem Rucken gegen einen Zaunpfahl, „aber es ist eine Frage der Prioritat.

In einer kleinen Gemeinschaft wie der unseren zahlen mathematische Fahigkeiten weniger als die, einen Baren zu toten. Das ist ungerecht, doch verstandlich.“

Das Lacheln von Thomas war hoflich, die langen schmalen Lippen bildeten in den Mundwinkeln einen Knick, als fanden sie keinen Platz im Gesicht. Das Gesicht selbst war schwarzlich und voll tiefer Falten, die Augen aber glanzten noch dunkler. Das Augenwei? dagegen war gelb. Thomas war leberkrank und davon kahlkopfig geworden. Auch hatte er eine schwache Lunge, er hustete viel. Trotzdem war er zah und kannte den Weg zum Pa? besser als alle andern.

Thomas warf die Armbrust hoch und scho?, ohne zu zielen einen Pfeil ab. Oleg sah in die Richtung, in die der Pfeil pfeifend entschwand. Der Schakal schaffte es nicht mehr, auszuweichen. Er fiel aus den Zweigen, als hatten sie ihn in der Schwebe gehalten und dann losgelassen. Das Tier sturzte ins Gras und zuckte noch ein paarmal, bevor es verendete.

„Ein Meisterschu?“, sage Oleg.

„Danke. Wir mussen ihn schnell fortschaffen, bevor die Aasgeier uber ihn herfallen.“

„Ich bring ihn her“, erbot sich Oleg.

„Nein“, widersprach Thomas, „er war nicht allein. Lauf lieber und hol deine Armbrust. Wenn Dick und Marjana aus dem Wald kommen, mussen sie an dem Rudel vorbei.

Wie viele Tiere hat so ein Rudel?“

„Ich habe heute nacht sechs gezahlt“, sagte Oleg.

Der Schakal lag da, den schwarzen Rachen weit geoffnet, das wei?e Fell gestraubt wie Nadeln.

Oleg war schon losgelaufen, um die Armbrust zu holen, als er auf ein Pfeifen von Thomas hin stehen blieb. Es war das bekannte laute Pfeifen, das man in jedem Winkel der Siedlung horte. Es bedeutete: Alle Mann zu Hilfe!

Sollte er umkehren? Nein, es war wohl doch besser, erst die Armbrust zu holen. Es wurde nur eine Minute dauern.

„Was gibt’s dort?“ fragte die Mutter. Sie stand in der Tur.

Er stie? sie beiseite und griff sich die Armbrust von der Wand, wobei er fast den Haken herausri?. Wo waren die Pfeile? Unter dem Tisch? Hoffentlich hatten die Zwillinge sie nicht fortgeschleppt.

„Die Pfeile sind hinter dem Herd“, sagte die Mutter.

„Was ist passiert? Etwas mit Marjana?“

Der Alte kam mit einem Speer aus dem Haus gesturzt.

Er konnte nicht mit der Armbrust umgehn — wie sollte er auch, mit einem Arm? Oleg uberholte ihn und zog einen Pfeil aus dem Kocher, was man im Laufen besser nicht tat.

Die ganze Kinderschar Dorfes sturmte zum Zaun.

„Zuruck mit euch!“ rief Oleg drohend, doch niemand gehorchte.

Neben Thomas stand bereits Sergejew, einen gro?en Bogen in der Hand. Die Manner verharrten reglos, lauschten angespannt. Sergejew hob die Hand, an der zwei Finger fehlten, gebot jenen, die angerannt kamen, stehenzubleiben.

Da ertonte aus der glatten grauen Wand des Waldes ein Schrei. Es war der Schrei eines Menschen, fern, kurz, wie abgehackt. Danach unendliche Stille, denn kein Mensch in der Siedlung wagte zu atmen. Selbst die Sauglinge in der Wiege verstummten. Und Oleg stellte sich vor, mehr noch, er sah formlich, wie dort, hinter der Wand von Regen und wei?lichen Stammen, in dem Wald, der lebte, atmete, voller Bewegung war, Marjana stand, den Rucken gegen die warme, brennende Rinde der Kiefer gepre?t, wahrend Dick auf den Knien liegend — Blut spritzt aus seiner von den Schakalzahnen zerfetzten Hand —, versucht den Speer zu fassen … „Alter!“ rief Thomas. „Bleib hier am Zaun. Du, Oleg, kommst mit uns!“

Am Waldrand wurden sie von Tante Luisa mit ihrer beruhmten Axt eingeholt — sie hatte damit im vorigen Jahr einen Baren abgewehrt. In der anderen Hand hielt sie ein schwelendes Holzscheit. Tante Luisa war eine gro?e, dicke, furchteinflo?ende Frau; ihre kurzen grauen Zotteln standen in alle Richtungen, ihr sackformiges Kleid war zur Glocke geblaht. Selbst die Baume zogen angstlich die Zweige zuruck und rollten die Blatter ein, denn Tante Luisa war wie der bose Geist, der zur Winterszeit in der Schlucht brullte. Als sie uber eine Rauberliane stolperte, sturzte die, statt ihr Opfer mit den Fangarmen packen, zum Stamm und versteckte sich dahinter wie eine feige Schlange.

Thomas blieb so unvermittelt stehen, da? Sergejew um ein Haar auf ihn aufgerannt ware. Dann steckte er zwei Finger in den Mund und stie? einen gellenden Pfiff aus, wie ihn kein anderer im Dorf zustande brachte. Als der Pfiff verhallte, wurde Oleg klar, wie sehr der Wald dieses Fu?estampfen furchtete, diesen Alarm und den Unmut der Menschen; ganz klein machte er sich. Nur das schwere Atmen der korpulenten Tante Luisa war zu horen.

„Hierher!“ rief Marjana. Ihre Stimme war ganz nahe. Es klang auch weniger wie ein Schrei, sondern so, als ob man jemanden vom anderen Ende der Siedlung riefe. Dann, als sie sich wieder in Bewegung gesetzt hatten, vernahm Oleg die Stimme Dicks, genauer sein fast tierisches Brullen und das wilde Toben eines Schakals.

Oleg scherte seitlich aus, um Tante Luisa zu uberholen, doch vor ihm tauchte der Rucken Sergejews auf, der sich nicht einmal richtig angezogen hatte, ohne Jacke war, nur mit Hemd und Lederhose bekleidet. Marjana aber stand da, wie Oleg sie vor seinem geistigen Auge gesehen hatte: gegen den weichen wei?en Stamm einer

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