Nische, die zufalligerweise sein Uberleben zulasst. Er lebt sein Nischen-Dasein. So was nennt man Gluck.

  

38. Aufbruch ins 21. Jahrhundert

Steigen Sie nun ein zur letzten Etappe unserer Reise durch die Weltgeschichte!

Um diese Zeit, in der wir leben und die uns pragt, in den Blick zu nehmen, empfiehlt sich die Aussicht von ganz oben. So aus einer Hohe von etwa hundert Kilometern. Von da aus lasst sich die Erde gut uberschauen. Und das Gefuhl, sich in der Schwerelosigkeit zu befinden, entspricht doch haargenau unserem modernen Lebensgefuhl.

Die Reise zu unserem letzten Ziel, dem Weltraum, ist freilich noch nicht ganz billig, aber tatsachlich schon ab November 2011 zu haben. So um die 170 000 Euro kostet die etwa einstundige Reise im XP Spaceplane beim amerikanischen Reiseanbieter Rocketplane Global oder auch bei Europas fuhrendem Raumfahrtkonzern Astri-um, der die erste Touristentour ins All fur 2012 plant. Fahrkarten konnen Sie ubrigens seit Oktober 2009 bereits bei Ihrem PennyDiscounter um die Ecke erwerben.

Vom Oklahoma Spaceport heben wir ab und steigen in 17 Minuten wie bei einem ganz normalen Flug auf gute 12 500 Meter. Dann geschieht es: Der Pilot legt den kleinen roten Hebel um, und mit einer heftigen Beschleunigung von tausend Metern pro Sekunde katapultiert uns die Rakete vertikal eine unendliche Minute lang weit ins All. Plotzlich wird es still werden, wenn der Antrieb erlischt, und wir werden zum ersten Mal erfahren, wie sich Schwerelosigkeit wirklich anfuhlt. Doch nur kurze Zeit konnen wir verwundert und berauscht dieses sensationelle Gefuhl auskosten, bevor der Rucksturz zur Erde beginnt.

Woruber konnten wir nachdenken wahrend dieser sieben, acht Minuten, in denen wir losgelost sind von aller Erdenschwere?

Der Blick aus dem Spaceplane-Fenster wird uns die Schonheit unseres Blauen Planeten unvergesslich vor Augen fuhren. Wir werden fasziniert sein von der Zartheit der Farben und der Duftigkeit der kleinen Wolkchen, die sich uber dem tiefen Azurblau des Atlantiks strahlend wei? abheben. Wir werden Europa ausmachen konnen und uber die gewaltige Ausdehnung Asiens staunen. Die Sonnenreflexion im Amazonas wird uns kurz streifen, und deutlich konnen wir fruchtbare Landstriche von riesigen trockenen Steppen unterscheiden.

Und wir wissen: Dort unten streben derzeit fast sieben Milliarden Menschen danach, glucklich zu sein. Und jahrlich kommen gut achtzig Millionen dazu. Noch vor funfzig Jahren zahlte die Weltbevolkerung kaum mehr als drei Milliarden und um das Jahr 1800 herum gerade mal eine Milliarde. Zu Zeiten von Christi Geburt bevolkerten lediglich 300 Millionen Menschen die Erde, die meisten Landstriche waren noch unbesiedelt.

Allen Untergangspropheten und Unkenrufen zum Trotz: Wir Menschen haben uns bis heute als ungeheuer erfolgreiches Lebensmodell erwiesen. Unsere Erfolgsgeschichte, die ganz bescheiden irgendwo in Afrika beginnt, ist atemberaubend. Aber wie lange wird das weitergehen?

Noch einmal ein Blick aus dem Fenster: Die Verletzlichkeit und ruhrende Verlorenheit unseres kleinen Planeten im schwarzen Nichts weckt in uns ein warmes Gefuhl fur die Menschheit. Wir wollen nicht vergessen: Der Mensch ist unendlich aufwendig hergestellt; allein deswegen soll man ihn mogen. Uber vier Milliarden Jahre hat es gebraucht, um jeden Einzelnen von uns uber den komplizierten Weg der Evolution aus Kohlenstoffeinheiten, also aus blo?em Sternenstaub, zu schaffen. Und dieses Phanomen an sich bleibt ein wunderbares, ewiges Ratsel, das auch unsere kausalitatssuchtige Wissenschaft niemals durchschauen kann. Denn der Vorgang unserer Entstehung und der Entstehung unserer Welt mag geschichtlich beschreibbar sein - wissenschaftlich ist er keineswegs ergrundbar, denn hier lasst sich nichts im Experiment wiederholen. Die Ablaufe dieser Geschichte sind einmalig, kontingent, zufallig. Und es stort uns jetzt auch nicht, dass wir von diesem Geheimnis sicher wissen, dass wir nichts wissen konnen. Wurde nicht die Naturwissenschaft auch das wirkliche Geheimnis des Lebens trivialisieren, wenn sie monoton nach dem Warum fragte? Letztlich, so mussen wir uns eingestehen, werden wir doch dadurch erst richtig selbststandig, dass wir uns von den Bedingungen des eigenen Entstehens emanzipieren und einfach »sind«. Mit allem Recht des Seienden. Und dem naturgegebenen Anspruch, auf eine gute Zukunft fur uns zu hoffen. Wir nehmen uns also vor, eine positive Bilanz zu ziehen und optimistisch nach vorn zu blicken, so wie es der Philosoph Karl Popper einmal gefordert hat, als er von der menschlichen »Pflicht zum Optimismus« sprach.

Wir leben! Und das trotz jahrlich neu angesagter Katastrophen: trotz der Kubakrise 1962, die die Welt an den Rand des atomaren Untergangs brachte. Trotz der dusteren Zukunftsszenarien des Club ofRome in den Siebzigerjahren. Trotz der letzten furchtbaren Kriege im Nahen Osten oder auch der schrecklichen Volkermorde in Afrika und auf dem Balkan. Trotz Klimawandel und Eisschmelze. Trotz Waldsterben, Schweinegrippe, AIDS und Terrorismus. Und immerhin wissen wir: Noch zu keiner Zeit gab es so wenig Kriegsopfer wie in der gegenwartigen Welt, die wir jetzt von hier oben betrachten. Gewiss, immer noch sterben viel zu viele Menschen durch Gewalt und Kriege. Noch immer gibt es viel zu viel himmelschreiende Armut und ungelindertes Elend. Aber tatsachlich gab es kaum jemals eine friedlichere Zeit als heute.

Seit dem Jahr 2000 gelingen weltweit unglaublich viele Wohlstandsprojekte, vor allem in Asien, Indien und Sudamerika, so rechnen uns die Statistiker des Weltwahrungsfonds vor. Und auch was in den funfzig Jahren davor geschah, war wirklich nicht immer zu beklagen: Mit der Bildung der Europaischen Gemeinschaft etwa gelang nach 1950 in nur ein paar Jahrzehnten die Zusammenfuhrung und die Befriedung eines uber Jahrhunderte kriegsverwusteten Europa, wie es noch fur unsere Urgro?eltern ganz unvorstellbar war. Auch Asien erholte sich vom japanischen Zusammenbruch. China stieg aus kolonialer Ausbeutung und Knechtschaft zu einer fuhrenden Weltwirtschaftsmacht auf. Mit der Abrustung in Ost und West geschah etwas geschichtlich Einmaliges: Noch niemals zuvor haben Volker ihre teuersten Waffen einfach unbenutzt verschrottet. Zum ersten Mal gelang es, einen Krieg, der bereits in den Kopfen vorbereitet war, einfach ausfallen zu lassen. Und mit Einrichtung der UNO in New York wurde endlich, nach der tragischen Versagensgeschichte des Volkerbundes in den Drei?igerjahren, ein halbwegs funktionierender Versuch gemacht, die Volker dieser Welt zu einer friedlichen Koexistenz anzuleiten.

Von den enormen uberraschenden Technikfortschritten ganz zu schweigen, gerade auch im Bereich von Medizin, Lebenszeitverlangerung und »Care-Providing«, einem Begriff, unter dem in Zukunft alle Instandhaltungsdienstleistungen, auch die am Menschen, gebundelt werden. Die Fachleute nennen die ungewohnlich vielen technischen Meilensteine, die in den letzten drei?ig Jahren die Welt revolutionierten, »disruptive Innovationen«, wie etwa den Supraleiter, den Computerchip, das Internet oder neuerdings auch das iPhone, das die weltweite Kommunikation von Grund auf verandert. Seit Kurzem zahlt auch schon die sogenannte »Greenobalisierung« dazu, die rasante Entwicklung weltweiter Umwelt- und Recycling- Technologien, die in den kommenden Jahren einen gewaltigen Boom erleben werden, wie es viele Zukunftsforscher voraussagen. »Die nachste industrielle Revolution wird grun sein!«, so sind sich viele Okonomen sicher. Und die Welt der Elektroautos und CO2 -freier Energien wird eine schonere werden.

Selbst die Bankenkrise wird inzwischen von vielen als Chance zur positiven und notwendigen Veranderung begriffen. Analytiker sehen diesen Crash vor allem als das Ergebnis einer veralteten, hierarchisch gepragten Finanzwelt, die ihr Risiko-Verhalten nach fruhkapitalistisch-mannlichen Ma?staben ausrichtet. Aber weltweit seien langst »weibliche« Losungsstrategien in Politik, Kultur und Wirtschaft auf dem Vormarsch: Intuition, emotionale Intelligenz, Kooperationsbereitschaft, Risikovermeidung.

Der soziodemografische Wandel und die neuen Arbeitsbedingungen einer globalisierten Welt zwingen zu intensiven Beziehungskonzepten. Wirtschaftliche Verflechtungen aber sind der Konigsweg zur Forderung des Weltfriedens. Dabei werden in der Arbeitswelt lebenslange Firmenbindung, starre Hierarchien und lineare, frustrierende Arbeitsablaufe abgelost werden durch Selbststandigkeit, schopferische Gestaltung und »Multijobbing«. Die Zukunftsfahigkeit von Arbeitsangeboten wird sich bald schon daran bemessen, inwieweit es einem Unternehmen in einer immer starker automatisierten Welt gelingt, den Arbeitnehmern kreatives, motivierendes Potenzial zur Selbstverwirklichung anzubieten. Derart kreative und lebensnahe Jobs ermoglichen dann auch die freiwillige Fortfuhrung der Arbeit uber das 65. Lebensjahr hinaus.

Vor der Auslagerung von Dienstleitungen und Produktionsablaufen in Billiglohnlander wie China, Brasilien oder

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